Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.Zusammenschaarung und Vereinigung des Gleichartigen *) v. Raumer, England 1856, I. S. 550:
"Die Wichtigkeit und Nothwendigkeit des Corporativen macht sich in einer Zeit wieder geltend, welche demselben viel zu übereilt einen allgemeinen Krieg erklärt hatte Mißbräuche der Zünfte, der geschlossenen Bürgerschaften, der monopolisirenden Universitäten etc. liegen so deutlich zu Tage, daß kein Unbefan- gener sie leugnen kann; hieraus folgt aber auf keine Weise, ein Staat bestehe lediglich aus einer höchsten, centralisirten Regie- rung, und dann aus lauter Einzelheiten, welche man, zusam- men addirt, Volk zu nennen beliebe. Es folgt eben so wenig, daß alle zahlreichen Vereine der Einzelnen zu einem größeren Ganzen schädliche Staaten im Staate wären. Umgekehrt; jeder höher entwickelte Staat bedarf mannigfaltiger, größerer Organe: also Genossenschaften der Handwerker, Künstler, Gelehrten, Geist- lichen, Dörfer, Städte, Landschaften etc. Und wie sich auch die Zeit, wie sich auch die Gestaltung und der Zweck ändern mögen: es wird das Corporative, diese Wahlverwandtschaft und Wech- selwirkung immer wieder hervortreten, und wie ein Phönix aus der Asche des Früheren wieder hervorwachsen." Zuſammenſchaarung und Vereinigung des Gleichartigen *) v. Raumer, England 1856, I. S. 550:
„Die Wichtigkeit und Nothwendigkeit des Corporativen macht ſich in einer Zeit wieder geltend, welche demſelben viel zu uͤbereilt einen allgemeinen Krieg erklaͤrt hatte Mißbraͤuche der Zuͤnfte, der geſchloſſenen Buͤrgerſchaften, der monopoliſirenden Univerſitaͤten ꝛc. liegen ſo deutlich zu Tage, daß kein Unbefan- gener ſie leugnen kann; hieraus folgt aber auf keine Weiſe, ein Staat beſtehe lediglich aus einer hoͤchſten, centraliſirten Regie- rung, und dann aus lauter Einzelheiten, welche man, zuſam- men addirt, Volk zu nennen beliebe. Es folgt eben ſo wenig, daß alle zahlreichen Vereine der Einzelnen zu einem groͤßeren Ganzen ſchaͤdliche Staaten im Staate waͤren. Umgekehrt; jeder hoͤher entwickelte Staat bedarf mannigfaltiger, groͤßerer Organe: alſo Genoſſenſchaften der Handwerker, Kuͤnſtler, Gelehrten, Geiſt- lichen, Doͤrfer, Staͤdte, Landſchaften ꝛc. Und wie ſich auch die Zeit, wie ſich auch die Geſtaltung und der Zweck aͤndern moͤgen: es wird das Corporative, dieſe Wahlverwandtſchaft und Wech- ſelwirkung immer wieder hervortreten, und wie ein Phoͤnix aus der Aſche des Fruͤheren wieder hervorwachſen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0042" n="24"/> <p>Zuſammenſchaarung und Vereinigung des Gleichartigen<lb/><choice><sic>ift</sic><corr>iſt</corr></choice> ein allgemeines Geſetz der lebenden Natur, in dem Thier-<lb/> reiche wie unter den Menſchen. Ohne ſie iſt eine Organiſation<lb/> undenkbar. Sie verlangt nicht Aufhebung des Differenten und<lb/> Ununterſcheidbarmachung deſſelben. — Das waͤre die heilloſe<lb/> Maxime der Gleichmacherei — ſondern ſie verlangt Vereini-<lb/> gung des Gleichartigen zur Verrichtung einer Function in dem<lb/> organiſch zu gliedernden Koͤrper und Ergaͤnzung derſelben durch<lb/> alle uͤbrigen. Man hat alle Corporationsverhaͤltniſſe und da-<lb/> mit alle Staͤnde der buͤrgerlichen Geſellſchaft aufgehoben, ſo<lb/> weit ſolches von Menſchen abhing — zu wahrem Unſegen fuͤr<lb/> das Ganze <note place="foot" n="*)">v. <hi rendition="#g">Raumer,</hi> England 1856, <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 550:<lb/> „Die Wichtigkeit und Nothwendigkeit des <hi rendition="#g">Corporativen</hi><lb/> macht ſich in einer Zeit wieder geltend, welche demſelben viel zu<lb/> uͤbereilt einen allgemeinen Krieg erklaͤrt hatte Mißbraͤuche der<lb/> Zuͤnfte, der geſchloſſenen