Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.andre mehr; so ich aber damals nicht verstand. So halfterte ich mich endlich von dem Wasserholen los, auf die Art: Ich thät, als stolperte ich mit den beiden vollen Wasserhosen und goß's also über den ganzen Saal und Haus, daß alles schwamm. Da war Not! Und ich durfte von der Zeit an kein Wasser mehr holen. Inmittelst nahm die Contagion allhie in Halle anno 1682 überhand, daß Tages funfzig, sechszig und mehr jählings dahinsturben. Tages waren die Bürger, vornehme und gering, im Weinkeller in gutem Vertrauen (wie damals war) beisammen, ergötzten sich mit gutem Wein, so nicht teuer, wann sie abends auseinander gingen, war dieser und der schon tot und von den bösen Männern hinausgeschleppet in ein groß Loch, hinten auf dem Gottesacker. Das war von der damaligen Obrigkeit und Rath zu rühmen: die gute Anstalten, welche waren, die Armen und Verlaßenen zu versorgen mit Essen und Trinken, Predigern, Medicis und Chirurgis, Notarien und Testamentmachern. Und obgleich hie und da die Gassen mit Brettern verschlagen, ringsumb die Stadt mit Soldaten besetzet, daß keiner aus- und einkönnte, waren Märkte an den äußern Wassergraben angeleget, an denen Contre-Eskarpen, und das Geld, ehe es genommen, ins Wasser geworfen und abgewaschen wurde, daß keiner doch Not litte, oder verhungern durfte, war anno 1682. Ich hatte einen Kamrad in der Lehre, eines Born-Meisters John, dessen Vaters Haus am Schulberge schon rein ausgestorben und äußerlich zugeschlossen war, daß keiner einkommen sollte. Das lüsternde Gemüth der Jugend bracht uns beide dahin, daß, da wir sollten in andre mehr; so ich aber damals nicht verstand. So halfterte ich mich endlich von dem Wasserholen los, auf die Art: Ich thät, als stolperte ich mit den beiden vollen Wasserhosen und goß’s also über den ganzen Saal und Haus, daß alles schwamm. Da war Not! Und ich durfte von der Zeit an kein Wasser mehr holen. Inmittelst nahm die Contagion allhie in Halle anno 1682 überhand, daß Tages funfzig, sechszig und mehr jählings dahinsturben. Tages waren die Bürger, vornehme und gering, im Weinkeller in gutem Vertrauen (wie damals war) beisammen, ergötzten sich mit gutem Wein, so nicht teuer, wann sie abends auseinander gingen, war dieser und der schon tot und von den bösen Männern hinausgeschleppet in ein groß Loch, hinten auf dem Gottesacker. Das war von der damaligen Obrigkeit und Rath zu rühmen: die gute Anstalten, welche waren, die Armen und Verlaßenen zu versorgen mit Essen und Trinken, Predigern, Medicis und Chirurgis, Notarien und Testamentmachern. Und obgleich hie und da die Gassen mit Brettern verschlagen, ringsumb die Stadt mit Soldaten besetzet, daß keiner aus- und einkönnte, waren Märkte an den äußern Wassergraben angeleget, an denen Contre-Eskarpen, und das Geld, ehe es genommen, ins Wasser geworfen und abgewaschen wurde, daß keiner doch Not litte, oder verhungern durfte, war anno 1682. Ich hatte einen Kamrad in der Lehre, eines Born-Meisters John, dessen Vaters Haus am Schulberge schon rein ausgestorben und äußerlich zugeschlossen war, daß keiner einkommen sollte. Das lüsternde Gemüth der Jugend bracht uns beide dahin, daß, da wir sollten in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026"/> andre mehr; so ich aber damals nicht verstand. So halfterte ich mich endlich von dem Wasserholen los, auf die Art: Ich thät, als stolperte ich mit den beiden vollen Wasserhosen und goß’s also über den ganzen Saal und Haus, daß alles schwamm. Da war Not! 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andre mehr; so ich aber damals nicht verstand. So halfterte ich mich endlich von dem Wasserholen los, auf die Art: Ich thät, als stolperte ich mit den beiden vollen Wasserhosen und goß’s also über den ganzen Saal und Haus, daß alles schwamm. Da war Not! Und ich durfte von der Zeit an kein Wasser mehr holen.
Inmittelst nahm die Contagion allhie in Halle anno 1682 überhand, daß Tages funfzig, sechszig und mehr jählings dahinsturben. Tages waren die Bürger, vornehme und gering, im Weinkeller in gutem Vertrauen (wie damals war) beisammen, ergötzten sich mit gutem Wein, so nicht teuer, wann sie abends auseinander gingen, war dieser und der schon tot und von den bösen Männern hinausgeschleppet in ein groß Loch, hinten auf dem Gottesacker.
Das war von der damaligen Obrigkeit und Rath zu rühmen: die gute Anstalten, welche waren, die Armen und Verlaßenen zu versorgen mit Essen und Trinken, Predigern, Medicis und Chirurgis, Notarien und Testamentmachern. Und obgleich hie und da die Gassen mit Brettern verschlagen, ringsumb die Stadt mit Soldaten besetzet, daß keiner aus- und einkönnte, waren Märkte an den äußern Wassergraben angeleget, an denen Contre-Eskarpen, und das Geld, ehe es genommen, ins Wasser geworfen und abgewaschen wurde, daß keiner doch Not litte, oder verhungern durfte, war anno 1682.
Ich hatte einen Kamrad in der Lehre, eines Born-Meisters John, dessen Vaters Haus am Schulberge schon rein ausgestorben und äußerlich zugeschlossen war, daß keiner einkommen sollte. Das lüsternde Gemüth der Jugend bracht uns beide dahin, daß, da wir sollten in
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/26>, abgerufen am 16.02.2025. |