Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.Am allerwenigsten paßt sie für die, welche selbst Lehrer Am allerwenigſten paßt ſie fuͤr die, welche ſelbſt Lehrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0062" n="44"/> <p>Am allerwenigſten paßt ſie fuͤr die, welche ſelbſt Lehrer<lb/> werden wollen, ſei es an oͤffentlichen Schulen, oder Religions-<lb/> lehrer. Denn wie ſie gelehrt worden ſind, ſo lehren ſie wie-<lb/> der, und ſo pflanzt ſich die vorſagende, vordenkende, diktirende<lb/> Methode oder vielmehr Unmethode bis in alle Ewigkeit fort.<lb/> Auf keiner deutſchen Univerſitaͤt kann der kuͤnftige Lehrer die<lb/> geiſtbildende Methode kennen und uͤben lernen. Natuͤrlich<lb/> faͤngt der Anfaͤnger im Lehramte ſo an, wie er auf der Uni-<lb/> verſitaͤt gelernt hat. Denn wie laͤßt ſich mit Billigkeit von<lb/> ihm fordern, daß er das Schwerere, was er nicht geuͤbt hat,<lb/> nicht hat uͤben ſehen, beginne? Daher noch immer die Sel-<lb/> tenheit einer geiſtbildenden Methode in den Gymnaſien, daher<lb/> die Urſache der gerechten Klagen, die <hi rendition="#g">Beneke</hi> fuͤhrt, daher<lb/> auch, wenigſtens zum Theil, die Gemeinheit vieler Menſchen,<lb/> deren Geiſt, ungeachtet der Beſchaͤftigung mit den Gegenſtaͤn-<lb/> den, von welchen man ruͤhmt, daß ſie die Humanitaͤt verbrei-<lb/> ten, nicht zu rechter Erkenntniß gelangt iſt. Denn die Ge-<lb/> meinheit der Menſchen entſpringt aus der Gemeinheit der<lb/> Arbeit, und zwar weniger in der objectiven Beſchaffenheit der-<lb/> ſelben, als in der Art und Weiſe, wie ſie vollzogen wird.<lb/> Leider kann man ſich ſelbſt mit Wiſſenſchaften auf eine ge-<lb/> meine, handwerksmaͤßige Art beſchaͤftigen, ſo daß ſie den Geiſt<lb/> nur in rein aͤußerlicher Art in Anſpruch nehmen. Zu dem<lb/> Innern der Wiſſenſchaften dringt man nur durch die rechte<lb/> Methode. Ich muß es daher wiederholen, daß alle Kenntniß<lb/> nur in ſo weit wahren Werth fuͤr die menſchliche Bildung hat,<lb/> als ſie mit Erkenntniß verbunden iſt, d. h. mit der Erkennt-<lb/> niß der den Thatſachen zu Grunde liegenden Urſachen, Mo-<lb/> tive, Gruͤnde, Geſetze. Nicht in der Kenntniß des Einzelnen<lb/> ruht die intellectuelle Bildung, ſondern in der Erkenntniß des<lb/> Allgemeinen. Darum bewegt ſich die wahre Methode von der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0062]
Am allerwenigſten paßt ſie fuͤr die, welche ſelbſt Lehrer
werden wollen, ſei es an oͤffentlichen Schulen, oder Religions-
lehrer. Denn wie ſie gelehrt worden ſind, ſo lehren ſie wie-
der, und ſo pflanzt ſich die vorſagende, vordenkende, diktirende
Methode oder vielmehr Unmethode bis in alle Ewigkeit fort.
Auf keiner deutſchen Univerſitaͤt kann der kuͤnftige Lehrer die
geiſtbildende Methode kennen und uͤben lernen. Natuͤrlich
faͤngt der Anfaͤnger im Lehramte ſo an, wie er auf der Uni-
verſitaͤt gelernt hat. Denn wie laͤßt ſich mit Billigkeit von
ihm fordern, daß er das Schwerere, was er nicht geuͤbt hat,
nicht hat uͤben ſehen, beginne? Daher noch immer die Sel-
tenheit einer geiſtbildenden Methode in den Gymnaſien, daher
die Urſache der gerechten Klagen, die Beneke fuͤhrt, daher
auch, wenigſtens zum Theil, die Gemeinheit vieler Menſchen,
deren Geiſt, ungeachtet der Beſchaͤftigung mit den Gegenſtaͤn-
den, von welchen man ruͤhmt, daß ſie die Humanitaͤt verbrei-
ten, nicht zu rechter Erkenntniß gelangt iſt. Denn die Ge-
meinheit der Menſchen entſpringt aus der Gemeinheit der
Arbeit, und zwar weniger in der objectiven Beſchaffenheit der-
ſelben, als in der Art und Weiſe, wie ſie vollzogen wird.
Leider kann man ſich ſelbſt mit Wiſſenſchaften auf eine ge-
meine, handwerksmaͤßige Art beſchaͤftigen, ſo daß ſie den Geiſt
nur in rein aͤußerlicher Art in Anſpruch nehmen. Zu dem
Innern der Wiſſenſchaften dringt man nur durch die rechte
Methode. Ich muß es daher wiederholen, daß alle Kenntniß
nur in ſo weit wahren Werth fuͤr die menſchliche Bildung hat,
als ſie mit Erkenntniß verbunden iſt, d. h. mit der Erkennt-
niß der den Thatſachen zu Grunde liegenden Urſachen, Mo-
tive, Gruͤnde, Geſetze. Nicht in der Kenntniß des Einzelnen
ruht die intellectuelle Bildung, ſondern in der Erkenntniß des
Allgemeinen. Darum bewegt ſich die wahre Methode von der
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