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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Unser Kommandeur, der ein geitziger, hitziger Mann war, wollte immer mehr haben und war nicht vergnüget. Drange deshalb immer, je tiefer und weiter ins Eis, ob es ihm schon etliche mal widerraten. Es half aber nichts. Denn er fleißig Wein und Branntwein trank, wie unser Küfer auch that. Dies war eigentlich unser Böttcher - der'n wir zwei hatten - ein Deutscher, hatte aber wohl dreißig Jahr zur See gefahren, sonst ein nützlicher Mann, der uns auch das Leben und Schiff erhielt. Wie folget.

Der Küfer ward sehr krank; es wollte gar keine Arznei anschlagen, lange Zeit, und wäre unfehlbar, wie dem Zimmermann geschahe, gestorben. Ich besann mich endlich und fragte ihn: ob er keinen Branntwein mehr hätte? - Er that einen tiefen Seufzer und sagte: "Nein." - "Ha, ha, sagte ich, das wird eure Krankheit sein." - Ging hin und holete ein Gläschen von meinem, so er mit großer Begierde austrank. Der Kommandeur fragte mich: warum ich dem Küfer nicht helfen könnte? - Ich sagt: sein Branntwein sei alle, und das ist seine Krankheit. - "Nun, sagte er, wenn's daran mangelt, ich will eine Flasche euch geben, davon könnet ihr ihm allemal eine Portion reichen, daß er's nicht auf einmal aussaufe; ich brauche ihn nötig." - Dies geschehen, ward mein Küfer bald wieder gesund! Also siehet man, was die Gewohnheit thut.

Der Zimmermann aber mußte dran glauben und starb aufm Schiff an einer verzehrenden Krankheit und lag lange. Ich bin vielmal bei ihm gewesen, und hab ihn seines Todes erinnert und zum fleißigen Gebet vermahnet; wie der Kommandeur und andere auch thaten. Allein, er wollte von nichts wissen und war ein Atheiste, deshalb er auch niehe zum Gebet kam. Lebte also wie ein Esel, starb wie ein Esel und ward begraben wie ein Esel. Denn, ehe man sich's versahe, lag er tot in seiner Koje. Man machte nicht groß Kompliment, trug ihn

Unser Kommandeur, der ein geitziger, hitziger Mann war, wollte immer mehr haben und war nicht vergnüget. Drange deshalb immer, je tiefer und weiter ins Eis, ob es ihm schon etliche mal widerraten. Es half aber nichts. Denn er fleißig Wein und Branntwein trank, wie unser Küfer auch that. Dies war eigentlich unser Böttcher – der’n wir zwei hatten – ein Deutscher, hatte aber wohl dreißig Jahr zur See gefahren, sonst ein nützlicher Mann, der uns auch das Leben und Schiff erhielt. Wie folget.

Der Küfer ward sehr krank; es wollte gar keine Arznei anschlagen, lange Zeit, und wäre unfehlbar, wie dem Zimmermann geschahe, gestorben. Ich besann mich endlich und fragte ihn: ob er keinen Branntwein mehr hätte? – Er that einen tiefen Seufzer und sagte: „Nein.“ – „Ha, ha, sagte ich, das wird eure Krankheit sein.“ – Ging hin und holete ein Gläschen von meinem, so er mit großer Begierde austrank. Der Kommandeur fragte mich: warum ich dem Küfer nicht helfen könnte? – Ich sagt: sein Branntwein sei alle, und das ist seine Krankheit. – „Nun, sagte er, wenn’s daran mangelt, ich will eine Flasche euch geben, davon könnet ihr ihm allemal eine Portion reichen, daß er’s nicht auf einmal aussaufe; ich brauche ihn nötig.“ – Dies geschehen, ward mein Küfer bald wieder gesund! Also siehet man, was die Gewohnheit thut.

Der Zimmermann aber mußte dran glauben und starb aufm Schiff an einer verzehrenden Krankheit und lag lange. Ich bin vielmal bei ihm gewesen, und hab ihn seines Todes erinnert und zum fleißigen Gebet vermahnet; wie der Kommandeur und andere auch thaten. Allein, er wollte von nichts wissen und war ein Atheiste, deshalb er auch niehe zum Gebet kam. Lebte also wie ein Esel, starb wie ein Esel und ward begraben wie ein Esel. Denn, ehe man sich’s versahe, lag er tot in seiner Koje. Man machte nicht groß Kompliment, trug ihn

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[0160] Unser Kommandeur, der ein geitziger, hitziger Mann war, wollte immer mehr haben und war nicht vergnüget. Drange deshalb immer, je tiefer und weiter ins Eis, ob es ihm schon etliche mal widerraten. Es half aber nichts. Denn er fleißig Wein und Branntwein trank, wie unser Küfer auch that. Dies war eigentlich unser Böttcher – der’n wir zwei hatten – ein Deutscher, hatte aber wohl dreißig Jahr zur See gefahren, sonst ein nützlicher Mann, der uns auch das Leben und Schiff erhielt. Wie folget. Der Küfer ward sehr krank; es wollte gar keine Arznei anschlagen, lange Zeit, und wäre unfehlbar, wie dem Zimmermann geschahe, gestorben. Ich besann mich endlich und fragte ihn: ob er keinen Branntwein mehr hätte? – Er that einen tiefen Seufzer und sagte: „Nein.“ – „Ha, ha, sagte ich, das wird eure Krankheit sein.“ – Ging hin und holete ein Gläschen von meinem, so er mit großer Begierde austrank. Der Kommandeur fragte mich: warum ich dem Küfer nicht helfen könnte? – Ich sagt: sein Branntwein sei alle, und das ist seine Krankheit. – „Nun, sagte er, wenn’s daran mangelt, ich will eine Flasche euch geben, davon könnet ihr ihm allemal eine Portion reichen, daß er’s nicht auf einmal aussaufe; ich brauche ihn nötig.“ – Dies geschehen, ward mein Küfer bald wieder gesund! Also siehet man, was die Gewohnheit thut. Der Zimmermann aber mußte dran glauben und starb aufm Schiff an einer verzehrenden Krankheit und lag lange. Ich bin vielmal bei ihm gewesen, und hab ihn seines Todes erinnert und zum fleißigen Gebet vermahnet; wie der Kommandeur und andere auch thaten. Allein, er wollte von nichts wissen und war ein Atheiste, deshalb er auch niehe zum Gebet kam. Lebte also wie ein Esel, starb wie ein Esel und ward begraben wie ein Esel. Denn, ehe man sich’s versahe, lag er tot in seiner Koje. Man machte nicht groß Kompliment, trug ihn

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/160>, abgerufen am 24.11.2024.