Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Nun, als die Hochzeit vorbei und Herr Pohle sich in festen und sichern Standt gesetzet sahe, da kehrete sich das Blatt, und war er nicht mehr Joseph, sondern Herr im Haus, und mußte alles nach seinem Willen gehen, wie es pfleget so zu gehen! Daher denn nichts als Klagen von der Mutter und endlich von der Schwester an mich gebracht. Da war nichts als weinen und lamentieren, welches wohl auch nicht anderst sein konnte; denn vorhero hatte Mutter und Tochter nach eigen Gefallen, nun aber nach dem Mann zu leben. Dahero ich manche Bekümmernis in meinem Herzen empfunden. Steuern, Wehren, Zureden und Vermahnen an der Mutter, Tochter und Mann half weniger, als nichtes, und wollte jedes recht haben. Ich hatte mich deswegen an meiner Mutter durch allzu hartes Zureden sehr versündiget, da ich freilich wegen ihres hohen Alters (da sie meist wunderlich und eigensinnig werden) billig sollte Geduld mit ihr haben? wie sie denn, da wir eigensinnige, schreiigte Kinder waren, uns nicht gleich wegwerfen, sondern auch viel Geduld und schlaflose Nächte haben müssen. Nur war bei diesen Zänkereien zu bedauren, daß durch Ärgernis, Gram und schrecken der Frau zwei oder drei Kinder sturben. Endlich verkaufte die Mutter Herrn Pohlen das Haus und Werkzeug, so er vorher in Pacht hatte; bezahlete die Erben, vermutlich mit unserm eigenen Gelde, indem die seelige Frau aus der Nahrung wohl mochte was Rechtes gesammlet haben. Da ward es ganz stille. Die seelige Mutter teilete das Geld, Mobilien und alles, gab sich zur Ruhe, bekam einen schmerzhaften Schaden an der Brust, welcher, wie wohl ich an ihr allen Fleiß thate, dennoch nicht zu dämpfen, sondern nur der Schmerz einigermaßen zu lindern. Daran sie endlich starb im zweiundachtzigsten Jahr ihres Alters. Nun, als die Hochzeit vorbei und Herr Pohle sich in festen und sichern Standt gesetzet sahe, da kehrete sich das Blatt, und war er nicht mehr Joseph, sondern Herr im Haus, und mußte alles nach seinem Willen gehen, wie es pfleget so zu gehen! Daher denn nichts als Klagen von der Mutter und endlich von der Schwester an mich gebracht. Da war nichts als weinen und lamentieren, welches wohl auch nicht anderst sein konnte; denn vorhero hatte Mutter und Tochter nach eigen Gefallen, nun aber nach dem Mann zu leben. Dahero ich manche Bekümmernis in meinem Herzen empfunden. Steuern, Wehren, Zureden und Vermahnen an der Mutter, Tochter und Mann half weniger, als nichtes, und wollte jedes recht haben. Ich hatte mich deswegen an meiner Mutter durch allzu hartes Zureden sehr versündiget, da ich freilich wegen ihres hohen Alters (da sie meist wunderlich und eigensinnig werden) billig sollte Geduld mit ihr haben? wie sie denn, da wir eigensinnige, schreiigte Kinder waren, uns nicht gleich wegwerfen, sondern auch viel Geduld und schlaflose Nächte haben müssen. Nur war bei diesen Zänkereien zu bedauren, daß durch Ärgernis, Gram und schrecken der Frau zwei oder drei Kinder sturben. Endlich verkaufte die Mutter Herrn Pohlen das Haus und Werkzeug, so er vorher in Pacht hatte; bezahlete die Erben, vermutlich mit unserm eigenen Gelde, indem die seelige Frau aus der Nahrung wohl mochte was Rechtes gesammlet haben. Da ward es ganz stille. Die seelige Mutter teilete das Geld, Mobilien und alles, gab sich zur Ruhe, bekam einen schmerzhaften Schaden an der Brust, welcher, wie wohl ich an ihr allen Fleiß thate, dennoch nicht zu dämpfen, sondern nur der Schmerz einigermaßen zu lindern. Daran sie endlich starb im zweiundachtzigsten Jahr ihres Alters. