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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Nein.

Soll sie zugleich seine Freundin sein?

Ja.

Wer allein kann uns wahrer Freund oder wahre
Freundin sein?

Nur wer vollen Antheil nimmt an unserm Seelen-
leben.

Jst Liebe dazu ausreichend?

Nein - eine alte Haushälterin, die uns hat auf-
wachsen sehen, kann uns mit aufopfernder Hingebung
lieben, sie wird nie unsere Freundin sein können. Die
Liebe braucht sich nur schüchtern anzuschmiegen, oder treu
zu folgen, die Freundschaft soll muthig und fördernd zur
Seite stehen.

Der Antheil am Seelenleben, oder das gemeinschaft-
liche Seelenleben setzt selbstverständlich volles Verständniß
der Freundesseele voraus. Ein solches aber ist unmög-
lich zwischen Gatten, die auf einer ganz verschiedenen
Stufe der Bildung, der Anschauung und Erkenntniß
stehen.

Aus diesem Grunde finden wir wohl (was die
mittleren Stände anbelangt) die unglücklichsten Ehen in
der höheren Beamten-, in der Künstler-, Schriftsteller-
und Gelehrtenwelt. Jm Kaufmannsstande dagegen die

Nein.

Soll sie zugleich seine Freundin sein?

Ja.

Wer allein kann uns wahrer Freund oder wahre
Freundin sein?

Nur wer vollen Antheil nimmt an unserm Seelen-
leben.

Jst Liebe dazu ausreichend?

Nein – eine alte Haushälterin, die uns hat auf-
wachsen sehen, kann uns mit aufopfernder Hingebung
lieben, sie wird nie unsere Freundin sein können. Die
Liebe braucht sich nur schüchtern anzuschmiegen, oder treu
zu folgen, die Freundschaft soll muthig und fördernd zur
Seite stehen.

Der Antheil am Seelenleben, oder das gemeinschaft-
liche Seelenleben setzt selbstverständlich volles Verständniß
der Freundesseele voraus. Ein solches aber ist unmög-
lich zwischen Gatten, die auf einer ganz verschiedenen
Stufe der Bildung, der Anschauung und Erkenntniß
stehen.

Aus diesem Grunde finden wir wohl (was die
mittleren Stände anbelangt) die unglücklichsten Ehen in
der höheren Beamten-, in der Künstler-, Schriftsteller-
und Gelehrtenwelt. Jm Kaufmannsstande dagegen die

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[30/0038] Nein. Soll sie zugleich seine Freundin sein? Ja. Wer allein kann uns wahrer Freund oder wahre Freundin sein? Nur wer vollen Antheil nimmt an unserm Seelen- leben. Jst Liebe dazu ausreichend? Nein – eine alte Haushälterin, die uns hat auf- wachsen sehen, kann uns mit aufopfernder Hingebung lieben, sie wird nie unsere Freundin sein können. Die Liebe braucht sich nur schüchtern anzuschmiegen, oder treu zu folgen, die Freundschaft soll muthig und fördernd zur Seite stehen. Der Antheil am Seelenleben, oder das gemeinschaft- liche Seelenleben setzt selbstverständlich volles Verständniß der Freundesseele voraus. Ein solches aber ist unmög- lich zwischen Gatten, die auf einer ganz verschiedenen Stufe der Bildung, der Anschauung und Erkenntniß stehen. Aus diesem Grunde finden wir wohl (was die mittleren Stände anbelangt) die unglücklichsten Ehen in der höheren Beamten-, in der Künstler-, Schriftsteller- und Gelehrtenwelt. Jm Kaufmannsstande dagegen die

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/38>, abgerufen am 19.04.2024.