Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

wegen ausrotten, weil sie keine Christen sind? Wa-
rum läßt sie aber Gott leben? Ja, sagt ihr, aber
Gott drückt sie auch um ihres Herzens Härtigkeit wil-
len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, sondern
Menschen thun es, und viele unter ihnen glauben,
daß sie Gott einen Dienst daran thun. Aber sie
hassen doch die Christen. Freylich, wenn wir's
darnach machen, nicht aber, weil wir Christen
sind. Und laßt sie es auch aus Sectirerey thun
-- wer hebt den ersten Stein auf? Man giebt
ihnen Schuld, daß sie Christen Kinder ermorden
und ihnen das Blut aussaugen. Aber wer kann mir
ein einziges Beyspiel davon zeigen? Pfui, solcher
Fabeln sollten wir uns doch endlich einmal schämen!
Sie nehmen den Christen die Nahrung weg. Meynt
ihr, daß sie nicht eben so gut einen Magen hätten,
als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde
blos für Christen erschaffen hätte? In dem Falle
würde er schon selbst dafür sorgen, daß sie nicht da
wären. Die Erde ist allenthalben des Herrn, die
Juden sind sowohl seine Geschöpfe als wir; er hat,
dächt' ich, also auch das Recht, da er sie gemacht
hat, sie zu erhalten -- oder siehest du darum so
scheel, daß er so gütig ist
?

Wie
G

wegen ausrotten, weil ſie keine Chriſten ſind? Wa-
rum laͤßt ſie aber Gott leben? Ja, ſagt ihr, aber
Gott druͤckt ſie auch um ihres Herzens Haͤrtigkeit wil-
len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, ſondern
Menſchen thun es, und viele unter ihnen glauben,
daß ſie Gott einen Dienſt daran thun. Aber ſie
haſſen doch die Chriſten. Freylich, wenn wir’s
darnach machen, nicht aber, weil wir Chriſten
ſind. Und laßt ſie es auch aus Sectirerey thun
wer hebt den erſten Stein auf? Man giebt
ihnen Schuld, daß ſie Chriſten Kinder ermorden
und ihnen das Blut ausſaugen. Aber wer kann mir
ein einziges Beyſpiel davon zeigen? Pfui, ſolcher
Fabeln ſollten wir uns doch endlich einmal ſchaͤmen!
Sie nehmen den Chriſten die Nahrung weg. Meynt
ihr, daß ſie nicht eben ſo gut einen Magen haͤtten,
als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde
blos fuͤr Chriſten erſchaffen haͤtte? In dem Falle
wuͤrde er ſchon ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß ſie nicht da
waͤren. Die Erde iſt allenthalben des Herrn, die
Juden ſind ſowohl ſeine Geſchoͤpfe als wir; er hat,
daͤcht’ ich, alſo auch das Recht, da er ſie gemacht
hat, ſie zu erhalten — oder ſieheſt du darum ſo
ſcheel, daß er ſo guͤtig iſt
?

Wie
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="97"/>
wegen ausrotten, weil &#x017F;ie keine Chri&#x017F;ten &#x017F;ind? Wa-<lb/>
rum la&#x0364;ßt &#x017F;ie aber Gott leben? Ja, &#x017F;agt ihr, aber<lb/>
Gott dru&#x0364;ckt &#x017F;ie auch um ihres Herzens Ha&#x0364;rtigkeit wil-<lb/>
len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, &#x017F;ondern<lb/>
Men&#x017F;chen thun es, und viele unter ihnen glauben,<lb/><hi rendition="#fr">daß &#x017F;ie Gott einen Dien&#x017F;t daran thun</hi>. Aber &#x017F;ie<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;en doch die Chri&#x017F;ten. Freylich, wenn wir&#x2019;s<lb/>
darnach machen, nicht aber, weil wir Chri&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ind. Und laßt &#x017F;ie es auch aus Sectirerey thun<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#fr">wer hebt den er&#x017F;ten Stein auf</hi>? Man giebt<lb/>
ihnen Schuld, daß &#x017F;ie Chri&#x017F;ten Kinder ermorden<lb/>
und ihnen das Blut aus&#x017F;augen. Aber wer kann mir<lb/>
ein einziges Bey&#x017F;piel davon zeigen? Pfui, &#x017F;olcher<lb/>
Fabeln &#x017F;ollten wir uns doch endlich einmal &#x017F;cha&#x0364;men!<lb/>
Sie nehmen den Chri&#x017F;ten die Nahrung weg. Meynt<lb/>
ihr, daß &#x017F;ie nicht eben &#x017F;o gut einen Magen ha&#x0364;tten,<lb/>
als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde<lb/>
blos fu&#x0364;r Chri&#x017F;ten er&#x017F;chaffen ha&#x0364;tte? In dem Falle<lb/>
wu&#x0364;rde er &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t dafu&#x0364;r &#x017F;orgen, daß &#x017F;ie nicht da<lb/>
wa&#x0364;ren. Die Erde i&#x017F;t allenthalben des Herrn, die<lb/>
Juden &#x017F;ind &#x017F;owohl &#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe als wir; er hat,<lb/>
da&#x0364;cht&#x2019; ich, al&#x017F;o auch das Recht, da er &#x017F;ie gemacht<lb/>
hat, &#x017F;ie zu erhalten &#x2014; <hi rendition="#fr">oder &#x017F;iehe&#x017F;t du darum &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cheel, daß er &#x017F;o gu&#x0364;tig i&#x017F;t</hi>?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0105] wegen ausrotten, weil ſie keine Chriſten ſind? Wa- rum laͤßt ſie aber Gott leben? Ja, ſagt ihr, aber Gott druͤckt ſie auch um ihres Herzens Haͤrtigkeit wil- len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, ſondern Menſchen thun es, und viele unter ihnen glauben, daß ſie Gott einen Dienſt daran thun. Aber ſie haſſen doch die Chriſten. Freylich, wenn wir’s darnach machen, nicht aber, weil wir Chriſten ſind. Und laßt ſie es auch aus Sectirerey thun — wer hebt den erſten Stein auf? Man giebt ihnen Schuld, daß ſie Chriſten Kinder ermorden und ihnen das Blut ausſaugen. Aber wer kann mir ein einziges Beyſpiel davon zeigen? Pfui, ſolcher Fabeln ſollten wir uns doch endlich einmal ſchaͤmen! Sie nehmen den Chriſten die Nahrung weg. Meynt ihr, daß ſie nicht eben ſo gut einen Magen haͤtten, als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde blos fuͤr Chriſten erſchaffen haͤtte? In dem Falle wuͤrde er ſchon ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß ſie nicht da waͤren. Die Erde iſt allenthalben des Herrn, die Juden ſind ſowohl ſeine Geſchoͤpfe als wir; er hat, daͤcht’ ich, alſo auch das Recht, da er ſie gemacht hat, ſie zu erhalten — oder ſieheſt du darum ſo ſcheel, daß er ſo guͤtig iſt? Wie G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/105
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/105>, abgerufen am 21.11.2024.