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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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wissen sollte, wie und durch welche Veranlassung er
nach und nach zu seinen Ueberzeugungen gekommen
sey? Und beynahe mögte ich sagen, es giebt solche
genaue Beobachter gar nicht, wenn keine gewisse Re-
volution bey ihnen vorgegangen ist, von der sie ihre
Seelengeschichte an datiren. Um wie viel weniger
bin ich also im Stande, die Selengeschichte eines
andern zu beurtheilen und zu kennen. Wir wollen
das Wort Ueberzeugung nicht im strengsten Ver-
stande nehmen, da es freylich eine unpartheyische
Prüfung voraussetzt; denn in diesem Falle würden
wir manche sogenannte Ueberzeugung der Christen
gleichfalls ausrangiren müssen, und wie würd' es
dann unsern Fanatikern und Geistersehern gehen?
Sondern ich nehme das Wort Ueberzeugung nach
der Möglichkeit eines Subjects, seiner Meynung
gewiß zu seyn. Diese wird durch tausenderley Zu-
fälligkeiten eingeschränkt oder subjectivisch vernichtet.
Wie selten ist die Fähigkeit, einer Sache so tief
nachzudenken, als solche Prüfungen, wenn sie wei-
ter bringen sollen, erfordern! wie sehr fehlt es tau-
send Menschen an den erforderlichen Datis, Zeit,
Unbefangenheit
und Lust! Sorgen für Leibes-
nahrung und Nothdurft nehnen bey den meisten
Menschen alle Zeit weg, besonders bey den Juden,

dem

wiſſen ſollte, wie und durch welche Veranlaſſung er
nach und nach zu ſeinen Ueberzeugungen gekommen
ſey? Und beynahe moͤgte ich ſagen, es giebt ſolche
genaue Beobachter gar nicht, wenn keine gewiſſe Re-
volution bey ihnen vorgegangen iſt, von der ſie ihre
Seelengeſchichte an datiren. Um wie viel weniger
bin ich alſo im Stande, die Selengeſchichte eines
andern zu beurtheilen und zu kennen. Wir wollen
das Wort Ueberzeugung nicht im ſtrengſten Ver-
ſtande nehmen, da es freylich eine unpartheyiſche
Pruͤfung vorausſetzt; denn in dieſem Falle wuͤrden
wir manche ſogenannte Ueberzeugung der Chriſten
gleichfalls ausrangiren muͤſſen, und wie wuͤrd’ es
dann unſern Fanatikern und Geiſterſehern gehen?
Sondern ich nehme das Wort Ueberzeugung nach
der Moͤglichkeit eines Subjects, ſeiner Meynung
gewiß zu ſeyn. Dieſe wird durch tauſenderley Zu-
faͤlligkeiten eingeſchraͤnkt oder ſubjectiviſch vernichtet.
Wie ſelten iſt die Faͤhigkeit, einer Sache ſo tief
nachzudenken, als ſolche Pruͤfungen, wenn ſie wei-
ter bringen ſollen, erfordern! wie ſehr fehlt es tau-
ſend Menſchen an den erforderlichen Datis, Zeit,
Unbefangenheit
und Luſt! Sorgen fuͤr Leibes-
nahrung und Nothdurft nehnen bey den meiſten
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[93/0101] wiſſen ſollte, wie und durch welche Veranlaſſung er nach und nach zu ſeinen Ueberzeugungen gekommen ſey? Und beynahe moͤgte ich ſagen, es giebt ſolche genaue Beobachter gar nicht, wenn keine gewiſſe Re- volution bey ihnen vorgegangen iſt, von der ſie ihre Seelengeſchichte an datiren. Um wie viel weniger bin ich alſo im Stande, die Selengeſchichte eines andern zu beurtheilen und zu kennen. Wir wollen das Wort Ueberzeugung nicht im ſtrengſten Ver- ſtande nehmen, da es freylich eine unpartheyiſche Pruͤfung vorausſetzt; denn in dieſem Falle wuͤrden wir manche ſogenannte Ueberzeugung der Chriſten gleichfalls ausrangiren muͤſſen, und wie wuͤrd’ es dann unſern Fanatikern und Geiſterſehern gehen? Sondern ich nehme das Wort Ueberzeugung nach der Moͤglichkeit eines Subjects, ſeiner Meynung gewiß zu ſeyn. Dieſe wird durch tauſenderley Zu- faͤlligkeiten eingeſchraͤnkt oder ſubjectiviſch vernichtet. Wie ſelten iſt die Faͤhigkeit, einer Sache ſo tief nachzudenken, als ſolche Pruͤfungen, wenn ſie wei- ter bringen ſollen, erfordern! wie ſehr fehlt es tau- ſend Menſchen an den erforderlichen Datis, Zeit, Unbefangenheit und Luſt! Sorgen fuͤr Leibes- nahrung und Nothdurft nehnen bey den meiſten Menſchen alle Zeit weg, beſonders bey den Juden, dem

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/101>, abgerufen am 21.11.2024.