Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sieben Jahr todt," sagte sinnend Scrooge. "Und die ganze Zeit über gereist."

"Die ganze Zeit," sagte der Geist. "Ohne Frieden, ohne Ruhe und mit den Qualen ewiger Reue."

"Du reisest schnell," sagte Scrooge.

"Auf den Schwingen des Windes," sagte der Geist.

"Du hättest eine große Strecke in sieben Jahren bereisen können," sagte Scrooge.

Als der Geist dies hörte, stieß er wieder einen Schrei aus und klirrte so gräßlich mit seiner Kette durch das Grabesschweigen der Nacht, daß ihn die Polizei mit vollem Rechte wegen Ruhestörung hätte bestrafen können.

"O, gefangen und gefesselt," rief das Gespenst, "nicht zu wissen, daß Zeitalter von unaufhörlicher Arbeit sterblicher Geschöpfe vergehen, ehe das Gute, dessen die Erde fähig ist, sich entwickeln kann; nicht zu wissen, daß ein christlicher Geist, und wenn er auch in einem noch so kleinen Kreise von Liebe wirkt, in diesem Erdenleben sich selbst belohnende Arbeit genug finden kann! Aber ich wußte es nicht, ach, ich wußte es nicht!"

"Aber Du warst immer ein guter Geschäftsmann, Jacob," stotterte Scrooge zitternd, der jetzt anfing, das Schicksal des Geistes auf sich selbst anzuwenden.

"Geschäft!" rief das Gespenst, seine Hände abermals ringend. "Der Mensch war mein Geschäft. Das allgemeine Wohlsein war mein Geschäft; Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit und Liebe, alles das war mein Geschäft. Alles,

„Sieben Jahr todt,“ sagte sinnend Scrooge. „Und die ganze Zeit über gereist.“

„Die ganze Zeit,“ sagte der Geist. „Ohne Frieden, ohne Ruhe und mit den Qualen ewiger Reue.“

„Du reisest schnell,“ sagte Scrooge.

„Auf den Schwingen des Windes,“ sagte der Geist.

„Du hättest eine große Strecke in sieben Jahren bereisen können,“ sagte Scrooge.

Als der Geist dies hörte, stieß er wieder einen Schrei aus und klirrte so gräßlich mit seiner Kette durch das Grabesschweigen der Nacht, daß ihn die Polizei mit vollem Rechte wegen Ruhestörung hätte bestrafen können.

„O, gefangen und gefesselt,“ rief das Gespenst, „nicht zu wissen, daß Zeitalter von unaufhörlicher Arbeit sterblicher Geschöpfe vergehen, ehe das Gute, dessen die Erde fähig ist, sich entwickeln kann; nicht zu wissen, daß ein christlicher Geist, und wenn er auch in einem noch so kleinen Kreise von Liebe wirkt, in diesem Erdenleben sich selbst belohnende Arbeit genug finden kann! Aber ich wußte es nicht, ach, ich wußte es nicht!“

„Aber Du warst immer ein guter Geschäftsmann, Jacob,“ stotterte Scrooge zitternd, der jetzt anfing, das Schicksal des Geistes auf sich selbst anzuwenden.

„Geschäft!“ rief das Gespenst, seine Hände abermals ringend. „Der Mensch war mein Geschäft. Das allgemeine Wohlsein war mein Geschäft; Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit und Liebe, alles das war mein Geschäft. Alles,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0030" n="30"/>
        <p>&#x201E;Sieben Jahr todt,&#x201C; sagte sinnend Scrooge. &#x201E;Und die ganze Zeit über gereist.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Die ganze Zeit,&#x201C; sagte der Geist. &#x201E;Ohne Frieden, ohne Ruhe und mit den Qualen ewiger Reue.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Du reisest schnell,&#x201C; sagte Scrooge.</p>
        <p>&#x201E;Auf den Schwingen des Windes,&#x201C; sagte der Geist.</p>
        <p>&#x201E;Du hättest eine große Strecke in sieben Jahren bereisen können,&#x201C; sagte Scrooge.</p>
        <p>Als der Geist dies hörte, stieß er wieder einen Schrei aus und klirrte so gräßlich mit seiner Kette durch das Grabesschweigen der Nacht, daß ihn die Polizei mit vollem Rechte wegen Ruhestörung hätte bestrafen können.</p>
        <p>&#x201E;O, gefangen und gefesselt,&#x201C; rief das Gespenst, &#x201E;nicht zu wissen, daß Zeitalter von unaufhörlicher Arbeit sterblicher Geschöpfe vergehen, ehe das Gute, dessen die Erde fähig ist, sich entwickeln kann; nicht zu wissen, daß ein christlicher Geist, und wenn er auch in einem noch so kleinen Kreise von Liebe wirkt, in diesem Erdenleben sich selbst belohnende Arbeit genug finden kann! Aber ich wußte es nicht, ach, ich wußte es nicht!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber Du warst immer ein guter Geschäftsmann, Jacob,&#x201C; stotterte Scrooge zitternd, der jetzt anfing, das Schicksal des Geistes auf sich selbst anzuwenden.</p>
        <p>&#x201E;Geschäft!&#x201C; rief das Gespenst, seine Hände abermals ringend. &#x201E;Der Mensch war mein Geschäft. Das allgemeine Wohlsein war mein Geschäft; Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit und Liebe, alles das war mein Geschäft. Alles,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0030] „Sieben Jahr todt,“ sagte sinnend Scrooge. „Und die ganze Zeit über gereist.“ „Die ganze Zeit,“ sagte der Geist. „Ohne Frieden, ohne Ruhe und mit den Qualen ewiger Reue.“ „Du reisest schnell,“ sagte Scrooge. „Auf den Schwingen des Windes,“ sagte der Geist. „Du hättest eine große Strecke in sieben Jahren bereisen können,“ sagte Scrooge. Als der Geist dies hörte, stieß er wieder einen Schrei aus und klirrte so gräßlich mit seiner Kette durch das Grabesschweigen der Nacht, daß ihn die Polizei mit vollem Rechte wegen Ruhestörung hätte bestrafen können. „O, gefangen und gefesselt,“ rief das Gespenst, „nicht zu wissen, daß Zeitalter von unaufhörlicher Arbeit sterblicher Geschöpfe vergehen, ehe das Gute, dessen die Erde fähig ist, sich entwickeln kann; nicht zu wissen, daß ein christlicher Geist, und wenn er auch in einem noch so kleinen Kreise von Liebe wirkt, in diesem Erdenleben sich selbst belohnende Arbeit genug finden kann! Aber ich wußte es nicht, ach, ich wußte es nicht!“ „Aber Du warst immer ein guter Geschäftsmann, Jacob,“ stotterte Scrooge zitternd, der jetzt anfing, das Schicksal des Geistes auf sich selbst anzuwenden. „Geschäft!“ rief das Gespenst, seine Hände abermals ringend. „Der Mensch war mein Geschäft. Das allgemeine Wohlsein war mein Geschäft; Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit und Liebe, alles das war mein Geschäft. Alles,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-27T08:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-27T08:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-27T08:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844/30
Zitationshilfe: Dickens, Charles: Der Weihnachtsabend (Übers. Edward Aubrey Moriarty). Leipzig, 1844, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dickens_weihnachtsabend_1844/30>, abgerufen am 28.04.2024.