Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

das Haupt ganz kahl; verband seine Wunde; und mußten sie mir lebendige Hühner bringen, denen that ich einen langen Schnitt und reiß sie vollends voneinander; legt es ihm also, mit Blut und allem, warm übern Kopf; und das geschahe so oft, als die Hühner kalt geworden. Gab ihm auch etliche mal spiritum salis armoniaci anisatum und pulverem antispasmaticum. Endlich legte ich Kräuter-Säcke, in Wein gekocht, oft warm über.

Da fing der Patiente etwas wieder an zu lallen und regte die Arme wieder, kriegte mich bei der Hand und sagte zum Obristen a part: "O Feldscher, gut Mann, (denn er war ein Franzos) sollt nicht von mir."

Weil er nun ein sehr reicher Herr und viel an ihm gelegen war, hielten sie vor ratsam, dazu auch Doctores zu gebrauchen, welche gleich mit einer Kutsche, vier Pferd, mußten kommen, aus Hamburg geholet.

Selbige fragten mich umb alle Umbstände, und was ich für ihn gebrauchet. So ich that. Sie hießen's gut und gaben mir von ihren Medikamenten, ihm alle Stund davon einzugeben. Sie exküsierten sich aber gleich: sie könnten ihrer Patienten halber nicht lange von Hamburg bleiben.

Da wurde resolvieret: den Herrn General in eine groß Kutsche mit Betten, nebenst mir, und beide Doctores auch in eine, und die Diener und Lakaien auf Postwagen nach Hamburg zu bringen.

Ich entschuldigte mich wegen meiner Dienste. Aber es half nichts. Und mußte das Regiment von andern Barbieren verpfleget werden. Und meine Traktamenten sollten doch fort mir gezahlet werden. Ich ließ mir's gefallen. Doch befahl ich: meine zwei Pferde wohl in acht zu nehmen.

Wir kamen in Hamburg aufm Burenstab bei einem Trakteur zu logieren. Und da hatte ich's wieder recht gut. Denn ich wurde von des Herrn Tafel gespeiset und schlief des Nachtes in einem Schlage-Bette ins Generals

das Haupt ganz kahl; verband seine Wunde; und mußten sie mir lebendige Hühner bringen, denen that ich einen langen Schnitt und reiß sie vollends voneinander; legt es ihm also, mit Blut und allem, warm übern Kopf; und das geschahe so oft, als die Hühner kalt geworden. Gab ihm auch etliche mal spiritum salis armoniaci anisatum und pulverem antispasmaticum. Endlich legte ich Kräuter-Säcke, in Wein gekocht, oft warm über.

Da fing der Patiente etwas wieder an zu lallen und regte die Arme wieder, kriegte mich bei der Hand und sagte zum Obristen à part: „O Feldscher, gut Mann, (denn er war ein Franzos) sollt nicht von mir.“

Weil er nun ein sehr reicher Herr und viel an ihm gelegen war, hielten sie vor ratsam, dazu auch Doctores zu gebrauchen, welche gleich mit einer Kutsche, vier Pferd, mußten kommen, aus Hamburg geholet.

Selbige fragten mich umb alle Umbstände, und was ich für ihn gebrauchet. So ich that. Sie hießen’s gut und gaben mir von ihren Medikamenten, ihm alle Stund davon einzugeben. Sie exküsierten sich aber gleich: sie könnten ihrer Patienten halber nicht lange von Hamburg bleiben.

Da wurde resolvieret: den Herrn General in eine groß Kutsche mit Betten, nebenst mir, und beide Doctores auch in eine, und die Diener und Lakaien auf Postwagen nach Hamburg zu bringen.

Ich entschuldigte mich wegen meiner Dienste. Aber es half nichts. Und mußte das Regiment von andern Barbieren verpfleget werden. Und meine Traktamenten sollten doch fort mir gezahlet werden. Ich ließ mir’s gefallen. Doch befahl ich: meine zwei Pferde wohl in acht zu nehmen.

