Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die Mütter irgend eine Schuld trifft, ihr die Kinder
fortnehmen lassen und anderen Händen anvertrauen.
Ein Gesetz, das an Grausamkeit mit den barbarischen
Verordnungen asiatischer Völker konkurrirt, ein Gesetz,
das keinen Schimmer von der erleuchteten Humanität
unseres Zeitalters auf die Frau fallen läßt, sondern
ihr, der ewigen mater dolorosa, immer von neuem
das Schwert in die Brust stößt.

Was auf dem Gebiete der geschlechtlichen Beziehu-
ngen straflos an den Frauen gesündigt wird, ist unglaublich
(man vergegenwärtige sich einen Augenblick die Sta-
tistik der Verführungen und ihre furchtbare Geschichte)
und schmachvoll für die menschliche Gesellschaft. Man
braucht nur daran zu denken, daß die Basis für die
Moralität unserer Gesellschaft, die Prostitution ist;
Diese Ausgeburtsidee einer corrumpirten Gesellschaft,
die zu Gunsten der gutsituirten und beschützten Frauen
dem weiblichen Proletariat das Laster aufzwingt, es
zu den Parias in der moralischen Welt macht und
von ihm die Kosten bestreiten läßt für den Tugend-
schmuck der wohlhabenden Frauenklassen. Jn der That,
eine Tugendgründerei schamlosester Art.

Doch ist das ein Gebiet, auf welches wir bei dieser
flüchtigen Skizze nicht näher eingehen können, weil es
zu umfassend ist und von zu gewaltiger Tragweite.

7*

daß die Mütter irgend eine Schuld trifft, ihr die Kinder
fortnehmen lassen und anderen Händen anvertrauen.
Ein Gesetz, das an Grausamkeit mit den barbarischen
Verordnungen asiatischer Völker konkurrirt, ein Gesetz,
das keinen Schimmer von der erleuchteten Humanität
unseres Zeitalters auf die Frau fallen läßt, sondern
ihr, der ewigen mater dolorosa, immer von neuem
das Schwert in die Brust stößt.

Was auf dem Gebiete der geschlechtlichen Beziehu-
ngen straflos an den Frauen gesündigt wird, ist unglaublich
(man vergegenwärtige sich einen Augenblick die Sta-
tistik der Verführungen und ihre furchtbare Geschichte)
und schmachvoll für die menschliche Gesellschaft. Man
braucht nur daran zu denken, daß die Basis für die
Moralität unserer Gesellschaft, die Prostitution ist;
Diese Ausgeburtsidee einer corrumpirten Gesellschaft,
die zu Gunsten der gutsituirten und beschützten Frauen
dem weiblichen Proletariat das Laster aufzwingt, es
zu den Parias in der moralischen Welt macht und
von ihm die Kosten bestreiten läßt für den Tugend-
schmuck der wohlhabenden Frauenklassen. Jn der That,
eine Tugendgründerei schamlosester Art.

Doch ist das ein Gebiet, auf welches wir bei dieser
flüchtigen Skizze nicht näher eingehen können, weil es
zu umfassend ist und von zu gewaltiger Tragweite.

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="99"/>
daß die Mütter irgend eine Schuld trifft, ihr die Kinder<lb/>
fortnehmen lassen und anderen Händen anvertrauen.<lb/>
Ein Gesetz, das an Grausamkeit mit den barbarischen<lb/>
Verordnungen asiatischer Völker konkurrirt, ein Gesetz,<lb/>
das keinen Schimmer von der erleuchteten Humanität<lb/>
unseres Zeitalters auf die Frau fallen läßt, sondern<lb/>
ihr, der ewigen <hi rendition="#aq">mater dolorosa</hi>, immer von neuem<lb/>
das Schwert in die Brust stößt.</p><lb/>
        <p>Was auf dem Gebiete der geschlechtlichen Beziehu-<lb/>
ngen straflos an den Frauen gesündigt wird, ist unglaublich<lb/>
(man vergegenwärtige sich einen Augenblick die Sta-<lb/>
tistik der Verführungen und ihre furchtbare Geschichte)<lb/>
und schmachvoll für die menschliche Gesellschaft. Man<lb/>
braucht nur daran zu denken, daß die Basis für die<lb/>
Moralität unserer Gesellschaft, die Prostitution ist;<lb/>
Diese Ausgeburtsidee einer corrumpirten Gesellschaft,<lb/>
die zu Gunsten der gutsituirten und beschützten Frauen<lb/>
dem weiblichen Proletariat das Laster aufzwingt, es<lb/>
zu den Parias in der moralischen Welt macht und<lb/>
von ihm die Kosten bestreiten läßt für den Tugend-<lb/>
schmuck der wohlhabenden Frauenklassen. Jn der That,<lb/>
eine Tugendgründerei schamlosester Art.</p><lb/>
        <p>Doch ist das ein Gebiet, auf welches wir bei dieser<lb/>
flüchtigen Skizze nicht näher eingehen können, weil es<lb/>
zu umfassend ist und von zu gewaltiger Tragweite.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*</fw><lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0107] daß die Mütter irgend eine Schuld trifft, ihr die Kinder fortnehmen lassen und anderen Händen anvertrauen. Ein Gesetz, das an Grausamkeit mit den barbarischen Verordnungen asiatischer Völker konkurrirt, ein Gesetz, das keinen Schimmer von der erleuchteten Humanität unseres Zeitalters auf die Frau fallen läßt, sondern ihr, der ewigen mater dolorosa, immer von neuem das Schwert in die Brust stößt. Was auf dem Gebiete der geschlechtlichen Beziehu- ngen straflos an den Frauen gesündigt wird, ist unglaublich (man vergegenwärtige sich einen Augenblick die Sta- tistik der Verführungen und ihre furchtbare Geschichte) und schmachvoll für die menschliche Gesellschaft. Man braucht nur daran zu denken, daß die Basis für die Moralität unserer Gesellschaft, die Prostitution ist; Diese Ausgeburtsidee einer corrumpirten Gesellschaft, die zu Gunsten der gutsituirten und beschützten Frauen dem weiblichen Proletariat das Laster aufzwingt, es zu den Parias in der moralischen Welt macht und von ihm die Kosten bestreiten läßt für den Tugend- schmuck der wohlhabenden Frauenklassen. Jn der That, eine Tugendgründerei schamlosester Art. Doch ist das ein Gebiet, auf welches wir bei dieser flüchtigen Skizze nicht näher eingehen können, weil es zu umfassend ist und von zu gewaltiger Tragweite.   7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/107
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/107>, abgerufen am 05.10.2024.