Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Alle Teufel, schrie plötzlich Rolf Evert, was ist das, Mädchen, was soll der Striethast heißen? Anntrin richtete sich, angesichts der Tante und ihres Vaters, hoch auf und sagte ernst: Das soll heißen, daß Anna Katharina Twistbrink deine Ehefrau nicht werden darf! -- Kind, Kind, kreischte Sanne Möhe, so weißt du denn schon, daß deine Mutter vor Schreck über die Hexereien gestorben ist -- er hat sie getödtet! Nein, Tante, entgegnete Anntrin erbebend, das wußte ich nicht, doch ich setze mein Leben dafür ein, daß Rolf Evert nichts Schlechtes gewollt oder gethan hat, nach seiner Meinung -- aber, Rolf, es ist doch wahr, du bist von einer andern Art, und was für dich gut und klug ist, das sieht ein simples Mädchen, wie ich, anders an. Ich kann nur offen und ehrlich sein, und um ehrlich zu bleiben, geb ich all mein Glück von mir! Um was kannst du mich beschuldigen? rief der Matrose zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. Um nichts, Rolf, ich werde nie leiden, daß Jemand eine Schuld auf dich wirft -- aber wenn wir immer zusammen wären, meine Gedanken könnten nicht sein wie deine Gedanken, meine Wege nicht wie deine Wege -- wir sind nicht von gleicher Art -- Adje! Alle Teufel, schrie plötzlich Rolf Evert, was ist das, Mädchen, was soll der Striethast heißen? Anntrin richtete sich, angesichts der Tante und ihres Vaters, hoch auf und sagte ernst: Das soll heißen, daß Anna Katharina Twistbrink deine Ehefrau nicht werden darf! — Kind, Kind, kreischte Sanne Möhe, so weißt du denn schon, daß deine Mutter vor Schreck über die Hexereien gestorben ist — er hat sie getödtet! Nein, Tante, entgegnete Anntrin erbebend, das wußte ich nicht, doch ich setze mein Leben dafür ein, daß Rolf Evert nichts Schlechtes gewollt oder gethan hat, nach seiner Meinung — aber, Rolf, es ist doch wahr, du bist von einer andern Art, und was für dich gut und klug ist, das sieht ein simples Mädchen, wie ich, anders an. Ich kann nur offen und ehrlich sein, und um ehrlich zu bleiben, geb ich all mein Glück von mir! Um was kannst du mich beschuldigen? rief der Matrose zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. Um nichts, Rolf, ich werde nie leiden, daß Jemand eine Schuld auf dich wirft — aber wenn wir immer zusammen wären, meine Gedanken könnten nicht sein wie deine Gedanken, meine Wege nicht wie deine Wege — wir sind nicht von gleicher Art — Adje! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <pb facs="#f0042"/> <p>Alle Teufel, schrie plötzlich Rolf Evert, was ist das, Mädchen, was soll der Striethast heißen?</p><lb/> <p>Anntrin richtete sich, angesichts der Tante und ihres Vaters, hoch auf und sagte ernst: Das soll heißen, daß Anna Katharina Twistbrink deine Ehefrau nicht werden darf! — </p><lb/> <p>Kind, Kind, kreischte Sanne Möhe, so weißt du denn schon, daß deine Mutter vor Schreck über die Hexereien gestorben ist — er hat sie getödtet! </p><lb/> <p>Nein, Tante, entgegnete Anntrin erbebend, das wußte ich nicht, doch ich setze mein Leben dafür ein, daß Rolf Evert nichts Schlechtes gewollt oder gethan hat, nach seiner Meinung — aber, Rolf, es ist doch wahr, du bist von einer andern Art, und was für dich gut und klug ist, das sieht ein simples Mädchen, wie ich, anders an. Ich kann nur offen und ehrlich sein, und um ehrlich zu bleiben, geb ich all mein Glück von mir!</p><lb/> <p>Um was kannst du mich beschuldigen? rief der Matrose zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.</p><lb/> <p>Um nichts, Rolf, ich werde nie leiden, daß Jemand eine Schuld auf dich wirft — aber wenn wir immer zusammen wären, meine Gedanken könnten nicht sein wie deine Gedanken, meine Wege nicht wie deine Wege — wir sind nicht von gleicher Art — Adje!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Alle Teufel, schrie plötzlich Rolf Evert, was ist das, Mädchen, was soll der Striethast heißen?
Anntrin richtete sich, angesichts der Tante und ihres Vaters, hoch auf und sagte ernst: Das soll heißen, daß Anna Katharina Twistbrink deine Ehefrau nicht werden darf! —
Kind, Kind, kreischte Sanne Möhe, so weißt du denn schon, daß deine Mutter vor Schreck über die Hexereien gestorben ist — er hat sie getödtet!
Nein, Tante, entgegnete Anntrin erbebend, das wußte ich nicht, doch ich setze mein Leben dafür ein, daß Rolf Evert nichts Schlechtes gewollt oder gethan hat, nach seiner Meinung — aber, Rolf, es ist doch wahr, du bist von einer andern Art, und was für dich gut und klug ist, das sieht ein simples Mädchen, wie ich, anders an. Ich kann nur offen und ehrlich sein, und um ehrlich zu bleiben, geb ich all mein Glück von mir!
Um was kannst du mich beschuldigen? rief der Matrose zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
Um nichts, Rolf, ich werde nie leiden, daß Jemand eine Schuld auf dich wirft — aber wenn wir immer zusammen wären, meine Gedanken könnten nicht sein wie deine Gedanken, meine Wege nicht wie deine Wege — wir sind nicht von gleicher Art — Adje!
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Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/42>, abgerufen am 16.02.2025. |