Wir kamen in Hamburg aufm Burenstab bei einem Trakteur zu logieren. Und da hatte ich’s wieder recht gut. Denn ich wurde von des Herrn Tafel gespeiset und schlief des Nachtes in einem Schlage-Bette ins Generals

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0191"/>
das Haupt ganz kahl; verband seine Wunde; und mußten sie mir lebendige Hühner bringen, denen that ich einen langen Schnitt und reiß sie vollends voneinander; legt es ihm also, mit Blut und allem, warm übern Kopf; und das geschahe so oft, als die Hühner kalt geworden. Gab ihm auch etliche mal <hi rendition="#aq">spiritum salis armoniaci anisatum</hi> und <hi rendition="#aq">pulverem antispasmaticum</hi>. Endlich legte ich Kräuter-Säcke, in Wein gekocht, oft warm über.</p>
          <p>Da fing der Patiente etwas wieder an zu lallen und regte die Arme wieder, kriegte mich bei der Hand und sagte zum Obristen <hi rendition="#aq">à part</hi>: &#x201E;O Feldscher, gut Mann, (denn er war ein Franzos) sollt nicht von mir.&#x201C;</p>
          <p>Weil er nun ein sehr reicher Herr und viel an ihm gelegen war, hielten sie vor ratsam, dazu auch <hi rendition="#aq">Doctores</hi> zu gebrauchen, welche gleich mit einer Kutsche, vier Pferd, mußten kommen, aus Hamburg geholet.</p>
          <p>Selbige fragten mich umb alle Umbstände, und was ich für ihn gebrauchet. So ich that. Sie hießen&#x2019;s gut und gaben mir von ihren Medikamenten, ihm alle Stund davon einzugeben. Sie exküsierten sich aber gleich: sie könnten ihrer Patienten halber nicht lange von Hamburg bleiben.</p>
          <p>Da wurde resolvieret: den Herrn General in eine groß Kutsche mit Betten, nebenst mir, und beide <hi rendition="#aq">Doctores</hi> auch in eine, und die Diener und Lakaien auf Postwagen nach Hamburg zu bringen.</p>
          <p>Ich entschuldigte mich wegen meiner Dienste. Aber es half nichts. Und mußte das Regiment von andern Barbieren verpfleget werden. Und meine Traktamenten sollten doch fort mir gezahlet werden. Ich ließ mir&#x2019;s gefallen. Doch befahl ich: meine zwei Pferde wohl in acht zu nehmen.</p>
          <p>Wir kamen in Hamburg aufm Burenstab bei einem Trakteur zu logieren. Und da hatte ich&#x2019;s wieder recht gut. Denn ich wurde von des Herrn Tafel gespeiset und schlief des Nachtes in einem Schlage-Bette ins Generals
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] das Haupt ganz kahl; verband seine Wunde; und mußten sie mir lebendige Hühner bringen, denen that ich einen langen Schnitt und reiß sie vollends voneinander; legt es ihm also, mit Blut und allem, warm übern Kopf; und das geschahe so oft, als die Hühner kalt geworden. Gab ihm auch etliche mal spiritum salis armoniaci anisatum und pulverem antispasmaticum. Endlich legte ich Kräuter-Säcke, in Wein gekocht, oft warm über. Da fing der Patiente etwas wieder an zu lallen und regte die Arme wieder, kriegte mich bei der Hand und sagte zum Obristen à part: „O Feldscher, gut Mann, (denn er war ein Franzos) sollt nicht von mir.“ Weil er nun ein sehr reicher Herr und viel an ihm gelegen war, hielten sie vor ratsam, dazu auch Doctores zu gebrauchen, welche gleich mit einer Kutsche, vier Pferd, mußten kommen, aus Hamburg geholet. Selbige fragten mich umb alle Umbstände, und was ich für ihn gebrauchet. So ich that. Sie hießen’s gut und gaben mir von ihren Medikamenten, ihm alle Stund davon einzugeben. Sie exküsierten sich aber gleich: sie könnten ihrer Patienten halber nicht lange von Hamburg bleiben. Da wurde resolvieret: den Herrn General in eine groß Kutsche mit Betten, nebenst mir, und beide Doctores auch in eine, und die Diener und Lakaien auf Postwagen nach Hamburg zu bringen. Ich entschuldigte mich wegen meiner Dienste. Aber es half nichts. Und mußte das Regiment von andern Barbieren verpfleget werden. Und meine Traktamenten sollten doch fort mir gezahlet werden. Ich ließ mir’s gefallen. Doch befahl ich: meine zwei Pferde wohl in acht zu nehmen. Wir kamen in Hamburg aufm Burenstab bei einem Trakteur zu logieren. Und da hatte ich’s wieder recht gut. Denn ich wurde von des Herrn Tafel gespeiset und schlief des Nachtes in einem Schlage-Bette ins Generals

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/191
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/191>, abgerufen am 27.11.2024.