Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Ich hatte mich kaum ein wenig zur Ruhe und in Ordnung gesetzet, da entstund den 15. Martii 1703 frühe umb zwei Uhr (wie ich vorher bei Abreißung des Stalles ominieret) in Fischers Scheune und Stall eine erschröckliche Feuersbrunst. Denn Fischers hatten früh nach Eilenburg fahren wollen und mochten mit dem Licht dem Stroh oder Futter zu nahe kommen sein und es nicht löschen können; weil sie bereits alles herausgeräumet, als sie auf der Gasse vor meinem Kammerfenster anklopften und schrieen: "Herr Dietz, Herr Dietz, es ist Feuer in seinem Hof!" Ich im Hembde raus. Als ich die Hofthür aufmachte, konnte ich vor Glut nicht stehen. Ich gleich so auf die Gasse und schrei umb Hülfe. Denn es wußt es noch niemand, weil der Thürmer das Feuer vor den Häusern nicht sehen gekonnt, bis es oben über brannte. Ich weckte meine Leute und nahm mein bischen Geld untern Arm und eine lebendige Ziege an'n Strick, geh zu meinem Vater und schrei immer: "Feuer, Feuer!" - Denn die Leut wollten nicht wach werden. Unterdessen nahm die Glut überhand. Ging alles auf mein Haus los und brannten meine beiden Hinterhäuser lichterlohe, auch das Stroh in'n Betten. Meine beiden großen Jungen schleppten alles in'n Keller, welcher eine eiserne Thür hatt'. Endlich kam das Volk bei mir, lauter Strohhöfer und kein' Halloren. Die kletterten auf die Dächer mit nassen Säcken, Gießen und Spritzen. Ich zündte viel Licht an und ließ Wasser tragen. Als ich aber auf den Gang kam und das erschröckliche Feuer sahe, und sahe, daß alles würde drauf gehen, sagete ich laut: "Nun, Herr, Du hast es mir gegeben, willtu es wieder nehmen, so geschehe Dein Wille; Deinem heiligen Namen sei Ehre und Preis." - Den Augenblick war es, als ob die Ich hatte mich kaum ein wenig zur Ruhe und in Ordnung gesetzet, da entstund den 15. Martii 1703 frühe umb zwei Uhr (wie ich vorher bei Abreißung des Stalles ominieret) in Fischers Scheune und Stall eine erschröckliche Feuersbrunst. Denn Fischers hatten früh nach Eilenburg fahren wollen und mochten mit dem Licht dem Stroh oder Futter zu nahe kommen sein und es nicht löschen können; weil sie bereits alles herausgeräumet, als sie auf der Gasse vor meinem Kammerfenster anklopften und schrieen: „Herr Dietz, Herr Dietz, es ist Feuer in seinem Hof!“ Ich im Hembde raus. Als ich die Hofthür aufmachte, konnte ich vor Glut nicht stehen. Ich gleich so auf die Gasse und schrei umb Hülfe. Denn es wußt es noch niemand, weil der Thürmer das Feuer vor den Häusern nicht sehen gekonnt, bis es oben über brannte. Ich weckte meine Leute und nahm mein bischen Geld untern Arm und eine lebendige Ziege an’n Strick, geh zu meinem Vater und schrei immer: „Feuer, Feuer!“ – Denn die Leut wollten nicht wach werden. Unterdessen nahm die Glut überhand. Ging alles auf mein Haus los und brannten meine beiden Hinterhäuser lichterlohe, auch das Stroh in’n Betten. Meine beiden großen Jungen schleppten alles in’n Keller, welcher eine eiserne Thür hatt’. Endlich kam das Volk bei mir, lauter Strohhöfer und kein’ Halloren. Die kletterten auf die Dächer mit nassen Säcken, Gießen und Spritzen. Ich zündte viel Licht an und ließ Wasser tragen. Als ich aber auf den Gang kam und das erschröckliche Feuer sahe, und sahe, daß alles würde drauf gehen, sagete ich laut: „Nun, Herr, Du hast es mir gegeben, willtu es wieder nehmen, so geschehe Dein Wille; Deinem heiligen Namen sei Ehre und Preis.