Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.wie man einen tollen Hund totschlagen muß; schlägst du Nach diesen traurigen Erfahrungen, welche Luther mit seinem 1) Janssen, Gesch. des deutschen Volkes. II, 536.
wie man einen tollen Hund totſchlagen muß; ſchlägſt du Nach dieſen traurigen Erfahrungen, welche Luther mit ſeinem 1) Janſſen, Geſch. des deutſchen Volkes. II, 536.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="20"/> wie man einen tollen Hund totſchlagen muß; ſchlägſt du<lb/> nicht, ſo ſchlägt er dich und dein ganzes Land mit dir<note place="foot" n="1)">Janſſen, Geſch. des deutſchen Volkes. <hi rendition="#aq">II,</hi> 536.</note>.‟</p><lb/> <p>Nach dieſen traurigen Erfahrungen, welche Luther mit ſeinem<lb/> demokratiſchen Religionsſyſtem, gegründet auf „freie Forſchung‟<lb/> und Verwerfung jeglicher Autorität, in den Jahren 1520 bis<lb/> 1526 gemacht hatte (Aufſtand der Reichsritterſchaft und Bauern-<lb/> ſchaft), ſah er keine andere Rettung gegenüber der Hydra<lb/> der Sektiererei als die Appellation an das <hi rendition="#aq">brachium saecu-<lb/> lare,</hi> an die fürſtliche Gewalt. Nun erklärte er die Fürſten<lb/> zu Beſchützern und Anwälten des neuen Evangeliums oder,<lb/> wie ſich die Prediger am liebſten ausdrücken, als „Säug-<lb/> ammen‟ der jungen Kirche. Ein Widerſtreben gegen die<lb/> chriſtliche Obrigkeit in Sachen des Glaubens wird jetzt zum<lb/> Hauptverbrechen gemacht, welches mit der Todesſtrafe zu be-<lb/> legen iſt. Auf dieſen <hi rendition="#aq">codex</hi> hin wird Thomas Münzer mit<lb/> ſeinem Anhang hingerichtet, desgleichen die Anführer der Wider-<lb/> täufer in Münſter, und es kommt zu der reaktionärſten und<lb/> freiheitsmörderiſchen Formel des Staatsrechtes <hi rendition="#aq">„cuius regio,<lb/> eius religio‟.</hi> Doch welche Jnkonſequenz auf Seiten der<lb/> proteſtantiſchen Fürſten und Luthers, ihres Propheten! Was<lb/> gegen <hi rendition="#g">ihr</hi> Evangelium als todeswürdiges Verbrechen galt,<lb/> desſelben machten ſie ſich ſelber ſchuldig gegen den Kaiſer,<lb/> der gleichmäßig als Beſchirmer und Beſchützer der katholiſchen<lb/> Religion zum Schutze der Kirchengeſetze eidlich verpflichtet<lb/> war. Bei gleichen Rechtstiteln ungleiche Folgerungen: die<lb/> lutheriſchen Fürſten wurden nach unten Tyrannen und nach<lb/> oben Revolutionäre. Die angebliche „Gewiſſensfreiheit‟ des<lb/> neuen Evangeliums wurde in Gewiſſenstyrannei verwandelt,<lb/> ſeitdem 1554 auf der Verſammlung lutheriſcher Theologen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0032]
wie man einen tollen Hund totſchlagen muß; ſchlägſt du
nicht, ſo ſchlägt er dich und dein ganzes Land mit dir 1).‟
Nach dieſen traurigen Erfahrungen, welche Luther mit ſeinem
demokratiſchen Religionsſyſtem, gegründet auf „freie Forſchung‟
und Verwerfung jeglicher Autorität, in den Jahren 1520 bis
1526 gemacht hatte (Aufſtand der Reichsritterſchaft und Bauern-
ſchaft), ſah er keine andere Rettung gegenüber der Hydra
der Sektiererei als die Appellation an das brachium saecu-
lare, an die fürſtliche Gewalt. Nun erklärte er die Fürſten
zu Beſchützern und Anwälten des neuen Evangeliums oder,
wie ſich die Prediger am liebſten ausdrücken, als „Säug-
ammen‟ der jungen Kirche. Ein Widerſtreben gegen die
chriſtliche Obrigkeit in Sachen des Glaubens wird jetzt zum
Hauptverbrechen gemacht, welches mit der Todesſtrafe zu be-
legen iſt. Auf dieſen codex hin wird Thomas Münzer mit
ſeinem Anhang hingerichtet, desgleichen die Anführer der Wider-
täufer in Münſter, und es kommt zu der reaktionärſten und
freiheitsmörderiſchen Formel des Staatsrechtes „cuius regio,
eius religio‟. Doch welche Jnkonſequenz auf Seiten der
proteſtantiſchen Fürſten und Luthers, ihres Propheten! Was
gegen ihr Evangelium als todeswürdiges Verbrechen galt,
desſelben machten ſie ſich ſelber ſchuldig gegen den Kaiſer,
der gleichmäßig als Beſchirmer und Beſchützer der katholiſchen
Religion zum Schutze der Kirchengeſetze eidlich verpflichtet
war. Bei gleichen Rechtstiteln ungleiche Folgerungen: die
lutheriſchen Fürſten wurden nach unten Tyrannen und nach
oben Revolutionäre. Die angebliche „Gewiſſensfreiheit‟ des
neuen Evangeliums wurde in Gewiſſenstyrannei verwandelt,
ſeitdem 1554 auf der Verſammlung lutheriſcher Theologen
1) Janſſen, Geſch. des deutſchen Volkes. II, 536.
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