Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.lachten mich aus: ich sollte bei ihnen bleiben. - Ich gedachte: diesmal mit Bauren gefahren und nicht wieder! - Sie wiesen mich in die Schänke oder Krug. Da führe diese Nacht umb zwei Uhr die Post vorbei, da könnte ich mitfahren. - So auch geschahe. Und waren zwei Postwagen, weil es nach der Messe war, voll Hamburger Kauf- und andere Leute, bei welchen ich eine gute honneur fand. Denn weil ich auf der Reise sie barbierete und Parücken accommodirte, hielten sie mich fast in allem frei. Hatten schönen Wein und Branntwein bei sich, gut Gebackens etc., von welchem ich all bekam. Die Herrn führeten unterwegens solche kluge Diskurse, daß's eine Lust, sie anzuhören; und bei den Bauren nicht passieret; so wohl hatte ich es getroffen. In Hannover legten wir uns in ein vornehmes Wirtshaus ein und wurden herrlich traktieret. Als aber der Postillion blies, wieder fortzureisen, da zog jeder seinen Beutel, vor die Mahlzeit acht Groschen, nach unserer Münz, zu geben. Der Wirt kam und nahm von jedem seine Portion. Allein einer, der ohne Zweifel ein abgedankter Offizier von Adel möchte sein und große Erfahrung aus seinen Diskursen hören ließ, der saß immer still. "Nun, Herr, sagte der Wirt, als er ihm lange zugesehen, will er nicht auch Geld vor die Mahlzeit geben?" - Er sahe ihn lachend an und sagt: "Ich habe kein Geld." - Der Wirt sagte: "Ei, Herr, vexieret mich nicht länger, sie sitzen schon auf." - "Ich habe kein Geld!" sprach er. - "Je, warum setzet ihr euch unter die honetten Leute und speiset mit?" - Der Herr, gab ihm drauf eine dichte Maulschelle: "Du Hundsfutt, sagte er, meinstu, daß ich darum nicht honnete homme und brav Kerl bin, wenn ich gleich kein Geld habe?" - Der Wirt kriegete lachten mich aus: ich sollte bei ihnen bleiben. – Ich gedachte: diesmal mit Bauren gefahren und nicht wieder! – Sie wiesen mich in die Schänke oder Krug. Da führe diese Nacht umb zwei Uhr die Post vorbei, da könnte ich mitfahren. – So auch geschahe. Und waren zwei Postwagen, weil es nach der Messe war, voll Hamburger Kauf- und andere Leute, bei welchen ich eine gute honneur fand. Denn weil ich auf der Reise sie barbierete und Parücken accommodirte, hielten sie mich fast in allem frei. Hatten schönen Wein und Branntwein bei sich, gut Gebackens etc., von welchem ich all bekam. Die Herrn führeten unterwegens solche kluge Diskurse, daß’s eine Lust, sie anzuhören; und bei den Bauren nicht passieret; so wohl hatte ich es getroffen. In Hannover legten wir uns in ein vornehmes Wirtshaus ein und wurden herrlich traktieret. Als aber der Postillion blies, wieder fortzureisen, da zog jeder seinen Beutel, vor die Mahlzeit acht Groschen, nach unserer Münz, zu geben. Der Wirt kam und nahm von jedem seine Portion. Allein einer, der ohne Zweifel ein abgedankter Offizier von Adel möchte sein und große Erfahrung aus seinen Diskursen hören ließ, der saß immer still. „Nun, Herr, sagte der Wirt, als er ihm lange zugesehen, will er nicht auch Geld vor die Mahlzeit geben?“ – Er sahe ihn lachend an und sagt: „Ich habe kein Geld.“ – Der Wirt sagte: „Ei, Herr, vexieret mich nicht länger, sie sitzen schon auf.“ – „Ich habe kein Geld!“ sprach er. – „Je, warum setzet ihr euch unter die honetten Leute und speiset mit?“ – Der Herr, gab ihm drauf eine dichte Maulschelle: „Du Hundsfutt, sagte er, meinstu, daß ich darum nicht honnête homme und brav Kerl bin, wenn ich gleich kein Geld habe?“ – Der Wirt kriegete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0101"/> lachten mich aus: ich sollte bei ihnen bleiben. – Ich gedachte: diesmal mit Bauren gefahren und nicht wieder! – Sie wiesen mich in die Schänke oder Krug. Da führe diese Nacht umb zwei Uhr die Post vorbei, da könnte ich mitfahren. – So auch geschahe.