Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.
und Freiheit. Dem ächten Jüngling brauchen diese Worte Sehet, werthe Leser, das ist das Ziel, der Preis und der 4) Aber der Mensch ist nicht bloß Geist, er ist auch Leib, und als Sinnenwesen ist seine Entwickelung und seine Wirksamkeit an irdische Bedingungen geknüpft. Wir verlangen darum von der Hochschule nicht bloß Pflege des Geistes, sondern auch Pflege des Leibes, nicht bloß Erhaltung der Gesundheit, sondern Entwick-
und Freiheit. Dem aͤchten Juͤngling brauchen dieſe Worte Sehet, werthe Leſer, das iſt das Ziel, der Preis und der 4) Aber der Menſch iſt nicht bloß Geiſt, er iſt auch Leib, und als Sinnenweſen iſt ſeine Entwickelung und ſeine Wirkſamkeit an irdiſche Bedingungen geknuͤpft. Wir verlangen darum von der Hochſchule nicht bloß Pflege des Geiſtes, ſondern auch Pflege des Leibes, nicht bloß Erhaltung der Geſundheit, ſondern Entwick- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0036" n="18"/> und Freiheit</hi>. Dem aͤchten Juͤngling brauchen dieſe Worte<lb/> nur um’s Ohr zu klingen, und ſeine Bruſt fuͤhlt ſich gehoben<lb/> und ſeine Pulſe ſchlagen raſcher. Wehr dem tageloͤhnernden<lb/> Heftſchreiber, der nur lernt, um ſein jaͤmmerliches Leben zu<lb/> friſten, und durch das Amt eine verſorgende Milchkuh ſich zu<lb/> verſchaffen. Unwerth, aus der Quelle der Wiſſenſchaften zu<lb/> trinken, ſchoͤpft er aus abgeleiteten Brunnen, und anſtatt<lb/> frei zu werden durch die Forſchung nach Wahrheit, ſchleppt<lb/> er die Ketten des Geiſtes muͤhſam durch das Leben.</p><lb/> <p>Sehet, werthe Leſer, das iſt das Ziel, der Preis und der<lb/> Ruhm einer Hochſchule und ihrer Lehrer, wenn ſie es ver-<lb/> ſtehen, in den Juͤnglingen die Funken des Geiſtes zu wecken,<lb/> in ihnen eine Reihe von Alles belebenden und begeiſternden<lb/> Ideen aufſteigen zu laſſen und ſie fuͤr Alles, was die Vor-<lb/> und Mitwelt Großes hervorgebracht hat in Religion, Wiſſen-<lb/> ſchaft und Leben, fuͤr alle kuͤnftigen Tage des Wirkens nach-<lb/> haltigſt zu begeiſtern. Ein Lehrer, der Solches verſteht, nicht<lb/> weil er ſich in kuͤnſtliche, ekſtatiſche Begeiſterung auf Augen-<lb/> blicke zu verſetzen weiß, ſondern weil er ſelbſt in Ideen lebt,<lb/> und Alles, was er ſagt oder verſchweigt, die Juͤnglinge mit<lb/> belebendem Hauche anweht, ein Solcher iſt wahrhaft ein Leh-<lb/> rer der hohen Schule. Jeder Andere aber iſt ein banauſiſcher<lb/> Sacktraͤger, unwuͤrdig der hohen Wuͤrde, ein Prieſter der<lb/> Ideen zu ſein.</p><lb/> <list> <item>4) Aber der Menſch iſt nicht bloß Geiſt, er iſt auch <hi rendition="#g">Leib,</hi><lb/> und als Sinnenweſen iſt ſeine Entwickelung und ſeine<lb/> Wirkſamkeit an irdiſche Bedingungen geknuͤpft. Wir<lb/> verlangen darum von der Hochſchule nicht bloß Pflege<lb/> des Geiſtes, ſondern auch <hi rendition="#g">Pflege des Leibes,</hi> nicht<lb/> bloß Erhaltung der Geſundheit, <hi rendition="#g">ſondern Entwick-<lb/></hi></item> </list> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0036]
und Freiheit. Dem aͤchten Juͤngling brauchen dieſe Worte
nur um’s Ohr zu klingen, und ſeine Bruſt fuͤhlt ſich gehoben
und ſeine Pulſe ſchlagen raſcher. Wehr dem tageloͤhnernden
Heftſchreiber, der nur lernt, um ſein jaͤmmerliches Leben zu
friſten, und durch das Amt eine verſorgende Milchkuh ſich zu
verſchaffen. Unwerth, aus der Quelle der Wiſſenſchaften zu
trinken, ſchoͤpft er aus abgeleiteten Brunnen, und anſtatt
frei zu werden durch die Forſchung nach Wahrheit, ſchleppt
er die Ketten des Geiſtes muͤhſam durch das Leben.
Sehet, werthe Leſer, das iſt das Ziel, der Preis und der
Ruhm einer Hochſchule und ihrer Lehrer, wenn ſie es ver-
ſtehen, in den Juͤnglingen die Funken des Geiſtes zu wecken,
in ihnen eine Reihe von Alles belebenden und begeiſternden
Ideen aufſteigen zu laſſen und ſie fuͤr Alles, was die Vor-
und Mitwelt Großes hervorgebracht hat in Religion, Wiſſen-
ſchaft und Leben, fuͤr alle kuͤnftigen Tage des Wirkens nach-
haltigſt zu begeiſtern. Ein Lehrer, der Solches verſteht, nicht
weil er ſich in kuͤnſtliche, ekſtatiſche Begeiſterung auf Augen-
blicke zu verſetzen weiß, ſondern weil er ſelbſt in Ideen lebt,
und Alles, was er ſagt oder verſchweigt, die Juͤnglinge mit
belebendem Hauche anweht, ein Solcher iſt wahrhaft ein Leh-
rer der hohen Schule. Jeder Andere aber iſt ein banauſiſcher
Sacktraͤger, unwuͤrdig der hohen Wuͤrde, ein Prieſter der
Ideen zu ſein.
4) Aber der Menſch iſt nicht bloß Geiſt, er iſt auch Leib,
und als Sinnenweſen iſt ſeine Entwickelung und ſeine
Wirkſamkeit an irdiſche Bedingungen geknuͤpft. Wir
verlangen darum von der Hochſchule nicht bloß Pflege
des Geiſtes, ſondern auch Pflege des Leibes, nicht
bloß Erhaltung der Geſundheit, ſondern Entwick-
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Zitationshilfe: | Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/36>, abgerufen am 08.07.2024. |