Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frau stürzt sich auf die Kinder, um an ihnen
ihre Zeit auszulassen.

Zurück! ruft ein paradiesischer Kindergarten, der die
Kleinen, unter der Leitung wirklicher Pädagoginnen, für
die Vormittagsstunden der Atmosphäre getrockneter Win-
deln und widriger alter Kindsweiber entzieht.

Große Schneiderinnenwerkstätten liefern die Kleider
fix und fertig in's Haus, billiger, als man dieselben
im Hause könnte anfertigen lassen. Nur Flickarbeit
bleibt für die Hausfrau übrig.

Das deutsche Hausfrauenthum von heut ist nur ein
Schatten, eine Karrikatur desjenigen früherer Jahr-
hunderte, in denen die Frauen Theil hatten an der
Jndustrie.

Jene Hausfrauen brauten das Bier, spannen das
Garn, webten das Zeug. Sie buken das Brot, sie
pökelten das Fleisch und bestellten Obst- und Gemüse-
garten. Sie kochten Seife und zogen Lichter, sie fer-
tigten köstliche Gewände, sie klöppelten Spitzen und
hatten doch noch Zeit, musterhafte Gattinnen und Mütter
zu sein.

Unsere Hausfrauen spinnen nicht und weben nicht,
sie brauen nicht und backen nicht, sie sticken nicht köst-
liche Gewände und pflanzen nicht. Was thun sie denn?

Die Frau stürzt sich auf die Kinder, um an ihnen
ihre Zeit auszulassen.

Zurück! ruft ein paradiesischer Kindergarten, der die
Kleinen, unter der Leitung wirklicher Pädagoginnen, für
die Vormittagsstunden der Atmosphäre getrockneter Win-
deln und widriger alter Kindsweiber entzieht.

Große Schneiderinnenwerkstätten liefern die Kleider
fix und fertig in's Haus, billiger, als man dieselben
im Hause könnte anfertigen lassen. Nur Flickarbeit
bleibt für die Hausfrau übrig.

Das deutsche Hausfrauenthum von heut ist nur ein
Schatten, eine Karrikatur desjenigen früherer Jahr-
hunderte, in denen die Frauen Theil hatten an der
Jndustrie.

Jene Hausfrauen brauten das Bier, spannen das
Garn, webten das Zeug. Sie buken das Brot, sie
pökelten das Fleisch und bestellten Obst- und Gemüse-
garten. Sie kochten Seife und zogen Lichter, sie fer-
tigten köstliche Gewände, sie klöppelten Spitzen und
hatten doch noch Zeit, musterhafte Gattinnen und Mütter
zu sein.

Unsere Hausfrauen spinnen nicht und weben nicht,
sie brauen nicht und backen nicht, sie sticken nicht köst-
liche Gewände und pflanzen nicht. Was thun sie denn?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0149" n="141"/>
          <p>Die Frau stürzt sich auf die Kinder, um an ihnen<lb/>
ihre Zeit auszulassen.</p><lb/>
          <p>Zurück! ruft ein paradiesischer Kindergarten, der die<lb/>
Kleinen, unter der Leitung wirklicher Pädagoginnen, für<lb/>
die Vormittagsstunden der Atmosphäre getrockneter Win-<lb/>
deln und widriger alter Kindsweiber entzieht.</p><lb/>
          <p>Große Schneiderinnenwerkstätten liefern die Kleider<lb/>
fix und fertig in's Haus, billiger, als man dieselben<lb/>
im Hause könnte anfertigen lassen. Nur Flickarbeit<lb/>
bleibt für die Hausfrau übrig.</p><lb/>
          <p>Das deutsche Hausfrauenthum von heut ist nur ein<lb/>
Schatten, eine Karrikatur desjenigen früherer Jahr-<lb/>
hunderte, in denen die Frauen Theil hatten an der<lb/>
Jndustrie.</p><lb/>
          <p>Jene Hausfrauen brauten das Bier, spannen das<lb/>
Garn, webten das Zeug. Sie buken das Brot, sie<lb/>
pökelten das Fleisch und bestellten Obst- und Gemüse-<lb/>
garten. Sie kochten Seife und zogen Lichter, sie fer-<lb/>
tigten köstliche Gewände, sie klöppelten Spitzen und<lb/>
hatten doch noch Zeit, musterhafte Gattinnen und Mütter<lb/>
zu sein.</p><lb/>
          <p>Unsere Hausfrauen spinnen nicht und weben nicht,<lb/>
sie brauen nicht und backen nicht, sie sticken nicht köst-<lb/>
liche Gewände und pflanzen nicht. Was thun sie denn?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0149] Die Frau stürzt sich auf die Kinder, um an ihnen ihre Zeit auszulassen. Zurück! ruft ein paradiesischer Kindergarten, der die Kleinen, unter der Leitung wirklicher Pädagoginnen, für die Vormittagsstunden der Atmosphäre getrockneter Win- deln und widriger alter Kindsweiber entzieht. Große Schneiderinnenwerkstätten liefern die Kleider fix und fertig in's Haus, billiger, als man dieselben im Hause könnte anfertigen lassen. Nur Flickarbeit bleibt für die Hausfrau übrig. Das deutsche Hausfrauenthum von heut ist nur ein Schatten, eine Karrikatur desjenigen früherer Jahr- hunderte, in denen die Frauen Theil hatten an der Jndustrie. Jene Hausfrauen brauten das Bier, spannen das Garn, webten das Zeug. Sie buken das Brot, sie pökelten das Fleisch und bestellten Obst- und Gemüse- garten. Sie kochten Seife und zogen Lichter, sie fer- tigten köstliche Gewände, sie klöppelten Spitzen und hatten doch noch Zeit, musterhafte Gattinnen und Mütter zu sein. Unsere Hausfrauen spinnen nicht und weben nicht, sie brauen nicht und backen nicht, sie sticken nicht köst- liche Gewände und pflanzen nicht. Was thun sie denn?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/149
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/149>, abgerufen am 04.05.2024.