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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Und Alles und Jedes kann man doch nicht unter
Schloß und Riegel legen. Dinge, wie Petroleum, Wichse,
Pomade, Zöpfe, Haarnadeln u. s. w. pflegen unverschlossen
zu bleiben.

Jch hatte einmal eine Köchin, die mir täglich für
zwei Groschen Wichse anschrieb, so daß unsere ganze
Familie bei dem Kaufmann in den Verdacht kommen
mußte, sich der Wasserstiefeln zu bedienen.

Man erlaube mir jetzt von den Vorzügen der offenen
Speisekammer zu sprechen.

Bei einer solchen müßte selbstverständlich das ab-
scheuliche und demoralisirende Kostgeld fortfallen. Man
soll Niemand in Versuchung führen.

Jn Berlin erhält ein Dienstmädchen durchschnittlich
(exclusive Mittagbrot) 3 Thaler Kostgeld. Jede Haus-
frau, bis zur allerdümmsten herunter, weiß ganz genau,
daß selbst das ätherischste und magerste Dienstmädchen
dabei nicht zur Sättigung gelangen kann.

Jn völlig corrumpirten Staaten, bei elenden Ver-
waltungszuständen kommt es vor, daß Beamte ein Ein-
kommen beziehen, von dem sie notorisch ihre Familien
nicht erhalten können. Man verweist sie von Staats-
und Rechtswegen auf die Bestechung. Das ist genau
dasselbe Verfahren, das man unseren Dienstboten gegen-
über in Anwendung bringt.

Und Alles und Jedes kann man doch nicht unter
Schloß und Riegel legen. Dinge, wie Petroleum, Wichse,
Pomade, Zöpfe, Haarnadeln u. s. w. pflegen unverschlossen
zu bleiben.

Jch hatte einmal eine Köchin, die mir täglich für
zwei Groschen Wichse anschrieb, so daß unsere ganze
Familie bei dem Kaufmann in den Verdacht kommen
mußte, sich der Wasserstiefeln zu bedienen.

Man erlaube mir jetzt von den Vorzügen der offenen
Speisekammer zu sprechen.

Bei einer solchen müßte selbstverständlich das ab-
scheuliche und demoralisirende Kostgeld fortfallen. Man
soll Niemand in Versuchung führen.

Jn Berlin erhält ein Dienstmädchen durchschnittlich
(exclusive Mittagbrot) 3 Thaler Kostgeld. Jede Haus-
frau, bis zur allerdümmsten herunter, weiß ganz genau,
daß selbst das ätherischste und magerste Dienstmädchen
dabei nicht zur Sättigung gelangen kann.

Jn völlig corrumpirten Staaten, bei elenden Ver-
waltungszuständen kommt es vor, daß Beamte ein Ein-
kommen beziehen, von dem sie notorisch ihre Familien
nicht erhalten können. Man verweist sie von Staats-
und Rechtswegen auf die Bestechung. Das ist genau
dasselbe Verfahren, das man unseren Dienstboten gegen-
über in Anwendung bringt.

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[69/0077] Und Alles und Jedes kann man doch nicht unter Schloß und Riegel legen. Dinge, wie Petroleum, Wichse, Pomade, Zöpfe, Haarnadeln u. s. w. pflegen unverschlossen zu bleiben. Jch hatte einmal eine Köchin, die mir täglich für zwei Groschen Wichse anschrieb, so daß unsere ganze Familie bei dem Kaufmann in den Verdacht kommen mußte, sich der Wasserstiefeln zu bedienen. Man erlaube mir jetzt von den Vorzügen der offenen Speisekammer zu sprechen. Bei einer solchen müßte selbstverständlich das ab- scheuliche und demoralisirende Kostgeld fortfallen. Man soll Niemand in Versuchung führen. Jn Berlin erhält ein Dienstmädchen durchschnittlich (exclusive Mittagbrot) 3 Thaler Kostgeld. Jede Haus- frau, bis zur allerdümmsten herunter, weiß ganz genau, daß selbst das ätherischste und magerste Dienstmädchen dabei nicht zur Sättigung gelangen kann. Jn völlig corrumpirten Staaten, bei elenden Ver- waltungszuständen kommt es vor, daß Beamte ein Ein- kommen beziehen, von dem sie notorisch ihre Familien nicht erhalten können. Man verweist sie von Staats- und Rechtswegen auf die Bestechung. Das ist genau dasselbe Verfahren, das man unseren Dienstboten gegen- über in Anwendung bringt.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/77>, abgerufen am 28.04.2024.