Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen Tyrannen für den andern.
Und warum ertragen die Frauen so geduldig den Mangel des natürlichsten aller Rechte?
Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.
Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all- gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte, so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der- selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.
Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen Tyrannen für den andern.
Und warum ertragen die Frauen so geduldig den Mangel des natürlichsten aller Rechte?
Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.
Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all- gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte, so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der- selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0180"n="172"/><p>Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in<lb/>
mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer,<lb/>
wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn<lb/>
eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen<lb/>
darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau<lb/>
gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich <hirendition="#g">die</hi> Tyrannei<lb/>
kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen<lb/>
Tyrannen für den andern.</p><lb/><p>Und warum ertragen die Frauen so geduldig den<lb/>
Mangel des natürlichsten aller Rechte?</p><lb/><p>Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die<lb/>
Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.</p><lb/><p>Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig<lb/>
macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft<lb/>
sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und<lb/>
Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all-<lb/>
gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen<lb/>
ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die<lb/>
Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens<lb/>
froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen<lb/>
hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte,<lb/>
so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich<lb/>
längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der-<lb/>
selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie<lb/>
ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[172/0180]
Jch erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in
mir anerkennen. Es giebt keine Freiheit der Männer,
wenn es nicht eine Freiheit der Frauen giebt. Wenn
eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen
darf, warum soll es der Mann dürfen. Hat jede Frau
gesetzmäßig einen Tyrannen, so läßt mich die Tyrannei
kalt, die Männer von ihres gleichen erfahren. Einen
Tyrannen für den andern.
Und warum ertragen die Frauen so geduldig den
Mangel des natürlichsten aller Rechte?
Sehr einfach: Sie müssen; denn ihnen fehlt die
Macht, sich diese Rechte zu erzwingen.
Was die Frage des Frauenstimmrechts so schwierig
macht, ist ihre ungeheure Einfachheit. Die Gesellschaft
sagt: die Frauen sind Staatsangehörige, mit Kopf und
Herz begabt wie der Mann, sie haben neben den all-
gemeinen menschlichen Jnteressen bestimmte Jnteressen
ihres Geschlechts wahrzunehmen, sie bedürfen wie die
Männer eines Maßes von Freiheiten, um ihres Lebens
froh zu werden u.s.w. Wären diese Qualificationen
hinreichend für ihren Anspruch auf politische Rechte,
so raisonnirt die Gesellschaft weiter, so würden sie sich
längst im Besitz dieser Rechte befinden. Daß sie der-
selben nicht theilhaftig sind, ist ein Beweis, daß sie
ihnen von Natur- und Gotteswegen nicht zukommen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/180>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.