</p> <p><hi rendition="#in">U</hi>nd waren zwei Postwagen, weil es nach der Messe war, voll Hamburger Kauf- und andere Leute, bei welchen ich eine gute <hi rendition="#aq">honneur</hi> fand. Denn weil ich auf der Reise sie barbierete und Parücken accommodirte, hielten sie mich fast in allem frei. Hatten schönen Wein und Branntwein bei sich, gut Gebackens etc., von welchem ich all bekam. Die Herrn führeten unterwegens solche kluge Diskurse, daß’s eine Lust, sie anzuhören; und bei den Bauren nicht passieret; so wohl hatte ich es getroffen.</p> <p>In Hannover legten wir uns in ein vornehmes Wirtshaus ein und wurden herrlich traktieret.</p> <p>Als aber der Postillion blies, wieder fortzureisen, da zog jeder seinen Beutel, vor die Mahlzeit acht Groschen, nach unserer Münz, zu geben. Der Wirt kam und nahm von jedem seine Portion. Allein einer, der ohne Zweifel ein abgedankter Offizier von Adel möchte sein und große Erfahrung aus seinen Diskursen hören ließ, der saß immer still. „Nun, Herr, sagte der Wirt, als er ihm lange zugesehen, will er nicht auch Geld vor die Mahlzeit geben?“ – Er sahe ihn lachend an und sagt: „Ich habe kein Geld.“ – Der Wirt sagte: „Ei, Herr, vexieret mich nicht länger, sie sitzen schon auf.“ – „Ich habe kein Geld!“ sprach er. – „Je, warum setzet ihr euch unter die honetten Leute und speiset mit?“ – Der Herr, gab ihm drauf eine dichte Maulschelle: „Du Hundsfutt, sagte er, meinstu, daß ich darum nicht <hi rendition="#aq">honnête homme</hi> und brav Kerl bin, wenn ich gleich kein Geld habe?“ – Der Wirt kriegete </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
lachten mich aus: ich sollte bei ihnen bleiben. – Ich gedachte: diesmal mit Bauren gefahren und nicht wieder! – Sie wiesen mich in die Schänke oder Krug. Da führe diese Nacht umb zwei Uhr die Post vorbei, da könnte ich mitfahren. – So auch geschahe.
Und waren zwei Postwagen, weil es nach der Messe war, voll Hamburger Kauf- und andere Leute, bei welchen ich eine gute honneur fand. Denn weil ich auf der Reise sie barbierete und Parücken accommodirte, hielten sie mich fast in allem frei. Hatten schönen Wein und Branntwein bei sich, gut Gebackens etc., von welchem ich all bekam. Die Herrn führeten unterwegens solche kluge Diskurse, daß’s eine Lust, sie anzuhören; und bei den Bauren nicht passieret; so wohl hatte ich es getroffen.
In Hannover legten wir uns in ein vornehmes Wirtshaus ein und wurden herrlich traktieret.
Als aber der Postillion blies, wieder fortzureisen, da zog jeder seinen Beutel, vor die Mahlzeit acht Groschen, nach unserer Münz, zu geben. Der Wirt kam und nahm von jedem seine Portion. Allein einer, der ohne Zweifel ein abgedankter Offizier von Adel möchte sein und große Erfahrung aus seinen Diskursen hören ließ, der saß immer still. „Nun, Herr, sagte der Wirt, als er ihm lange zugesehen, will er nicht auch Geld vor die Mahlzeit geben?“ – Er sahe ihn lachend an und sagt: „Ich habe kein Geld.“ – Der Wirt sagte: „Ei, Herr, vexieret mich nicht länger, sie sitzen schon auf.“ – „Ich habe kein Geld!“ sprach er. – „Je, warum setzet ihr euch unter die honetten Leute und speiset mit?“ – Der Herr, gab ihm drauf eine dichte Maulschelle: „Du Hundsfutt, sagte er, meinstu, daß ich darum nicht honnête homme und brav Kerl bin, wenn ich gleich kein Geld habe?“ – Der Wirt kriegete
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition
(2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition
(2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |