Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Kopfwehe, ganz erblasset und krank war. Er gab mir gleich einen Löffel voll von meiner gemachten Pestessenz ein; brachte mich in der Stille auf den Boden, und schloß zu, daß kein Mensch zu mir sollte, umb zu sehen, wie es werden würde. Darauf ich angefangen zu rasen. Weil ich aber nirgends hinkonnte, auch die Kräfte nicht hatte, so hat die Stärke der Arznei auf eine Blutstürzung getrieben, daß das Blut zu Maul und Nasen heftig geflossen; ich mich im Blute herum- und auf dem Boden gewälzet; endlich vermattet, in tiefen Schlaf gefallen. War zwei Tage. In welcher Zeit der Vater oft nachgesehen, ob ich noch lebete. Da er nun vermerket, daß ich erwachet, verständig geredet und zu essen gefordert, hat er mir eine Suppen von fetter Rindfleischbrühe gebracht. Habe ich mich nach und nach wieder erholet. - Sonst hat von uns niemand etwas hernach angestoßen. Wir brachten indeß unsere Zeit zu mit Beten, Singen und Lesen, divertierten uns mit Spazieren in'n Weinbergen und anderm bis die Contagion aufhörete, da wir wieder heim, und ich zu meinem Herrn ging, und vollends auslernete. Da es noch einige Schwierigkeit gab, indem selbiger wollte, daß ich die Zeit nachlernen sollte, weil ich nicht bei ihm gewesen. Allein es wurde ihm nicht statuieret. Doch mußte ich solchergestalt drei und ein halbes Jahr lernen und stehen, auch viel nachbezahlen, das ich nicht verschuldet. Endlich wurde ich losgesprochen. Und das war drei oder vier Wochen nach Michel 1684 und gegen den Winter, da alle conditiones besetzet waren. Doch es half nichts, ich mußte fort. Man ließ mir ein neu Kleid machen von Tuch, die Elle funfzehen oder sechszehen Groschen. Bekam sechs Hembden und Halstücher. Item zehen Thaler Reisegeld. Kopfwehe, ganz erblasset und krank war. Er gab mir gleich einen Löffel voll von meiner gemachten Pestessenz ein; brachte mich in der Stille auf den Boden, und schloß zu, daß kein Mensch zu mir sollte, umb zu sehen, wie es werden würde. Darauf ich angefangen zu rasen. Weil ich aber nirgends hinkonnte, auch die Kräfte nicht hatte, so hat die Stärke der Arznei auf eine Blutstürzung getrieben, daß das Blut zu Maul und Nasen heftig geflossen; ich mich im Blute herum- und auf dem Boden gewälzet; endlich vermattet, in tiefen Schlaf gefallen. War zwei Tage. In welcher Zeit der Vater oft nachgesehen, ob ich noch lebete. Da er nun vermerket, daß ich erwachet, verständig geredet und zu essen gefordert, hat er mir eine Suppen von fetter Rindfleischbrühe gebracht. Habe ich mich nach und nach wieder erholet. – Sonst hat von uns niemand etwas hernach angestoßen. Wir brachten indeß unsere Zeit zu mit Beten, Singen und Lesen, divertierten uns mit Spazieren in’n Weinbergen und anderm bis die Contagion aufhörete, da wir wieder heim, und ich zu meinem Herrn ging, und vollends auslernete. Da es noch einige Schwierigkeit gab, indem selbiger wollte, daß ich die Zeit nachlernen sollte, weil ich nicht bei ihm gewesen. Allein es wurde ihm nicht statuieret. Doch mußte ich solchergestalt drei und ein halbes Jahr lernen und stehen, auch viel nachbezahlen, das ich nicht verschuldet. Endlich wurde ich losgesprochen. Und das war drei oder vier Wochen nach Michel 1684 und gegen den Winter, da alle conditiones besetzet waren. Doch es half nichts, ich mußte fort. Man ließ mir ein neu Kleid machen von Tuch, die Elle funfzehen oder sechszehen Groschen. Bekam sechs Hembden und Halstücher. Item zehen Thaler Reisegeld. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030"/> Kopfwehe, ganz erblasset und krank war. Er gab mir gleich einen Löffel voll von meiner gemachten Pestessenz ein; brachte mich in der Stille auf den Boden, und schloß zu, daß kein Mensch zu mir sollte, umb zu sehen, wie es werden würde. Darauf ich angefangen zu rasen. Weil ich aber nirgends hinkonnte, auch die Kräfte nicht hatte, so hat die Stärke der Arznei auf eine Blutstürzung getrieben, daß das Blut zu Maul und Nasen heftig geflossen; ich mich im Blute herum- und auf dem Boden gewälzet; endlich vermattet, in tiefen Schlaf gefallen. War zwei Tage. In welcher Zeit der Vater oft nachgesehen, ob ich noch lebete. Da er nun vermerket, daß ich erwachet, verständig geredet und zu essen gefordert, hat er mir eine Suppen von fetter Rindfleischbrühe gebracht. Habe ich mich nach und nach wieder erholet. – Sonst hat von uns niemand etwas hernach angestoßen.</p> <p><hi rendition="#in">W</hi>ir brachten indeß unsere Zeit zu mit Beten, Singen und Lesen, divertierten uns mit Spazieren in’n Weinbergen und anderm bis die Contagion aufhörete, da wir wieder heim, und ich zu meinem Herrn ging, und vollends auslernete. Da es noch einige Schwierigkeit gab, indem selbiger wollte, daß ich die Zeit nachlernen sollte, weil ich nicht bei ihm gewesen. Allein es wurde ihm nicht statuieret. Doch mußte ich solchergestalt drei und ein halbes Jahr lernen und stehen, auch viel nachbezahlen, das ich nicht verschuldet.</p> <p>Endlich wurde ich losgesprochen. Und das war drei oder vier Wochen nach Michel 1684 und gegen den Winter, da alle <hi rendition="#aq">conditiones</hi> besetzet waren. Doch es half nichts, ich mußte fort.</p> <p>Man ließ mir ein neu Kleid machen von Tuch, die Elle funfzehen oder sechszehen Groschen. Bekam sechs Hembden und Halstücher. <hi rendition="#aq">Item</hi> zehen Thaler Reisegeld.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
Kopfwehe, ganz erblasset und krank war. Er gab mir gleich einen Löffel voll von meiner gemachten Pestessenz ein; brachte mich in der Stille auf den Boden, und schloß zu, daß kein Mensch zu mir sollte, umb zu sehen, wie es werden würde. Darauf ich angefangen zu rasen. Weil ich aber nirgends hinkonnte, auch die Kräfte nicht hatte, so hat die Stärke der Arznei auf eine Blutstürzung getrieben, daß das Blut zu Maul und Nasen heftig geflossen; ich mich im Blute herum- und auf dem Boden gewälzet; endlich vermattet, in tiefen Schlaf gefallen. War zwei Tage. In welcher Zeit der Vater oft nachgesehen, ob ich noch lebete. Da er nun vermerket, daß ich erwachet, verständig geredet und zu essen gefordert, hat er mir eine Suppen von fetter Rindfleischbrühe gebracht. Habe ich mich nach und nach wieder erholet. – Sonst hat von uns niemand etwas hernach angestoßen.
Wir brachten indeß unsere Zeit zu mit Beten, Singen und Lesen, divertierten uns mit Spazieren in’n Weinbergen und anderm bis die Contagion aufhörete, da wir wieder heim, und ich zu meinem Herrn ging, und vollends auslernete. Da es noch einige Schwierigkeit gab, indem selbiger wollte, daß ich die Zeit nachlernen sollte, weil ich nicht bei ihm gewesen. Allein es wurde ihm nicht statuieret. Doch mußte ich solchergestalt drei und ein halbes Jahr lernen und stehen, auch viel nachbezahlen, das ich nicht verschuldet.
Endlich wurde ich losgesprochen. Und das war drei oder vier Wochen nach Michel 1684 und gegen den Winter, da alle conditiones besetzet waren. Doch es half nichts, ich mußte fort.
Man ließ mir ein neu Kleid machen von Tuch, die Elle funfzehen oder sechszehen Groschen. Bekam sechs Hembden und Halstücher. Item zehen Thaler Reisegeld.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition
(2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition
(2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |