Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Nun komme ich an meine Auferziehung zu gedenken. - Und war ich unter sieben Kindern der dritte Sohn; hatte aber von Jugend auf gleich das Malheur, da alle meine Brüder und übrigen Kinder schwarz und rauhe Haut und Köpfe hatten, ich hingegen schlosweiße Haar und Haut hatt'; dahero mein seeliger Vater immer sagte: ich wäre nicht sein Kind, derohalb mich auch nicht achtete. (NB. Bis ich ins zwanzigste und vierundzwanzigste Jahr kam, da sich die Ähnlichkeit accurat und beßer, als bei den andern, befunden!) Gnug, ich mußte das in meiner Jugend wohl entgelten. Ich war der verachtete und wurde von den andern übel bezunamet und aus einem Winkel in'n andern gestoßen. Wenn die Mutter mich nicht geliebet und mir den Rücken gehalten, wär es mir noch übeler ergangen. Und ist der wunderbaren Güte GOttes zu danken, daß ich in mancherlei Gefahr und Schlägen bin erhalten worden. Einsmals, da beide, Vater und Mutter, des Nachts zur Hochzeit gewesen, und alles mitgelaufen, nur ich allein zu Hause, und zwar bei verlöschetem Licht, gelassen, habe ich durch heftiges Weinen und Schreien endlich die Stubenthüre gefunden; bin im Haus hin- und hergekrochen und endlich auf dem Boden, hinter einer alten Feuermaure, schlafend mich befunden. Wie leicht hätt ich in einen Brunnen, derer zwei mit alten Brettern im Hause zugedeckt, oder in'n Keller fallen können! Was aber vor Not und Lamentieren gewesen, als die Eltern mich fast die halbe Nacht gesucht und nicht finden können, ist nicht zu sagen. - Und sollten billig Eltern auf ihre Kinder beßer achthaben! Ganzer vierzehen Tage habe ich blind an'n Pocken gelegen, vielmals das hitzige Fieber, aber niemals das kalte gehabt. Einsmals hatte ein Bauer sein Pferd in unserm Nun komme ich an meine Auferziehung zu gedenken. – Und war ich unter sieben Kindern der dritte Sohn; hatte aber von Jugend auf gleich das Malheur, da alle meine Brüder und übrigen Kinder schwarz und rauhe Haut und Köpfe hatten, ich hingegen schlosweiße Haar und Haut hatt’; dahero mein seeliger Vater immer sagte: ich wäre nicht sein Kind, derohalb mich auch nicht achtete. (NB. Bis ich ins zwanzigste und vierundzwanzigste Jahr kam, da sich die Ähnlichkeit accurat und beßer, als bei den andern, befunden!) Gnug, ich mußte das in meiner Jugend wohl entgelten. Ich war der verachtete und wurde von den andern übel bezunamet und aus einem Winkel in’n andern gestoßen. Wenn die Mutter mich nicht geliebet und mir den Rücken gehalten, wär es mir noch übeler ergangen. Und ist der wunderbaren Güte GOttes zu danken, daß ich in mancherlei Gefahr und Schlägen bin erhalten worden. Einsmals, da beide, Vater und Mutter, des Nachts zur Hochzeit gewesen, und alles mitgelaufen, nur ich allein zu Hause, und zwar bei verlöschetem Licht, gelassen, habe ich durch heftiges Weinen und Schreien endlich die Stubenthüre gefunden; bin im Haus hin- und hergekrochen und endlich auf dem Boden, hinter einer alten Feuermaure, schlafend mich befunden. Wie leicht hätt ich in einen Brunnen, derer zwei mit alten Brettern im Hause zugedeckt, oder in’n Keller fallen können! Was aber vor Not und Lamentieren gewesen, als die Eltern mich fast die halbe Nacht gesucht und nicht finden können, ist nicht zu sagen. – Und sollten billig Eltern auf ihre Kinder beßer achthaben! Ganzer vierzehen Tage habe ich blind an’n Pocken gelegen, vielmals das hitzige Fieber, aber niemals das kalte gehabt. 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Und ist der wunderbaren Güte GOttes zu danken, daß ich in mancherlei Gefahr und Schlägen bin erhalten worden.</p> <p>Einsmals, da beide, Vater und Mutter, des Nachts zur Hochzeit gewesen, und alles mitgelaufen, nur ich allein zu Hause, und zwar bei verlöschetem Licht, gelassen, habe ich durch heftiges Weinen und Schreien endlich die Stubenthüre gefunden; bin im Haus hin- und hergekrochen und endlich auf dem Boden, hinter einer alten Feuermaure, schlafend mich befunden. Wie leicht hätt ich in einen Brunnen, derer zwei mit alten Brettern im Hause zugedeckt, oder in’n Keller fallen können! Was aber vor Not und Lamentieren gewesen, als die Eltern mich fast die halbe Nacht gesucht und nicht finden können, ist nicht zu sagen. – Und sollten billig Eltern auf ihre Kinder beßer achthaben!</p> <p>Ganzer vierzehen Tage habe ich blind an’n Pocken gelegen, vielmals das hitzige Fieber, aber niemals das kalte gehabt.</p> <p>Einsmals hatte ein Bauer sein Pferd in unserm </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Nun komme ich an meine Auferziehung zu gedenken. – Und war ich unter sieben Kindern der dritte Sohn; hatte aber von Jugend auf gleich das Malheur, da alle meine Brüder und übrigen Kinder schwarz und rauhe Haut und Köpfe hatten, ich hingegen schlosweiße Haar und Haut hatt’; dahero mein seeliger Vater immer sagte: ich wäre nicht sein Kind, derohalb mich auch nicht achtete. (NB. Bis ich ins zwanzigste und vierundzwanzigste Jahr kam, da sich die Ähnlichkeit accurat und beßer, als bei den andern, befunden!) Gnug, ich mußte das in meiner Jugend wohl entgelten. Ich war der verachtete und wurde von den andern übel bezunamet und aus einem Winkel in’n andern gestoßen. Wenn die Mutter mich nicht geliebet und mir den Rücken gehalten, wär es mir noch übeler ergangen. Und ist der wunderbaren Güte GOttes zu danken, daß ich in mancherlei Gefahr und Schlägen bin erhalten worden.
Einsmals, da beide, Vater und Mutter, des Nachts zur Hochzeit gewesen, und alles mitgelaufen, nur ich allein zu Hause, und zwar bei verlöschetem Licht, gelassen, habe ich durch heftiges Weinen und Schreien endlich die Stubenthüre gefunden; bin im Haus hin- und hergekrochen und endlich auf dem Boden, hinter einer alten Feuermaure, schlafend mich befunden. Wie leicht hätt ich in einen Brunnen, derer zwei mit alten Brettern im Hause zugedeckt, oder in’n Keller fallen können! Was aber vor Not und Lamentieren gewesen, als die Eltern mich fast die halbe Nacht gesucht und nicht finden können, ist nicht zu sagen. – Und sollten billig Eltern auf ihre Kinder beßer achthaben!
Ganzer vierzehen Tage habe ich blind an’n Pocken gelegen, vielmals das hitzige Fieber, aber niemals das kalte gehabt.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/20>, abgerufen am 26.07.2024. |