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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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girt sich aber niemand, es sei denn auf Kosten der
Wahrheit und Menschenwürde.

Und das schlimmste bei diesen landläufigen Lügen
ist, daß es nur zu oft in Verlogenheit ausartet. Ver-
logenheit aber ist ein Seelenzustand, in dem Wahrheit
und Dichtung, Kunst und Natur, Aufrichtigkeit und
Falschheit so ineinander verwoben sind, daß selbst die
Jnhaber dieses Zustandes diese Elemente nicht mehr
von einander unterscheiden können. Verlogenheit ist ein
moralischer Weichselzopf.

Jch bekenne, daß, trotzdem ich mir einige Men-
schenkenntniß zutraue und einen ausgebreiteten Kreis
von weiblichen Bekannten habe, ich mir kaum von
einer einzigen Frau aus dem Kreise der gebildeten Ge-
sellschaft zu sagen getraue, daß ich sie kenne, daß ich
weiß, wie und was sie denkt und fühlt. Diese Frauen
lassen nie in ihre Karten sehen. Sie sind von un-
glaublicher Diskretion über sich selbst, sie verschleiern
stets ihre Seele.

Unter den Frauen aus dem Volke findet man viel
eher ab und zu wirkliche Natur und Aufrichtigkeit, hier
ist es oft genug auch nur zu gleichgültig, ob sie heucheln
oder ob sie wahr sind. Jst der Mann roh, so entgeht
sie in keinem Fall seiner Mißhandlung.

Wenn in dem Kampf der Frau zwischen Natur

girt sich aber niemand, es sei denn auf Kosten der
Wahrheit und Menschenwürde.

Und das schlimmste bei diesen landläufigen Lügen
ist, daß es nur zu oft in Verlogenheit ausartet. Ver-
logenheit aber ist ein Seelenzustand, in dem Wahrheit
und Dichtung, Kunst und Natur, Aufrichtigkeit und
Falschheit so ineinander verwoben sind, daß selbst die
Jnhaber dieses Zustandes diese Elemente nicht mehr
von einander unterscheiden können. Verlogenheit ist ein
moralischer Weichselzopf.

Jch bekenne, daß, trotzdem ich mir einige Men-
schenkenntniß zutraue und einen ausgebreiteten Kreis
von weiblichen Bekannten habe, ich mir kaum von
einer einzigen Frau aus dem Kreise der gebildeten Ge-
sellschaft zu sagen getraue, daß ich sie kenne, daß ich
weiß, wie und was sie denkt und fühlt. Diese Frauen
lassen nie in ihre Karten sehen. Sie sind von un-
glaublicher Diskretion über sich selbst, sie verschleiern
stets ihre Seele.

Unter den Frauen aus dem Volke findet man viel
eher ab und zu wirkliche Natur und Aufrichtigkeit, hier
ist es oft genug auch nur zu gleichgültig, ob sie heucheln
oder ob sie wahr sind. Jst der Mann roh, so entgeht
sie in keinem Fall seiner Mißhandlung.

Wenn in dem Kampf der Frau zwischen Natur

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[47/0055] girt sich aber niemand, es sei denn auf Kosten der Wahrheit und Menschenwürde. Und das schlimmste bei diesen landläufigen Lügen ist, daß es nur zu oft in Verlogenheit ausartet. Ver- logenheit aber ist ein Seelenzustand, in dem Wahrheit und Dichtung, Kunst und Natur, Aufrichtigkeit und Falschheit so ineinander verwoben sind, daß selbst die Jnhaber dieses Zustandes diese Elemente nicht mehr von einander unterscheiden können. Verlogenheit ist ein moralischer Weichselzopf. Jch bekenne, daß, trotzdem ich mir einige Men- schenkenntniß zutraue und einen ausgebreiteten Kreis von weiblichen Bekannten habe, ich mir kaum von einer einzigen Frau aus dem Kreise der gebildeten Ge- sellschaft zu sagen getraue, daß ich sie kenne, daß ich weiß, wie und was sie denkt und fühlt. Diese Frauen lassen nie in ihre Karten sehen. Sie sind von un- glaublicher Diskretion über sich selbst, sie verschleiern stets ihre Seele. Unter den Frauen aus dem Volke findet man viel eher ab und zu wirkliche Natur und Aufrichtigkeit, hier ist es oft genug auch nur zu gleichgültig, ob sie heucheln oder ob sie wahr sind. Jst der Mann roh, so entgeht sie in keinem Fall seiner Mißhandlung. Wenn in dem Kampf der Frau zwischen Natur  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/55>, abgerufen am 27.11.2024.