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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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so beweisen sie es doch durch die That. Solche machen ihr
Fleisch ohne alle Scheu frei, daß es keinem Gesetze unter-
worfen sein, noch dienen soll, und machen aus der geistlichen
Freiheit eine zügellose Freiheit des Geistes."

Sie sind siebenmal ärger unter dem Namen
der Freiheit, denn sie unter das Papstes Tyran-
nei gewesen sind
1)."

"Zuvor da man dem Teufel diente im Papsttum, da
war jedermann barmherzig und milde, da gab man mit beiden
Händen, fröhlich und mit großer Andacht den falschen Gottes-
dienst zu erhalten. Jetzt, da man billig sollte milde sein,
gerne geben und sich dankbar erzeigen gegen Gott und das
hl. Evangelium, will jedermann verderben und Hungers sterben,
niemand nichts geben, sondern nur nehmen. Zuvor konnte
eine jegliche Stadt, danach sie groß war, etliche Klöster reich-
lich ernähren, will geschweigen der Meßpfaffen und reichen
Stifte; jetzt, wenn man nur zwei oder drei Personen, die
Gottes Wort predigen, Sakramente reichen, Kranke besuchen
und trösten, die Jugend ehrlich und christlich unterweisen, in
einer Stadt ernähren soll und doch nicht vom eigenen, sondern
fremden Gut, das vom Papsttum her überblieben ist, das ist
jedermann zu schwer2)."

"Weil sie von den Banden und Stricken des Papsttums
sich los und ledig fühlen, wollen sie auch des Evangelii und
aller Gebote Gottes ledig und los sein und soll nun forthin
gut und recht sein, was sie gelüstet und gut dünkt3)."

1) Erkl. d. Br. a. d. Gal. Walch VIII, 2683.
2) Kirchenpostille Walch XI, 1758.
3) Ausleg. des Ev. Joh. Walch XIV, 164, 195. Cf. Hammer-
stein, Katholizismus und Protestantismus, S. 60--68.

ſo beweiſen ſie es doch durch die That. Solche machen ihr
Fleiſch ohne alle Scheu frei, daß es keinem Geſetze unter-
worfen ſein, noch dienen ſoll, und machen aus der geiſtlichen
Freiheit eine zügelloſe Freiheit des Geiſtes.‟

Sie ſind ſiebenmal ärger unter dem Namen
der Freiheit, denn ſie unter das Papſtes Tyran-
nei geweſen ſind
1).‟

„Zuvor da man dem Teufel diente im Papſttum, da
war jedermann barmherzig und milde, da gab man mit beiden
Händen, fröhlich und mit großer Andacht den falſchen Gottes-
dienſt zu erhalten. Jetzt, da man billig ſollte milde ſein,
gerne geben und ſich dankbar erzeigen gegen Gott und das
hl. Evangelium, will jedermann verderben und Hungers ſterben,
niemand nichts geben, ſondern nur nehmen. Zuvor konnte
eine jegliche Stadt, danach ſie groß war, etliche Klöſter reich-
lich ernähren, will geſchweigen der Meßpfaffen und reichen
Stifte; jetzt, wenn man nur zwei oder drei Perſonen, die
Gottes Wort predigen, Sakramente reichen, Kranke beſuchen
und tröſten, die Jugend ehrlich und chriſtlich unterweiſen, in
einer Stadt ernähren ſoll und doch nicht vom eigenen, ſondern
fremden Gut, das vom Papſttum her überblieben iſt, das iſt
jedermann zu ſchwer2).‟

„Weil ſie von den Banden und Stricken des Papſttums
ſich los und ledig fühlen, wollen ſie auch des Evangelii und
aller Gebote Gottes ledig und los ſein und ſoll nun forthin
gut und recht ſein, was ſie gelüſtet und gut dünkt3).‟

1) Erkl. d. Br. a. d. Gal. Walch VIII, 2683.
2) Kirchenpoſtille Walch XI, 1758.
3) Ausleg. des Ev. Joh. Walch XIV, 164, 195. Cf. Hammer-
ſtein, Katholizismus und Proteſtantismus, S. 60—68.
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[41/0053] ſo beweiſen ſie es doch durch die That. Solche machen ihr Fleiſch ohne alle Scheu frei, daß es keinem Geſetze unter- worfen ſein, noch dienen ſoll, und machen aus der geiſtlichen Freiheit eine zügelloſe Freiheit des Geiſtes.‟ Sie ſind ſiebenmal ärger unter dem Namen der Freiheit, denn ſie unter das Papſtes Tyran- nei geweſen ſind 1).‟ „Zuvor da man dem Teufel diente im Papſttum, da war jedermann barmherzig und milde, da gab man mit beiden Händen, fröhlich und mit großer Andacht den falſchen Gottes- dienſt zu erhalten. Jetzt, da man billig ſollte milde ſein, gerne geben und ſich dankbar erzeigen gegen Gott und das hl. Evangelium, will jedermann verderben und Hungers ſterben, niemand nichts geben, ſondern nur nehmen. Zuvor konnte eine jegliche Stadt, danach ſie groß war, etliche Klöſter reich- lich ernähren, will geſchweigen der Meßpfaffen und reichen Stifte; jetzt, wenn man nur zwei oder drei Perſonen, die Gottes Wort predigen, Sakramente reichen, Kranke beſuchen und tröſten, die Jugend ehrlich und chriſtlich unterweiſen, in einer Stadt ernähren ſoll und doch nicht vom eigenen, ſondern fremden Gut, das vom Papſttum her überblieben iſt, das iſt jedermann zu ſchwer 2).‟ „Weil ſie von den Banden und Stricken des Papſttums ſich los und ledig fühlen, wollen ſie auch des Evangelii und aller Gebote Gottes ledig und los ſein und ſoll nun forthin gut und recht ſein, was ſie gelüſtet und gut dünkt 3).‟ 1) Erkl. d. Br. a. d. Gal. Walch VIII, 2683. 2) Kirchenpoſtille Walch XI, 1758. 3) Ausleg. des Ev. Joh. Walch XIV, 164, 195. Cf. Hammer- ſtein, Katholizismus und Proteſtantismus, S. 60—68.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/53>, abgerufen am 05.12.2024.