Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.satz von der Bibel als alleiniger Glaubensquelle mit Verwer- 1) Scharfsinnige Denker, wie Leibniz und Lessing, haben die Uner- läßlichkeit und volle Berechtigung der kirchlichen Tradition anerkannt. 2) I Tim. 3, 15. 3 *
ſatz von der Bibel als alleiniger Glaubensquelle mit Verwer- 1) Scharfſinnige Denker, wie Leibniz und Leſſing, haben die Uner- läßlichkeit und volle Berechtigung der kirchlichen Tradition anerkannt. 2) I Tim. 3, 15. 3 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="35"/> ſatz von der Bibel als alleiniger Glaubensquelle mit Verwer-<lb/> fung der Tradition gefunden werden. Wie die Bibel, ſo hatte<lb/> er auch das Symbolum apoſtolicum als Glaubensregel aner-<lb/> kannt, obſchon in letzterem der Glaube an die <hi rendition="#g">eine</hi> heilige,<lb/> katholiſche Kirche ſeinen Ausdruck gefunden hat. Hierbei<lb/> unterlief ihm der merkwürdige Jrrtum, zu überſehen, daß die<lb/> heilige Schrift und das Symbolum apoſtolicum ſelbſt aus<lb/> der Tradition hervorgegangen ſind! Von dem apoſtoliſchen<lb/> Glaubensbekenntnis iſt der Nachweis geliefert, daß es direkt<lb/> von den Apoſteln nicht verfaßt iſt. Von den Schriften des<lb/> Neuen Teſtaments iſt ebenſowenig, <hi rendition="#g">ohne die Tradition,</hi><lb/> nachzuweiſen, daß ſie von den Apoſteln ſtammen; ſämtliche<lb/> Originale fehlen. Nicht <hi rendition="#g">ein</hi> Satz läßt ſich finden mit der<lb/> Handſchrift eines Petrus, Paulus, Lukas u. ſ. w. Alles, was<lb/> wir davon haben, ſind ſpätere Kopieen. Wie iſt es nun<lb/> möglich, den Beweis zu führen, daß die Bücher des Neuen<lb/> Teſtaments von den Autoren ſtammen, deren Namen ſie tra-<lb/> gen? Das kann nur geſchehen mit Hilfe der Tradition und<lb/> der Kirche<note place="foot" n="1)">Scharfſinnige Denker, wie Leibniz und Leſſing, haben die Uner-<lb/> läßlichkeit und volle Berechtigung der kirchlichen Tradition anerkannt.</note>! Nachdem aber Luther dieſe verworfen, hatte<lb/> er ſowohl die heilige Schrift als auch das Apoſtolicum in<lb/> ihrem Fundamente erſchüttert. Wenn deshalb unter den Pro-<lb/> teſtanten ſowohl das Symbolum apoſtolicum wie die heilige<lb/> Schrift an ihrer Auktorität viel verloren haben, dann iſt dies<lb/> die unabwendbare Konſequenz von Luthers irrigem Syſtem!<lb/> Er hatte den Aſt abgeſägt, auf dem er ſaß! So wahr iſt<lb/> es, was der heil. Paulus ſagt, „die <hi rendition="#g">Kirche</hi> iſt Säule und<lb/> Grundveſte der Wahrheit<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">I</hi> Tim. 3, 15.</note>,‟ nicht die Bibel. Wenn dieſe<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0047]
ſatz von der Bibel als alleiniger Glaubensquelle mit Verwer-
fung der Tradition gefunden werden. Wie die Bibel, ſo hatte
er auch das Symbolum apoſtolicum als Glaubensregel aner-
kannt, obſchon in letzterem der Glaube an die eine heilige,
katholiſche Kirche ſeinen Ausdruck gefunden hat. Hierbei
unterlief ihm der merkwürdige Jrrtum, zu überſehen, daß die
heilige Schrift und das Symbolum apoſtolicum ſelbſt aus
der Tradition hervorgegangen ſind! Von dem apoſtoliſchen
Glaubensbekenntnis iſt der Nachweis geliefert, daß es direkt
von den Apoſteln nicht verfaßt iſt. Von den Schriften des
Neuen Teſtaments iſt ebenſowenig, ohne die Tradition,
nachzuweiſen, daß ſie von den Apoſteln ſtammen; ſämtliche
Originale fehlen. Nicht ein Satz läßt ſich finden mit der
Handſchrift eines Petrus, Paulus, Lukas u. ſ. w. Alles, was
wir davon haben, ſind ſpätere Kopieen. Wie iſt es nun
möglich, den Beweis zu führen, daß die Bücher des Neuen
Teſtaments von den Autoren ſtammen, deren Namen ſie tra-
gen? Das kann nur geſchehen mit Hilfe der Tradition und
der Kirche 1)! Nachdem aber Luther dieſe verworfen, hatte
er ſowohl die heilige Schrift als auch das Apoſtolicum in
ihrem Fundamente erſchüttert. Wenn deshalb unter den Pro-
teſtanten ſowohl das Symbolum apoſtolicum wie die heilige
Schrift an ihrer Auktorität viel verloren haben, dann iſt dies
die unabwendbare Konſequenz von Luthers irrigem Syſtem!
Er hatte den Aſt abgeſägt, auf dem er ſaß! So wahr iſt
es, was der heil. Paulus ſagt, „die Kirche iſt Säule und
Grundveſte der Wahrheit 2),‟ nicht die Bibel. Wenn dieſe
1) Scharfſinnige Denker, wie Leibniz und Leſſing, haben die Uner-
läßlichkeit und volle Berechtigung der kirchlichen Tradition anerkannt.
2) I Tim. 3, 15.
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Zitationshilfe: | Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/47>, abgerufen am 07.07.2024. |