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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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sich durch den Mangel der angeführten Eigenschaften
auszeichnen, vorzuziehen.

Die Frau soll sein schüchtern und zurückhaltend.
Die Türkin muß verschleiert einhergehn, damit kein
andrer Mann als der Gatte ihr Angesicht erblicke.
Der civilisirte Europäer verlangt, daß sie wenigstens
ihre Seele verschleiere und diese eine terra incognita
bleibe für jedes männliche Auge, das des Gatten ab-
gerechnet. Und so diskret sind zum Theil diese Ehe-
männer, daß sie oft nicht einmal von ihrem eigenen
Recht, ihren Gattinnen auf den Grund der Seele zu
blicken, Gebrauch machen. Auch soll die Gattin um
deswillen schüchtern und zurückhaltend sein, weil diese
Eigenschaften eine Schutzwehr der Tugend bilden;
wissen doch die Männer aus Erfahrung, daß sie auf
ihren Eroberungszügen in der Frauenwelt die Tugend
der kleinen Blumen, die in Küchen, Speisekammern und
Kinderstuben still dahinblühen, gerne schonen.

Besitzt nun aber Frau Schulz oder Frau Müller
alle die genannten weiblichen Eigenschaften, die ihre
Gatten als so begehrenswerth preisen und als das wesent-
liche Erforderniß einer glücklichen Ehe, - werden um
dessentwillen Herr Schulz und Müller ihren gehor-
samen Hausfrauen mehr Treue und Liebe bewahren,
als wenn sie dieser Eigenschaften ledig wären?

3*

sich durch den Mangel der angeführten Eigenschaften
auszeichnen, vorzuziehen.

Die Frau soll sein schüchtern und zurückhaltend.
Die Türkin muß verschleiert einhergehn, damit kein
andrer Mann als der Gatte ihr Angesicht erblicke.
Der civilisirte Europäer verlangt, daß sie wenigstens
ihre Seele verschleiere und diese eine terra incognita
bleibe für jedes männliche Auge, das des Gatten ab-
gerechnet. Und so diskret sind zum Theil diese Ehe-
männer, daß sie oft nicht einmal von ihrem eigenen
Recht, ihren Gattinnen auf den Grund der Seele zu
blicken, Gebrauch machen. Auch soll die Gattin um
deswillen schüchtern und zurückhaltend sein, weil diese
Eigenschaften eine Schutzwehr der Tugend bilden;
wissen doch die Männer aus Erfahrung, daß sie auf
ihren Eroberungszügen in der Frauenwelt die Tugend
der kleinen Blumen, die in Küchen, Speisekammern und
Kinderstuben still dahinblühen, gerne schonen.

Besitzt nun aber Frau Schulz oder Frau Müller
alle die genannten weiblichen Eigenschaften, die ihre
Gatten als so begehrenswerth preisen und als das wesent-
liche Erforderniß einer glücklichen Ehe, – werden um
dessentwillen Herr Schulz und Müller ihren gehor-
samen Hausfrauen mehr Treue und Liebe bewahren,
als wenn sie dieser Eigenschaften ledig wären?

3*
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[35/0043] sich durch den Mangel der angeführten Eigenschaften auszeichnen, vorzuziehen. Die Frau soll sein schüchtern und zurückhaltend. Die Türkin muß verschleiert einhergehn, damit kein andrer Mann als der Gatte ihr Angesicht erblicke. Der civilisirte Europäer verlangt, daß sie wenigstens ihre Seele verschleiere und diese eine terra incognita bleibe für jedes männliche Auge, das des Gatten ab- gerechnet. Und so diskret sind zum Theil diese Ehe- männer, daß sie oft nicht einmal von ihrem eigenen Recht, ihren Gattinnen auf den Grund der Seele zu blicken, Gebrauch machen. Auch soll die Gattin um deswillen schüchtern und zurückhaltend sein, weil diese Eigenschaften eine Schutzwehr der Tugend bilden; wissen doch die Männer aus Erfahrung, daß sie auf ihren Eroberungszügen in der Frauenwelt die Tugend der kleinen Blumen, die in Küchen, Speisekammern und Kinderstuben still dahinblühen, gerne schonen. Besitzt nun aber Frau Schulz oder Frau Müller alle die genannten weiblichen Eigenschaften, die ihre Gatten als so begehrenswerth preisen und als das wesent- liche Erforderniß einer glücklichen Ehe, – werden um dessentwillen Herr Schulz und Müller ihren gehor- samen Hausfrauen mehr Treue und Liebe bewahren, als wenn sie dieser Eigenschaften ledig wären? 3*

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/43>, abgerufen am 29.03.2024.