Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

hat er mit mir gemacht? Sind das seine Verheißungen, die er mir gethan? Daß GOtt erbarme!" - Hierauf konnte er kein Wort antworten und schwieg stille, schlug den Kopf nieder. Wurde kurz drauf krank und starb in weniger Zeit.

Als die Denunziation vor einen gewissen Rathsmeister in die Rathsversammlung gebracht worden, soll derselbige solche zwischen die Finger über der Tafel in die Höhe gehalten haben (wie mir glaubwürdig gesaget ist) mit diesen Worten: "Hier haben wir den Dietzium einmal!" - Als ich das alles erfuhr, konnte ich mir die Rechnung leicht machen, wie mir's gehen, und was vor Schimpf und Schaden ich leiden würde. Es machte mir große Angst; denn sie es vor ein crimen falsi, so mit der Landesverweisung bestraft würde, ausgaben und übergroß machten!

Kein Mensch gab mir guten Rat und hieß: "Hilf dir selbst!"

Ich machte mich auf die Beine und lief bis nach Dölau, da ich ganz ermüdet mich in'n Wald legete und dachte, die Post zu erwarten. Allein, die Post war schon vorbei. Ich war abermals in großer Kümmernis, so GOtt bekannt, kunnte und wußte mir nicht zu raten. Bären und Löwen wollte ich nicht in die Klauen fallen, so lange zu warten, bis die Post wieder käme, war auch nicht ratsam. Doch resolvierte ich mich und ging wieder nach Halle.

Die Barbier hatten indeß gewütet und es bei dem Rath soweit gebracht, daß sie ihre Lade und Gerät durch den Ausreiter und einen Barbier von mir abholen ließen, weil sie bei mir nicht mehr wollten zusammenkommen.

Ein Edler Rath hätte der ganzen Sache bald abhelfen können, wann sie sich mir und meiner, als eines alten Bürgers, der sich umb sie und umb die Stadt wohlverdienet hatte, hätten wollen annehmen. Aber, ach nein! konträr! Sie machten's nicht so, wie ich, da ich

hat er mit mir gemacht? Sind das seine Verheißungen, die er mir gethan? Daß GOtt erbarme!“ – Hierauf konnte er kein Wort antworten und schwieg stille, schlug den Kopf nieder. Wurde kurz drauf krank und starb in weniger Zeit.

Als die Denunziation vor einen gewissen Rathsmeister in die Rathsversammlung gebracht worden, soll derselbige solche zwischen die Finger über der Tafel in die Höhe gehalten haben (wie mir glaubwürdig gesaget ist) mit diesen Worten: „Hier haben wir den Dietzium einmal!“ – Als ich das alles erfuhr, konnte ich mir die Rechnung leicht machen, wie mir’s gehen, und was vor Schimpf und Schaden ich leiden würde. Es machte mir große Angst; denn sie es vor ein crimen falsi, so mit der Landesverweisung bestraft würde, ausgaben und übergroß machten!

Kein Mensch gab mir guten Rat und hieß: „Hilf dir selbst!“

Ich machte mich auf die Beine und lief bis nach Dölau, da ich ganz ermüdet mich in’n Wald legete und dachte, die Post zu erwarten. Allein, die Post war schon vorbei. Ich war abermals in großer Kümmernis, so GOtt bekannt, kunnte und wußte mir nicht zu raten. Bären und Löwen wollte ich nicht in die Klauen fallen, so lange zu warten, bis die Post wieder käme, war auch nicht ratsam. Doch resolvierte ich mich und ging wieder nach Halle.

Die Barbier hatten indeß gewütet und es bei dem Rath soweit gebracht, daß sie ihre Lade und Gerät durch den Ausreiter und einen Barbier von mir abholen ließen, weil sie bei mir nicht mehr wollten zusammenkommen.

Ein Edler Rath hätte der ganzen Sache bald abhelfen können, wann sie sich mir und meiner, als eines alten Bürgers, der sich umb sie und umb die Stadt wohlverdienet hatte, hätten wollen annehmen. Aber, ach nein! konträr! Sie machten’s nicht so, wie ich, da ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0290"/>
hat er mit mir gemacht? Sind das seine Verheißungen, die er mir gethan? Daß GOtt erbarme!&#x201C; &#x2013; Hierauf konnte er kein Wort antworten und schwieg stille, schlug den Kopf nieder. Wurde kurz drauf krank und starb in weniger Zeit.</p>
          <p>Als die Denunziation vor einen gewissen Rathsmeister in die Rathsversammlung gebracht worden, soll derselbige solche zwischen die Finger über der Tafel in die Höhe gehalten haben (wie mir glaubwürdig gesaget ist) mit diesen Worten: &#x201E;Hier haben wir den <hi rendition="#aq">Dietzium</hi> einmal!&#x201C; &#x2013; Als ich das alles erfuhr, konnte ich mir die Rechnung leicht machen, wie mir&#x2019;s gehen, und was vor Schimpf und Schaden ich leiden würde. Es machte mir große Angst; denn sie es vor ein <hi rendition="#aq">crimen falsi</hi>, so mit der Landesverweisung bestraft würde, ausgaben und übergroß machten!</p>
          <p>Kein Mensch gab mir guten Rat und hieß: &#x201E;Hilf dir selbst!&#x201C;</p>
          <p>Ich machte mich auf die Beine und lief bis nach Dölau, da ich ganz ermüdet mich in&#x2019;n Wald legete und dachte, die Post zu erwarten. Allein, die Post war schon vorbei. Ich war abermals in großer Kümmernis, so GOtt bekannt, kunnte und wußte mir nicht zu raten. Bären und Löwen wollte ich nicht in die Klauen fallen, so lange zu warten, bis die Post wieder käme, war auch nicht ratsam. Doch resolvierte ich mich und ging wieder nach Halle.</p>
          <p>Die Barbier hatten indeß gewütet und es bei dem Rath soweit gebracht, daß sie ihre Lade und Gerät durch den Ausreiter und einen Barbier von mir abholen ließen, weil sie bei mir nicht mehr wollten zusammenkommen.</p>
          <p>Ein Edler Rath hätte der ganzen Sache bald abhelfen können, wann sie sich mir und meiner, als eines alten Bürgers, der sich umb sie und umb die Stadt wohlverdienet hatte, hätten wollen annehmen. Aber, ach nein! konträr! Sie machten&#x2019;s nicht so, wie ich, da ich
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] hat er mit mir gemacht? Sind das seine Verheißungen, die er mir gethan? Daß GOtt erbarme!“ – Hierauf konnte er kein Wort antworten und schwieg stille, schlug den Kopf nieder. Wurde kurz drauf krank und starb in weniger Zeit. Als die Denunziation vor einen gewissen Rathsmeister in die Rathsversammlung gebracht worden, soll derselbige solche zwischen die Finger über der Tafel in die Höhe gehalten haben (wie mir glaubwürdig gesaget ist) mit diesen Worten: „Hier haben wir den Dietzium einmal!“ – Als ich das alles erfuhr, konnte ich mir die Rechnung leicht machen, wie mir’s gehen, und was vor Schimpf und Schaden ich leiden würde. Es machte mir große Angst; denn sie es vor ein crimen falsi, so mit der Landesverweisung bestraft würde, ausgaben und übergroß machten! Kein Mensch gab mir guten Rat und hieß: „Hilf dir selbst!“ Ich machte mich auf die Beine und lief bis nach Dölau, da ich ganz ermüdet mich in’n Wald legete und dachte, die Post zu erwarten. Allein, die Post war schon vorbei. Ich war abermals in großer Kümmernis, so GOtt bekannt, kunnte und wußte mir nicht zu raten. Bären und Löwen wollte ich nicht in die Klauen fallen, so lange zu warten, bis die Post wieder käme, war auch nicht ratsam. Doch resolvierte ich mich und ging wieder nach Halle. Die Barbier hatten indeß gewütet und es bei dem Rath soweit gebracht, daß sie ihre Lade und Gerät durch den Ausreiter und einen Barbier von mir abholen ließen, weil sie bei mir nicht mehr wollten zusammenkommen. Ein Edler Rath hätte der ganzen Sache bald abhelfen können, wann sie sich mir und meiner, als eines alten Bürgers, der sich umb sie und umb die Stadt wohlverdienet hatte, hätten wollen annehmen. Aber, ach nein! konträr! Sie machten’s nicht so, wie ich, da ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/290
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/290>, abgerufen am 22.11.2024.