Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Lamentieren von den Blessierten von allerhand Nationen. Etlichen waren die Arme, Beine weg, etlichen die Köpfe entzwei, die untern Kinn weg, daß die Zunge da hing. Wann sie so mir, auf den Zeltstangen entgegen getragen wurden und schrieen erbärmlich: "Ach, mach mich tot! Stecht mich tot ec.", da dacht ich: Daß GOtt erbarme, gehet's hier so zu? wärest du davongeblieben, wie dich dein Vater gewarnet hat. Manch größerer würde schrecken und grauen, als ich in die Approchen hineinkam. Da gingen die Kugeln und pfiffen umb und neben mir, da sahe ich, wie hie und da einer nach dem andern umbfiel und schrie. Da hieß es: "Feldscher!" von dem und dem, , "raus verbinde! und solltu auch drüber totgeschossen werden!" Wie es denn etlichen begegnet. Unsere eine Batterie von sechszehen halben und dreiviertel Kartaunen wurde in einer Nacht fertig und nur sechszehen Personen dabei totgeschossen und blessieret. - Und da mußte ich auch bleiben. Setzte mich auf ein'n Rasen hinterm Schanzkorb. Es aber ein Konstabel, mein Landesmann, sahe, führete mich da weg und in das Pulvermagazin, so als ein Keller in die Erde gegraben, mit Bohlen und Rasen, stark abhängend, bedecket, damit, wann Bomben fielen, sie hinterwärts abkolleren und keinen Schaden thun können. Er sagte: auf dem Rasen, da ich erst saß, wäre keine Stunde zuvor General Schöneckens [Schöning] Kammerdiener mit einem Falkonett totgeschossen worden. - Alleine bei dem Pulver schiene es mir viel gefährlicher. Denn, wenn ungefähr Feuer in solches kombt, gehet alles drauf. Derowegen ich auch da nicht pernoktierete, sondern mich auf eine große Lafette setzte. Und obgleich diese großen Geschütz oftmals des Tages, Nachtes aber die Morsel und Bomben gelöset wurden, konnte ich doch vor Müdigkeit dabei schlafen. Noch eine Batterie von zwölf Kanonen wurde auch Lamentieren von den Blessierten von allerhand Nationen. Etlichen waren die Arme, Beine weg, etlichen die Köpfe entzwei, die untern Kinn weg, daß die Zunge da hing. Wann sie so mir, auf den Zeltstangen entgegen getragen wurden und schrieen erbärmlich: „Ach, mach mich tot! Stecht mich tot ec.“, da dacht ich: Daß GOtt erbarme, gehet’s hier so zu? wärest du davongeblieben, wie dich dein Vater gewarnet hat. Manch größerer würde schrecken und grauen, als ich in die Approchen hineinkam. Da gingen die Kugeln und pfiffen umb und neben mir, da sahe ich, wie hie und da einer nach dem andern umbfiel und schrie. Da hieß es: „Feldscher!“ von dem und dem, , „raus verbinde! und solltu auch drüber totgeschossen werden!“ Wie es denn etlichen begegnet. Unsere eine Batterie von sechszehen halben und dreiviertel Kartaunen wurde in einer Nacht fertig und nur sechszehen Personen dabei totgeschossen und blessieret. – Und da mußte ich auch bleiben. Setzte mich auf ein’n Rasen hinterm Schanzkorb. Es aber ein Konstabel, mein Landesmann, sahe, führete mich da weg und in das Pulvermagazin, so als ein Keller in die Erde gegraben, mit Bohlen und Rasen, stark abhängend, bedecket, damit, wann Bomben fielen, sie hinterwärts abkolleren und keinen Schaden thun können. Er sagte: auf dem Rasen, da ich erst saß, wäre keine Stunde zuvor General Schöneckens [Schöning] Kammerdiener mit einem Falkonett totgeschossen worden. – Alleine bei dem Pulver schiene es mir viel gefährlicher. Denn, wenn ungefähr Feuer in solches kombt, gehet alles drauf. Derowegen ich auch da nicht pernoktierete, sondern mich auf eine große Lafette setzte. Und obgleich diese großen Geschütz oftmals des Tages, Nachtes aber die Morsel und Bomben gelöset wurden, konnte ich doch vor Müdigkeit dabei schlafen. Noch eine Batterie von zwölf Kanonen wurde auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057"/> Lamentieren von den Blessierten von allerhand Nationen. Etlichen waren die Arme, Beine weg, etlichen die Köpfe entzwei, die untern Kinn weg, daß die Zunge da hing. Wann sie so mir, auf den Zeltstangen entgegen getragen wurden und schrieen erbärmlich: „Ach, mach mich tot! Stecht mich tot ec.“, da dacht ich: Daß GOtt erbarme, gehet’s hier so zu? wärest du davongeblieben, wie dich dein Vater gewarnet hat.</p> <p>Manch größerer würde schrecken und grauen, als ich in die Approchen hineinkam. Da gingen die Kugeln und pfiffen umb und neben mir, da sahe ich, wie hie und da einer nach dem andern umbfiel und schrie. Da hieß es: „Feldscher!“ von dem und dem, , „raus verbinde! und solltu auch drüber totgeschossen werden!“ Wie es denn etlichen begegnet.</p> <p>Unsere eine Batterie von sechszehen halben und dreiviertel Kartaunen wurde in einer Nacht fertig und nur sechszehen Personen dabei totgeschossen und blessieret. – Und da mußte ich auch bleiben. Setzte mich auf ein’n Rasen hinterm Schanzkorb. Es aber ein Konstabel, mein Landesmann, sahe, führete mich da weg und in das Pulvermagazin, so als ein Keller in die Erde gegraben, mit Bohlen und Rasen, stark abhängend, bedecket, damit, wann Bomben fielen, sie hinterwärts abkolleren und keinen Schaden thun können. Er sagte: auf dem Rasen, da ich erst saß, wäre keine Stunde zuvor General Schöneckens [Schöning] Kammerdiener mit einem Falkonett totgeschossen worden. – Alleine bei dem Pulver schiene es mir viel gefährlicher. Denn, wenn ungefähr Feuer in solches kombt, gehet alles drauf. Derowegen ich auch da nicht pernoktierete, sondern mich auf eine große Lafette setzte. Und obgleich diese großen Geschütz oftmals des Tages, Nachtes aber die Morsel und Bomben gelöset wurden, konnte ich doch vor Müdigkeit dabei schlafen.</p> <p>Noch eine Batterie von zwölf Kanonen wurde auch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Lamentieren von den Blessierten von allerhand Nationen. Etlichen waren die Arme, Beine weg, etlichen die Köpfe entzwei, die untern Kinn weg, daß die Zunge da hing. Wann sie so mir, auf den Zeltstangen entgegen getragen wurden und schrieen erbärmlich: „Ach, mach mich tot! Stecht mich tot ec.“, da dacht ich: Daß GOtt erbarme, gehet’s hier so zu? wärest du davongeblieben, wie dich dein Vater gewarnet hat.
Manch größerer würde schrecken und grauen, als ich in die Approchen hineinkam. Da gingen die Kugeln und pfiffen umb und neben mir, da sahe ich, wie hie und da einer nach dem andern umbfiel und schrie. Da hieß es: „Feldscher!“ von dem und dem, , „raus verbinde! und solltu auch drüber totgeschossen werden!“ Wie es denn etlichen begegnet.
Unsere eine Batterie von sechszehen halben und dreiviertel Kartaunen wurde in einer Nacht fertig und nur sechszehen Personen dabei totgeschossen und blessieret. – Und da mußte ich auch bleiben. Setzte mich auf ein’n Rasen hinterm Schanzkorb. Es aber ein Konstabel, mein Landesmann, sahe, führete mich da weg und in das Pulvermagazin, so als ein Keller in die Erde gegraben, mit Bohlen und Rasen, stark abhängend, bedecket, damit, wann Bomben fielen, sie hinterwärts abkolleren und keinen Schaden thun können. Er sagte: auf dem Rasen, da ich erst saß, wäre keine Stunde zuvor General Schöneckens [Schöning] Kammerdiener mit einem Falkonett totgeschossen worden. – Alleine bei dem Pulver schiene es mir viel gefährlicher. Denn, wenn ungefähr Feuer in solches kombt, gehet alles drauf. Derowegen ich auch da nicht pernoktierete, sondern mich auf eine große Lafette setzte. Und obgleich diese großen Geschütz oftmals des Tages, Nachtes aber die Morsel und Bomben gelöset wurden, konnte ich doch vor Müdigkeit dabei schlafen.
Noch eine Batterie von zwölf Kanonen wurde auch
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/57>, abgerufen am 25.07.2024. |