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0018"/> <p>Nun, als die Hochzeit vorbei und Herr Pohle sich in festen und sichern Standt gesetzet sahe, da kehrete sich das Blatt, und war er nicht mehr Joseph, sondern Herr im Haus, und mußte alles nach seinem Willen gehen, wie es pfleget so zu gehen! Daher denn nichts als Klagen von der Mutter und endlich von der Schwester an mich gebracht. Da war nichts als weinen und lamentieren, welches wohl auch nicht anderst sein konnte; denn vorhero hatte Mutter und Tochter nach eigen Gefallen, nun aber nach dem Mann zu leben. Dahero ich manche Bekümmernis in meinem Herzen empfunden. Steuern, Wehren, Zureden und Vermahnen an der Mutter, Tochter und Mann half weniger, als nichtes, und wollte jedes recht haben. Ich hatte mich deswegen an meiner Mutter durch allzu hartes Zureden sehr versündiget, da ich freilich wegen ihres hohen Alters (da sie meist wunderlich und eigensinnig werden) billig sollte Geduld mit ihr haben? wie sie denn, da wir eigensinnige, schreiigte Kinder waren, uns nicht gleich wegwerfen, sondern auch viel Geduld und schlaflose Nächte haben müssen. Nur war bei diesen Zänkereien zu bedauren, daß durch Ärgernis, Gram und schrecken der Frau zwei oder drei Kinder sturben.</p> <p>Endlich verkaufte die Mutter Herrn Pohlen das Haus und Werkzeug, so er vorher in Pacht hatte; bezahlete die Erben, vermutlich mit unserm eigenen Gelde, indem die seelige Frau aus der Nahrung wohl mochte was Rechtes gesammlet haben. Da ward es ganz stille. Die seelige Mutter teilete das Geld, Mobilien und alles, gab sich zur Ruhe, bekam einen schmerzhaften Schaden an der Brust, welcher, wie wohl ich an ihr allen Fleiß thate, dennoch nicht zu dämpfen, sondern nur der Schmerz einigermaßen zu lindern. Daran sie endlich starb im zweiundachtzigsten Jahr ihres Alters.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Nun, als die Hochzeit vorbei und Herr Pohle sich in festen und sichern Standt gesetzet sahe, da kehrete sich das Blatt, und war er nicht mehr Joseph, sondern Herr im Haus, und mußte alles nach seinem Willen gehen, wie es pfleget so zu gehen! Daher denn nichts als Klagen von der Mutter und endlich von der Schwester an mich gebracht. Da war nichts als weinen und lamentieren, welches wohl auch nicht anderst sein konnte; denn vorhero hatte Mutter und Tochter nach eigen Gefallen, nun aber nach dem Mann zu leben. Dahero ich manche Bekümmernis in meinem Herzen empfunden. Steuern, Wehren, Zureden und Vermahnen an der Mutter, Tochter und Mann half weniger, als nichtes, und wollte jedes recht haben. Ich hatte mich deswegen an meiner Mutter durch allzu hartes Zureden sehr versündiget, da ich freilich wegen ihres hohen Alters (da sie meist wunderlich und eigensinnig werden) billig sollte Geduld mit ihr haben? wie sie denn, da wir eigensinnige, schreiigte Kinder waren, uns nicht gleich wegwerfen, sondern auch viel Geduld und schlaflose Nächte haben müssen. Nur war bei diesen Zänkereien zu bedauren, daß durch Ärgernis, Gram und schrecken der Frau zwei oder drei Kinder sturben.
Endlich verkaufte die Mutter Herrn Pohlen das Haus und Werkzeug, so er vorher in Pacht hatte; bezahlete die Erben, vermutlich mit unserm eigenen Gelde, indem die seelige Frau aus der Nahrung wohl mochte was Rechtes gesammlet haben. Da ward es ganz stille. Die seelige Mutter teilete das Geld, Mobilien und alles, gab sich zur Ruhe, bekam einen schmerzhaften Schaden an der Brust, welcher, wie wohl ich an ihr allen Fleiß thate, dennoch nicht zu dämpfen, sondern nur der Schmerz einigermaßen zu lindern. Daran sie endlich starb im zweiundachtzigsten Jahr ihres Alters.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/18>, abgerufen am 25.07.2024. |