Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

- Mein liebes Kind, ich weiß nichts davon, du
mußt den Bruder fragen.

- Lannik, mein Bruder, sag mir, bin ich ver-
kauft jenem Herrn?

- Ja, verkauft bist du dem Baron und abreisen
mußt du auf der Stelle. Den Kaufpreis habe ich
empfangen, 50 Thaler von weißem Silber und ebenso
viel glänzendes Gold.

II.

Sie war nicht fern von der väterlichen Hütte, als
sie die Glocken läuten hörte. Da fing sie an zu weinen:
"Lebt wohl, Saint-Anne, lebt wohl ihr Glocken meiner
Heimath, Glocken meines Kirchspiels, lebt wohl."

III.

- Nehmt einen Sessel und setzt Euch, während
wir die Stunde des Mahles erwarten.

- Der Herr stand nahe beim Feuer, der Bart
und die Haare waren weiß, die Augen wie zwei
Feuerbrände.

- Das ist ein gutes Mädchen, die ich begehre
seit langer Zeit. Wohlan, mein Kind, komm' daß ich
dir zeige alle meine Reichthümer. Komm mit mir, du
Schöne, zu zählen mein Gold und mein Silber.

- Lieber wäre ich bei meiner Mutter, zu zählen
die Holzspähne, sie in das Feuer zu werfen.

– Mein liebes Kind, ich weiß nichts davon, du
mußt den Bruder fragen.

– Lannik, mein Bruder, sag mir, bin ich ver-
kauft jenem Herrn?

– Ja, verkauft bist du dem Baron und abreisen
mußt du auf der Stelle. Den Kaufpreis habe ich
empfangen, 50 Thaler von weißem Silber und ebenso
viel glänzendes Gold.

II.

Sie war nicht fern von der väterlichen Hütte, als
sie die Glocken läuten hörte. Da fing sie an zu weinen:
„Lebt wohl, Saint-Anne, lebt wohl ihr Glocken meiner
Heimath, Glocken meines Kirchspiels, lebt wohl.‟

III.

– Nehmt einen Sessel und setzt Euch, während
wir die Stunde des Mahles erwarten.

– Der Herr stand nahe beim Feuer, der Bart
und die Haare waren weiß, die Augen wie zwei
Feuerbrände.

– Das ist ein gutes Mädchen, die ich begehre
seit langer Zeit. Wohlan, mein Kind, komm' daß ich
dir zeige alle meine Reichthümer. Komm mit mir, du
Schöne, zu zählen mein Gold und mein Silber.

– Lieber wäre ich bei meiner Mutter, zu zählen
die Holzspähne, sie in das Feuer zu werfen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <pb facs="#f0096" n="88"/>
            <p>&#x2013; Mein liebes Kind, ich weiß nichts davon, du<lb/>
mußt den Bruder fragen.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Lannik, mein Bruder, sag mir, bin ich ver-<lb/>
kauft jenem Herrn?</p><lb/>
            <p>&#x2013; Ja, verkauft bist du dem Baron und abreisen<lb/>
mußt du auf der Stelle. Den Kaufpreis habe ich<lb/>
empfangen, 50 Thaler von weißem Silber und ebenso<lb/>
viel glänzendes Gold.</p><lb/>
          </div>
          <div n="4">
            <head><hi rendition="#aq">II</hi>.</head><lb/>
            <p>Sie war nicht fern von der väterlichen Hütte, als<lb/>
sie die Glocken läuten hörte. Da fing sie an zu weinen:<lb/>
&#x201E;Lebt wohl, Saint-Anne, lebt wohl ihr Glocken meiner<lb/>
Heimath, Glocken meines Kirchspiels, lebt wohl.&#x201F;</p><lb/>
          </div>
          <div n="4">
            <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/>
            <p>&#x2013; Nehmt einen Sessel und setzt Euch, während<lb/>
wir die Stunde des Mahles erwarten.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Der Herr stand nahe beim Feuer, der Bart<lb/>
und die Haare waren weiß, die Augen wie zwei<lb/>
Feuerbrände.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Das ist ein gutes Mädchen, die ich begehre<lb/>
seit langer Zeit. Wohlan, mein Kind, komm' daß ich<lb/>
dir zeige alle meine Reichthümer. Komm mit mir, du<lb/>
Schöne, zu zählen mein Gold und mein Silber.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Lieber wäre ich bei meiner Mutter, zu zählen<lb/>
die Holzspähne, sie in das Feuer zu werfen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] – Mein liebes Kind, ich weiß nichts davon, du mußt den Bruder fragen. – Lannik, mein Bruder, sag mir, bin ich ver- kauft jenem Herrn? – Ja, verkauft bist du dem Baron und abreisen mußt du auf der Stelle. Den Kaufpreis habe ich empfangen, 50 Thaler von weißem Silber und ebenso viel glänzendes Gold. II. Sie war nicht fern von der väterlichen Hütte, als sie die Glocken läuten hörte. Da fing sie an zu weinen: „Lebt wohl, Saint-Anne, lebt wohl ihr Glocken meiner Heimath, Glocken meines Kirchspiels, lebt wohl.‟ III. – Nehmt einen Sessel und setzt Euch, während wir die Stunde des Mahles erwarten. – Der Herr stand nahe beim Feuer, der Bart und die Haare waren weiß, die Augen wie zwei Feuerbrände. – Das ist ein gutes Mädchen, die ich begehre seit langer Zeit. Wohlan, mein Kind, komm' daß ich dir zeige alle meine Reichthümer. Komm mit mir, du Schöne, zu zählen mein Gold und mein Silber. – Lieber wäre ich bei meiner Mutter, zu zählen die Holzspähne, sie in das Feuer zu werfen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/96
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/96>, abgerufen am 21.11.2024.