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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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vielmehr der tonangebende Lehrmeister seiner Schüler und
Epigonen. Männern, wie Thümmel, Beyschlag, Kremers,
Nippold etc. kann man die gleiche Entschuldigung als Milde-
rungsgrund nicht zuerkennen, wenn sie bezüglich ihrer Sprache
in die Fußtapfen Luthers eintreten und ihre Kraftausdrücke
aus Luthers Sprachschatz borgen. Daß nun die gewaltigen
Hetzreden gegen weltliche und geistliche Obrigkeiten, wie sie
Luther so viele Jahre hindurch geübt hat, zum Aufruhr
und Störung der kirchlichen und weltlichen Ordnung führen
müsse, war ihm selbst nicht unbekannt. So schrieb er z. B.
an Spalatin: "Jch beschöre Dich, wenn Du richtig vom
Evangelium denkst, so glaube doch nicht, daß die Sache könne
getrieben werden ohne Tumult, Skandal und Aufruhr."
Auch Melanchthon war derselben Überzeugung. Er schreibt:
"Der englische Tyrann (Heinrich VIII.) hat getötet und Ehe-
bruch getrieben. Wie richtig heißt es doch in der Tra-
gödie: ""Kein angenehmeres Opfer kann Gott dargebracht
werde als das eines Tyrannen."" Möge doch Gott irgend
einem tapferen Mann diesen Geist eingeben1)." Denn die
Freiheit, die das Evangelium gewähre, beziehe sich auf jeg-
liches Gesetz, wie Luther meinte und das sei der wahre
Triumph des Evangeliums, daß man durch dasselbe selig
werde ohne gute Werke, ohne Gehorsam gegen göttliche und
menschliche Gesetze und trotz aller Sünden und Laster; es
genüge das Deckmäntelchen vom Glauben allein. Niemals
seit die Welt besteht, ist ein so vollkommener Ablaß von Sün-
den
gewährt worden, als durch Martin Luther2). Wir wer-

1) Janssen, Geschichte des deutschen Volkes, Bd. III. p. 435
(13. Auflage.)
2) Kein Wunder, daß Luther mehr Zulauf hatte und mehr An-
hang fand als Tetzel; dieser verlangte Buße und Opfer für seinen Ab-

vielmehr der tonangebende Lehrmeiſter ſeiner Schüler und
Epigonen. Männern, wie Thümmel, Beyſchlag, Kremers,
Nippold ꝛc. kann man die gleiche Entſchuldigung als Milde-
rungsgrund nicht zuerkennen, wenn ſie bezüglich ihrer Sprache
in die Fußtapfen Luthers eintreten und ihre Kraftausdrücke
aus Luthers Sprachſchatz borgen. Daß nun die gewaltigen
Hetzreden gegen weltliche und geiſtliche Obrigkeiten, wie ſie
Luther ſo viele Jahre hindurch geübt hat, zum Aufruhr
und Störung der kirchlichen und weltlichen Ordnung führen
müſſe, war ihm ſelbſt nicht unbekannt. So ſchrieb er z. B.
an Spalatin: „Jch beſchöre Dich, wenn Du richtig vom
Evangelium denkſt, ſo glaube doch nicht, daß die Sache könne
getrieben werden ohne Tumult, Skandal und Aufruhr.‟
Auch Melanchthon war derſelben Überzeugung. Er ſchreibt:
„Der engliſche Tyrann (Heinrich VIII.) hat getötet und Ehe-
bruch getrieben. Wie richtig heißt es doch in der Tra-
gödie: „„Kein angenehmeres Opfer kann Gott dargebracht
werde als das eines Tyrannen.‟‟ Möge doch Gott irgend
einem tapferen Mann dieſen Geiſt eingeben1).‟ Denn die
Freiheit, die das Evangelium gewähre, beziehe ſich auf jeg-
liches Geſetz, wie Luther meinte und das ſei der wahre
Triumph des Evangeliums, daß man durch dasſelbe ſelig
werde ohne gute Werke, ohne Gehorſam gegen göttliche und
menſchliche Geſetze und trotz aller Sünden und Laſter; es
genüge das Deckmäntelchen vom Glauben allein. Niemals
ſeit die Welt beſteht, iſt ein ſo vollkommener Ablaß von Sün-
den
gewährt worden, als durch Martin Luther2). Wir wer-

1) Janſſen, Geſchichte des deutſchen Volkes, Bd. III. p. 435
(13. Auflage.)
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hang fand als Tetzel; dieſer verlangte Buße und Opfer für ſeinen Ab-
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[10/0022] vielmehr der tonangebende Lehrmeiſter ſeiner Schüler und Epigonen. Männern, wie Thümmel, Beyſchlag, Kremers, Nippold ꝛc. kann man die gleiche Entſchuldigung als Milde- rungsgrund nicht zuerkennen, wenn ſie bezüglich ihrer Sprache in die Fußtapfen Luthers eintreten und ihre Kraftausdrücke aus Luthers Sprachſchatz borgen. Daß nun die gewaltigen Hetzreden gegen weltliche und geiſtliche Obrigkeiten, wie ſie Luther ſo viele Jahre hindurch geübt hat, zum Aufruhr und Störung der kirchlichen und weltlichen Ordnung führen müſſe, war ihm ſelbſt nicht unbekannt. So ſchrieb er z. B. an Spalatin: „Jch beſchöre Dich, wenn Du richtig vom Evangelium denkſt, ſo glaube doch nicht, daß die Sache könne getrieben werden ohne Tumult, Skandal und Aufruhr.‟ Auch Melanchthon war derſelben Überzeugung. Er ſchreibt: „Der engliſche Tyrann (Heinrich VIII.) hat getötet und Ehe- bruch getrieben. Wie richtig heißt es doch in der Tra- gödie: „„Kein angenehmeres Opfer kann Gott dargebracht werde als das eines Tyrannen.‟‟ Möge doch Gott irgend einem tapferen Mann dieſen Geiſt eingeben 1).‟ Denn die Freiheit, die das Evangelium gewähre, beziehe ſich auf jeg- liches Geſetz, wie Luther meinte und das ſei der wahre Triumph des Evangeliums, daß man durch dasſelbe ſelig werde ohne gute Werke, ohne Gehorſam gegen göttliche und menſchliche Geſetze und trotz aller Sünden und Laſter; es genüge das Deckmäntelchen vom Glauben allein. Niemals ſeit die Welt beſteht, iſt ein ſo vollkommener Ablaß von Sün- den gewährt worden, als durch Martin Luther 2). Wir wer- 1) Janſſen, Geſchichte des deutſchen Volkes, Bd. III. p. 435 (13. Auflage.) 2) Kein Wunder, daß Luther mehr Zulauf hatte und mehr An- hang fand als Tetzel; dieſer verlangte Buße und Opfer für ſeinen Ab-

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/22>, abgerufen am 21.11.2024.