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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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an dem Gegenstand überwinden muss. Dem Rührenden pdi_448.002
fehlt schon das Siegreiche der Schönheit und so ist ihm ein leises pdi_448.003
Unlustgefühl der angegebenen Art beigemischt. Das Komische pdi_448.004
entsteht und wird genossen in einer poetischen Stimmung, die pdi_448.005
auf derselben Seite liegt. Zwar wird das Lachen durch pdi_448.006
ausserordentlich verschiedene Vorstellungen oder Beziehungen pdi_448.007
derselben hervorgerufen. Das Lachen, welches das Unfassbare, pdi_448.008
das unüberwindlich Plagende oder das Verächtliche erregt, hat pdi_448.009
mit dem Lachen, welches die witzigen Gedankenverbindungen pdi_448.010
hervorrufen, nur einen schwer errathbaren Grundzug in dem pdi_448.011
seelischen Vorgang und den uns unbekannten Zusammenhang von pdi_448.012
diesem Seelenvorgang bis zu der erfolgenden plötzlichen Explosion pdi_448.013
gemein. In jedem dieser Fälle ruft ein Contrast eine seelische Erschütterung pdi_448.014
hervor, welche sich auf dem Gebiete der Respiration pdi_448.015
entladet, auf welchem auch andere Seelenzustände sich in pdi_448.016
Seufzen, Schluchzen, zornigem Schnauben äussern. Aber die pdi_448.017
poetische Stimmung, in welcher das Komische als Situation, pdi_448.018
Vorgang oder Charakter entsteht und genossen wird, beruht auf pdi_448.019
einer besonderen Art des lachenerregenden Contrastes. Geringes, pdi_448.020
Niedriges oder Thörichtes macht sich hier irgendwie pdi_448.021
dem Idealen, Schicklichen oder auch nur äusserlich Würdigen pdi_448.022
gegenüber geltend. Die bevorzugte Stelle dieser poetischen pdi_448.023
Stimmung ist dadurch bedingt, dass sich nur vermittelst ihrer auf pdi_448.024
dem Standpunkte des vollen wirklichkeitsdurstigen Realismus pdi_448.025
die Discrepanzen des Aeusseren und Inneren, der Ansprüche pdi_448.026
und des Werthes, des Ideals und der Erscheinungen durch ein pdi_448.027
indirectes Verfahren in einen ästhetischen Seelenzustand auflösen pdi_448.028
lassen. Hier ist dann wieder ein Ort, an welchem die pdi_448.029
Beimischung des Hässlichen ästhetisch wirksam ist, ja eine pdi_448.030
Dosis Unanständigkeit kann in das Recept aufgenommen werden. pdi_448.031
Jean Pauls Katzenberger und gar manche Figuren von Dickens pdi_448.032
bezeugen das Eine, Situationen bei Sterne und Swift beweisen pdi_448.033
das Andere. Wir gleiten auf der Linie des Geringen weiter, pdi_448.034
indem wir die Stimmungen betrachten, in denen das zierlich pdi_448.035
Anmuthige,
das Naive, das Kleine poetisch hingestellt pdi_448.036
oder genossen wird.

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/150>, abgerufen am 23.11.2024.