Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der
Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück,
indem sie ihnen zuriefen: "Auch wir sind Loretten."

Warum dem größeren Theil der Männer Geist
und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt
auf der Hand.

Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer
Dame sagte: "Jch kann diese Frau nicht leiden."
Warum nicht? - fragte man ihn - weil sie nicht
jung und nicht hübsch ist? "Das ist es nicht, ich komme
mir immer ihr gegenüber so dumm vor."

Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe-
riorität von ihresgleichen.

Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An-
erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur-
geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für
ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür-
tigen Geistern vorgezogen haben.

Und die Männer sollten die Superiorität einer
Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl
ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham
ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt.

Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen,
daß die Einführung der Frau in politische und wissen-
schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen

Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der
Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück,
indem sie ihnen zuriefen: „Auch wir sind Loretten.‟

Warum dem größeren Theil der Männer Geist
und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt
auf der Hand.

Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer
Dame sagte: „Jch kann diese Frau nicht leiden.‟
Warum nicht? – fragte man ihn – weil sie nicht
jung und nicht hübsch ist? „Das ist es nicht, ich komme
mir immer ihr gegenüber so dumm vor.‟

Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe-
riorität von ihresgleichen.

Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An-
erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur-
geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für
ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür-
tigen Geistern vorgezogen haben.

Und die Männer sollten die Superiorität einer
Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl
ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham
ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt.

Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen,
daß die Einführung der Frau in politische und wissen-
schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="134"/>
Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der<lb/>
Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück,<lb/>
indem sie ihnen zuriefen: &#x201E;Auch wir sind Loretten.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Warum dem größeren Theil der Männer Geist<lb/>
und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt<lb/>
auf der Hand.</p><lb/>
        <p>Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer<lb/>
Dame sagte: &#x201E;Jch kann diese Frau nicht leiden.&#x201F;<lb/>
Warum nicht? &#x2013; fragte man ihn &#x2013; weil sie nicht<lb/>
jung und nicht hübsch ist? &#x201E;Das ist es nicht, ich komme<lb/>
mir immer ihr gegenüber so dumm vor.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe-<lb/>
riorität von ihresgleichen.</p><lb/>
        <p>Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An-<lb/>
erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur-<lb/>
geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für<lb/>
ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür-<lb/>
tigen Geistern vorgezogen haben.</p><lb/>
        <p>Und die Männer sollten die Superiorität einer<lb/>
Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl<lb/>
ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham<lb/>
ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt.</p><lb/>
        <p>Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen,<lb/>
daß die Einführung der Frau in politische und wissen-<lb/>
schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0142] Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück, indem sie ihnen zuriefen: „Auch wir sind Loretten.‟ Warum dem größeren Theil der Männer Geist und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt auf der Hand. Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer Dame sagte: „Jch kann diese Frau nicht leiden.‟ Warum nicht? – fragte man ihn – weil sie nicht jung und nicht hübsch ist? „Das ist es nicht, ich komme mir immer ihr gegenüber so dumm vor.‟ Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe- riorität von ihresgleichen. Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An- erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur- geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür- tigen Geistern vorgezogen haben. Und die Männer sollten die Superiorität einer Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt. Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen, daß die Einführung der Frau in politische und wissen- schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/142
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/142>, abgerufen am 03.10.2024.