Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

bath werden wir den Juden auch lassen müssen. So
lange unser Staat noch ein christlicher Staat *) blei-
ben wird und soll, wird man den Juden nicht erlauben,
unsern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; sind
sie aber erst Bauren, so wird der Ausfall von zwey
Tagen unter sieben zu stark für sie seyn, und der
Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng-
land ist der Jude immer noch auf den Handel allein
eingeschränkt, und schon da leidet er durch diesen Aus-
fall von 2 Tagen, worauf scharf gehalten wird, un-
endlich. Ich mögte aber nicht gern, daß man die
Juden von diesem Gesetze dispensirte. Freylich ließ'
es sich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den
Vorurtheilen unserer Christen, wenn es welche seyn
sollen; und dann giebt es Vorurtheile, die selbst die

Für-
*) Diese Benennung, "christliche, mahometanische
Staaten" so gemein sie auch ist, scheint mir doch
den richtigen Begriffen von der Natur der bürgerli-
chen Gesellschaft widersprechend. Diese kann mehre-
re religiöse umfassen, sie ihren Zwecken unterord-
nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der-
selben gehört zum Wesen des Staats und der Be-
griff einer religiösen Gesellschaft (zahlreich oder nicht
thut nichts zur Sache und ist veränderlich) muß nie
in den Begriff der bürgerlichen gemischt werden. D.
G 4

bath werden wir den Juden auch laſſen muͤſſen. So
lange unſer Staat noch ein chriſtlicher Staat *) blei-
ben wird und ſoll, wird man den Juden nicht erlauben,
unſern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; ſind
ſie aber erſt Bauren, ſo wird der Ausfall von zwey
Tagen unter ſieben zu ſtark fuͤr ſie ſeyn, und der
Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng-
land iſt der Jude immer noch auf den Handel allein
eingeſchraͤnkt, und ſchon da leidet er durch dieſen Aus-
fall von 2 Tagen, worauf ſcharf gehalten wird, un-
endlich. Ich moͤgte aber nicht gern, daß man die
Juden von dieſem Geſetze diſpenſirte. Freylich ließ’
es ſich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den
Vorurtheilen unſerer Chriſten, wenn es welche ſeyn
ſollen; und dann giebt es Vorurtheile, die ſelbſt die

Fuͤr-
*) Dieſe Benennung, „chriſtliche, mahometaniſche
Staaten“ ſo gemein ſie auch iſt, ſcheint mir doch
den richtigen Begriffen von der Natur der buͤrgerli-
chen Geſellſchaft widerſprechend. Dieſe kann mehre-
re religioͤſe umfaſſen, ſie ihren Zwecken unterord-
nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der-
ſelben gehoͤrt zum Weſen des Staats und der Be-
griff einer religioͤſen Geſellſchaft (zahlreich oder nicht
thut nichts zur Sache und iſt veraͤnderlich) muß nie
in den Begriff der buͤrgerlichen gemiſcht werden. D.
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="103"/>
bath werden wir den Juden auch la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. So<lb/>
lange un&#x017F;er Staat noch ein <hi rendition="#fr">chri&#x017F;tlicher Staat</hi> <note place="foot" n="*)">Die&#x017F;e Benennung, &#x201E;<hi rendition="#fr">chri&#x017F;tliche, mahometani&#x017F;che<lb/>
Staaten</hi>&#x201C; &#x017F;o gemein &#x017F;ie auch i&#x017F;t, &#x017F;cheint mir doch<lb/>
den richtigen Begriffen von der Natur der <hi rendition="#fr">bu&#x0364;rgerli-<lb/>
chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi> wider&#x017F;prechend. Die&#x017F;e kann mehre-<lb/>
re <hi rendition="#fr">religio&#x0364;&#x017F;e</hi> umfa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie ihren Zwecken unterord-<lb/>
nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der-<lb/>
&#x017F;elben geho&#x0364;rt zum We&#x017F;en des Staats und der Be-<lb/>
griff einer religio&#x0364;&#x017F;en Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft (zahlreich oder nicht<lb/>
thut nichts zur Sache und i&#x017F;t vera&#x0364;nderlich) muß nie<lb/>
in den Begriff der bu&#x0364;rgerlichen gemi&#x017F;cht werden. <hi rendition="#fr">D.</hi></note> blei-<lb/>
ben wird und &#x017F;oll, wird man den Juden nicht erlauben,<lb/>
un&#x017F;ern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie aber er&#x017F;t Bauren, &#x017F;o wird der Ausfall von zwey<lb/>
Tagen unter &#x017F;ieben zu &#x017F;tark fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;eyn, und der<lb/>
Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng-<lb/>
land i&#x017F;t der Jude immer noch auf den Handel allein<lb/>
einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, und &#x017F;chon da leidet er durch die&#x017F;en Aus-<lb/>
fall von 2 Tagen, worauf &#x017F;charf gehalten wird, un-<lb/>
endlich. Ich mo&#x0364;gte aber nicht gern, daß man die<lb/>
Juden von die&#x017F;em Ge&#x017F;etze di&#x017F;pen&#x017F;irte. Freylich ließ&#x2019;<lb/>
es &#x017F;ich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den<lb/>
Vorurtheilen un&#x017F;erer Chri&#x017F;ten, wenn es welche &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollen; und dann giebt es Vorurtheile, die &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;r-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0111] bath werden wir den Juden auch laſſen muͤſſen. So lange unſer Staat noch ein chriſtlicher Staat *) blei- ben wird und ſoll, wird man den Juden nicht erlauben, unſern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; ſind ſie aber erſt Bauren, ſo wird der Ausfall von zwey Tagen unter ſieben zu ſtark fuͤr ſie ſeyn, und der Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng- land iſt der Jude immer noch auf den Handel allein eingeſchraͤnkt, und ſchon da leidet er durch dieſen Aus- fall von 2 Tagen, worauf ſcharf gehalten wird, un- endlich. Ich moͤgte aber nicht gern, daß man die Juden von dieſem Geſetze diſpenſirte. Freylich ließ’ es ſich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den Vorurtheilen unſerer Chriſten, wenn es welche ſeyn ſollen; und dann giebt es Vorurtheile, die ſelbſt die Fuͤr- *) Dieſe Benennung, „chriſtliche, mahometaniſche Staaten“ ſo gemein ſie auch iſt, ſcheint mir doch den richtigen Begriffen von der Natur der buͤrgerli- chen Geſellſchaft widerſprechend. Dieſe kann mehre- re religioͤſe umfaſſen, ſie ihren Zwecken unterord- nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der- ſelben gehoͤrt zum Weſen des Staats und der Be- griff einer religioͤſen Geſellſchaft (zahlreich oder nicht thut nichts zur Sache und iſt veraͤnderlich) muß nie in den Begriff der buͤrgerlichen gemiſcht werden. D. G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/111
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/111>, abgerufen am 05.05.2024.