Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844.Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Administrator, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereigniß nicht so entsetzlich gerührt, daß er selbst an dem Begräbnißtage nicht ein vortrefflicher Geschäftsmann gewesen wäre und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel gefeiert hätte. Die Erwähnung von Marley's Begräbnißtag bringt mich zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung wieder zurück. Es ist ganz unzweifelhaft, daß Marley todt war. Das muß scharf ins Auge gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich eben erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest überzeugt wären, daß Hamlet's Vater todt ist, ehe das Stück beginnt, würde durchaus nichts Merkwürdiges in seinem nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eignen Schlosses sein. Nicht mehr, als bei jedem andern Herrn in mittlen Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platze, z. B. St. Pauls Kirchhof, entschließt. Scrooge ließ Marley's Namen nicht ausstreichen. Noch nach Jahren stand über der Thür des Speichers "Scrooge und Marley". Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Zuweilen nannten Leute, die ihn noch nicht kannten, Scrooge Scrooge und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es war ihm ganz gleich. O, er war ein wahrer Blutsauger, der Scrooge! Ein gieriger, Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Administrator, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereigniß nicht so entsetzlich gerührt, daß er selbst an dem Begräbnißtage nicht ein vortrefflicher Geschäftsmann gewesen wäre und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel gefeiert hätte. Die Erwähnung von Marley’s Begräbnißtag bringt mich zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung wieder zurück. Es ist ganz unzweifelhaft, daß Marley todt war. Das muß scharf ins Auge gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich eben erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest überzeugt wären, daß Hamlet’s Vater todt ist, ehe das Stück beginnt, würde durchaus nichts Merkwürdiges in seinem nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eignen Schlosses sein. Nicht mehr, als bei jedem andern Herrn in mittlen Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platze, z. B. St. Pauls Kirchhof, entschließt. Scrooge ließ Marley’s Namen nicht ausstreichen. Noch nach Jahren stand über der Thür des Speichers „Scrooge und Marley“. Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Zuweilen nannten Leute, die ihn noch nicht kannten, Scrooge Scrooge und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es war ihm ganz gleich. O, er war ein wahrer Blutsauger, der Scrooge! Ein gieriger, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/> Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Administrator, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereigniß nicht so entsetzlich gerührt, daß er selbst an dem Begräbnißtage nicht ein vortrefflicher Geschäftsmann gewesen wäre und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel gefeiert hätte.</p> <p>Die Erwähnung von Marley’s Begräbnißtag bringt mich zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung wieder zurück. Es ist ganz unzweifelhaft, daß Marley todt war. Das muß scharf ins Auge gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich eben erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest überzeugt wären, daß Hamlet’s Vater todt ist, ehe das Stück beginnt, würde durchaus nichts Merkwürdiges in seinem nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eignen Schlosses sein. Nicht mehr, als bei jedem andern Herrn in mittlen Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platze, z. B. St. Pauls Kirchhof, entschließt.</p> <p>Scrooge ließ Marley’s Namen nicht ausstreichen. Noch nach Jahren stand über der Thür des Speichers „Scrooge und Marley“. Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Zuweilen nannten Leute, die ihn noch nicht kannten, Scrooge Scrooge und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es war ihm ganz gleich.</p> <p>O, er war ein wahrer Blutsauger, der Scrooge! Ein gieriger, </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Administrator, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereigniß nicht so entsetzlich gerührt, daß er selbst an dem Begräbnißtage nicht ein vortrefflicher Geschäftsmann gewesen wäre und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel gefeiert hätte.
Die Erwähnung von Marley’s Begräbnißtag bringt mich zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung wieder zurück. Es ist ganz unzweifelhaft, daß Marley todt war. Das muß scharf ins Auge gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich eben erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest überzeugt wären, daß Hamlet’s Vater todt ist, ehe das Stück beginnt, würde durchaus nichts Merkwürdiges in seinem nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eignen Schlosses sein. Nicht mehr, als bei jedem andern Herrn in mittlen Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platze, z. B. St. Pauls Kirchhof, entschließt.
Scrooge ließ Marley’s Namen nicht ausstreichen. Noch nach Jahren stand über der Thür des Speichers „Scrooge und Marley“. Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Zuweilen nannten Leute, die ihn noch nicht kannten, Scrooge Scrooge und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es war ihm ganz gleich.
O, er war ein wahrer Blutsauger, der Scrooge! Ein gieriger,
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Zitationshilfe: | Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844/6>, abgerufen am 16.07.2024. |