Buͤrgerſchaften, der monopoliſirenden<lb/> Univerſitaͤten ꝛc. liegen ſo deutlich zu Tage, daß kein Unbefan-<lb/> gener ſie leugnen kann; hieraus folgt aber auf keine Weiſe, ein<lb/> Staat beſtehe lediglich aus einer hoͤchſten, centraliſirten Regie-<lb/> rung, und dann aus lauter Einzelheiten, welche man, zuſam-<lb/> men addirt, Volk zu nennen beliebe. Es folgt eben ſo wenig,<lb/> daß alle zahlreichen Vereine der Einzelnen zu einem groͤßeren<lb/> Ganzen ſchaͤdliche Staaten im Staate waͤren. Umgekehrt; jeder<lb/> hoͤher entwickelte Staat bedarf mannigfaltiger, groͤßerer Organe:<lb/> alſo Genoſſenſchaften der Handwerker, Kuͤnſtler, Gelehrten, Geiſt-<lb/> lichen, Doͤrfer, Staͤdte, Landſchaften ꝛc. Und wie ſich auch die<lb/> Zeit, wie ſich auch die Geſtaltung und der Zweck aͤndern moͤgen:<lb/> es wird das Corporative, dieſe Wahlverwandtſchaft und Wech-<lb/> ſelwirkung immer wieder hervortreten, und wie ein Phoͤnix aus<lb/> der Aſche des Fruͤheren wieder hervorwachſen.“</note>, zur Verzweiflung fuͤr die Einzelnen, in denen<lb/> ein organiſirender Geiſt lebt; wenn man in gleicher Richtung<lb/> auch die landsmannſchaftlichen Genoſſenſchaften der Studen-<lb/> ten aufgehoben hat, ſo moͤchte der augenblickliche Vortheil fuͤr<lb/> die aͤußere Ruhe auf den Univerſitaͤten leicht durch den dauern-<lb/> den Nachtheil fuͤr das innere Lebensprincip in den gebildeten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0042]
Zuſammenſchaarung und Vereinigung des Gleichartigen
iſt ein allgemeines Geſetz der lebenden Natur, in dem Thier-
reiche wie unter den Menſchen. Ohne ſie iſt eine Organiſation
undenkbar. Sie verlangt nicht Aufhebung des Differenten und
Ununterſcheidbarmachung deſſelben. — Das waͤre die heilloſe
Maxime der Gleichmacherei — ſondern ſie verlangt Vereini-
gung des Gleichartigen zur Verrichtung einer Function in dem
organiſch zu gliedernden Koͤrper und Ergaͤnzung derſelben durch
alle uͤbrigen. Man hat alle Corporationsverhaͤltniſſe und da-
mit alle Staͤnde der buͤrgerlichen Geſellſchaft aufgehoben, ſo
weit ſolches von Menſchen abhing — zu wahrem Unſegen fuͤr
das Ganze *), zur Verzweiflung fuͤr die Einzelnen, in denen
ein organiſirender Geiſt lebt; wenn man in gleicher Richtung
auch die landsmannſchaftlichen Genoſſenſchaften der Studen-
ten aufgehoben hat, ſo moͤchte der augenblickliche Vortheil fuͤr
die aͤußere Ruhe auf den Univerſitaͤten leicht durch den dauern-
den Nachtheil fuͤr das innere Lebensprincip in den gebildeten
*) v. Raumer, England 1856, I. S. 550:
„Die Wichtigkeit und Nothwendigkeit des Corporativen
macht ſich in einer Zeit wieder geltend, welche demſelben viel zu
uͤbereilt einen allgemeinen Krieg erklaͤrt hatte Mißbraͤuche der
Zuͤnfte, der geſchloſſenen Buͤrgerſchaften, der monopoliſirenden
Univerſitaͤten ꝛc. liegen ſo deutlich zu Tage, daß kein Unbefan-
gener ſie leugnen kann; hieraus folgt aber auf keine Weiſe, ein
Staat beſtehe lediglich aus einer hoͤchſten, centraliſirten Regie-
rung, und dann aus lauter Einzelheiten, welche man, zuſam-
men addirt, Volk zu nennen beliebe. Es folgt eben ſo wenig,
daß alle zahlreichen Vereine der Einzelnen zu einem groͤßeren
Ganzen ſchaͤdliche Staaten im Staate waͤren. Umgekehrt; jeder
hoͤher entwickelte Staat bedarf mannigfaltiger, groͤßerer Organe:
alſo Genoſſenſchaften der Handwerker, Kuͤnſtler, Gelehrten, Geiſt-
lichen, Doͤrfer, Staͤdte, Landſchaften ꝛc. Und wie ſich auch die
Zeit, wie ſich auch die Geſtaltung und der Zweck aͤndern moͤgen:
es wird das Corporative, dieſe Wahlverwandtſchaft und Wech-
ſelwirkung immer wieder hervortreten, und wie ein Phoͤnix aus
der Aſche des Fruͤheren wieder hervorwachſen.“
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