“ – Den Augenblick war es, als ob die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0243"/> <p><hi rendition="#in">I</hi>ch hatte mich kaum ein wenig zur Ruhe und in Ordnung gesetzet, da entstund den 15. Martii 1703 frühe umb zwei Uhr (wie ich vorher bei Abreißung des Stalles ominieret) in Fischers Scheune und Stall eine erschröckliche Feuersbrunst. Denn Fischers hatten früh nach Eilenburg fahren wollen und mochten mit dem Licht dem Stroh oder Futter zu nahe kommen sein und es nicht löschen können; weil sie bereits alles herausgeräumet, als sie auf der Gasse vor meinem Kammerfenster anklopften und schrieen: „Herr Dietz, Herr Dietz, es ist Feuer in seinem Hof!“</p> <p>Ich im Hembde raus. Als ich die Hofthür aufmachte, konnte ich vor Glut nicht stehen. Ich gleich so auf die Gasse und schrei umb Hülfe. Denn es wußt es noch niemand, weil der Thürmer das Feuer vor den Häusern nicht sehen gekonnt, bis es oben über brannte. Ich weckte meine Leute und nahm mein bischen Geld untern Arm und eine lebendige Ziege an’n Strick, geh zu meinem Vater und schrei immer: „Feuer, Feuer!“ – Denn die Leut wollten nicht wach werden.</p> <p>Unterdessen nahm die Glut überhand. Ging alles auf mein Haus los und brannten meine beiden Hinterhäuser lichterlohe, auch das Stroh in’n Betten. Meine beiden großen Jungen schleppten alles in’n Keller, welcher eine eiserne Thür hatt’.</p> <p>Endlich kam das Volk bei mir, lauter Strohhöfer und kein’ Halloren. Die kletterten auf die Dächer mit nassen Säcken, Gießen und Spritzen. Ich zündte viel Licht an und ließ Wasser tragen. Als ich aber auf den Gang kam und das erschröckliche Feuer sahe, und sahe, daß alles würde drauf gehen, sagete ich laut: „Nun, Herr, Du hast es mir gegeben, willtu es wieder nehmen, so geschehe Dein Wille; Deinem heiligen Namen sei Ehre und Preis.“ – Den Augenblick war es, als ob die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
Ich hatte mich kaum ein wenig zur Ruhe und in Ordnung gesetzet, da entstund den 15. Martii 1703 frühe umb zwei Uhr (wie ich vorher bei Abreißung des Stalles ominieret) in Fischers Scheune und Stall eine erschröckliche Feuersbrunst. Denn Fischers hatten früh nach Eilenburg fahren wollen und mochten mit dem Licht dem Stroh oder Futter zu nahe kommen sein und es nicht löschen können; weil sie bereits alles herausgeräumet, als sie auf der Gasse vor meinem Kammerfenster anklopften und schrieen: „Herr Dietz, Herr Dietz, es ist Feuer in seinem Hof!“
Ich im Hembde raus. Als ich die Hofthür aufmachte, konnte ich vor Glut nicht stehen. Ich gleich so auf die Gasse und schrei umb Hülfe. Denn es wußt es noch niemand, weil der Thürmer das Feuer vor den Häusern nicht sehen gekonnt, bis es oben über brannte. Ich weckte meine Leute und nahm mein bischen Geld untern Arm und eine lebendige Ziege an’n Strick, geh zu meinem Vater und schrei immer: „Feuer, Feuer!“ – Denn die Leut wollten nicht wach werden.
Unterdessen nahm die Glut überhand. Ging alles auf mein Haus los und brannten meine beiden Hinterhäuser lichterlohe, auch das Stroh in’n Betten. Meine beiden großen Jungen schleppten alles in’n Keller, welcher eine eiserne Thür hatt’.
Endlich kam das Volk bei mir, lauter Strohhöfer und kein’ Halloren. Die kletterten auf die Dächer mit nassen Säcken, Gießen und Spritzen. Ich zündte viel Licht an und ließ Wasser tragen. Als ich aber auf den Gang kam und das erschröckliche Feuer sahe, und sahe, daß alles würde drauf gehen, sagete ich laut: „Nun, Herr, Du hast es mir gegeben, willtu es wieder nehmen, so geschehe Dein Wille; Deinem heiligen Namen sei Ehre und Preis.“ – Den Augenblick war es, als ob die
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