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Déry, Juliane: Selige Liebe. In: Neue Deutsche Rundschau, VII. Jahrgang, S. 352-359. Berlin, 1896.

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Wir sind immer anderswo, wir sind immer anders, die Liebe gefällt sich in solchen Schelmenstreichen.

Was doch Sonne, Berg und Thal aus uns nicht alles machen können!

Weisst du noch am Felsenvorsprung unten am Fluss, von Buchenzweigen überdacht?

Drüben grüsst das stille Ufer mit dem schimmernden Kies. In heller Sonne liegt der Wasserspiegel, von Hügelketten eingesäumt. Blaue Berge rücken näher, ihn abzuschliessen von der Welt, dass er aussieht wie ein langer See.

Dort liegen wir und halten uns umschlungen. Goldig üppig glüht das Buschwerk, sonnenweiss der hohe Himmel. Ein Wölkchen kommt herangeschwebt, hockt sich hin und rührt sich nicht mehr. Kein Blatt regt sich. Der Wald ist stumm. Die Bäume wissen nichts von einander. Träge Freude brütet in allem und das Gefühl unendlich warmer Einsamkeit.

Das Wasser umspült den Stein, auf dem wir ruhn. Wir blicken auf den Grund, wie durch hellgrünes Glas. Mit halbgeschlossenen Augen belauschen wir den Strom. Die Wellen kommen und gehn, eine nach der andern, eine wie die andere, glatt und glänzend, wie gemeisselt, und plätschern weiche Schlummerlieder. Stille. Rauschende Stille.

Erstaunt blickst du mich an. "Bist du denn ein Seeweib?" fragst du und ich heisse dich meinen Nereus. Wir lachen. Es ist wie ein Bild von Böcklin.

* * *

Und ich seufze: "O könnte diese Stunde nicht hundert Jahre währen?"

Dir ist das nicht genug. Du bist beleidigt, weil ich so bescheiden.

Also tausend Jahre meinetwegen, Millionen Jahre! Nicht trennen möchte ich mich von dieser Stunde in aller Ewigkeit!

* * *

Ach, ist das ein Sommertag! Es flimmert uns vor den Augen. Die Luft reflektirt die Farben des Himmels und der Blumen und wie wir über die Wiese gehn. - Sieh den flammenden Strich am Himmel, wie eine leuchtende Saite! Eine Feuerlinie auf Sonnenscheingrund! Hat man je sowas gesehn?

Ein Telegraphendraht ists, wahrhaftig! Die Sonne zündet alles an. Das funkelt wie ein Blitzesfaden. -

Wie ist doch die Welt so schön! Es giebt nichts Schöneres, als diese Welt!

* * *

Kennt Ihr die Zauberbuche?

Vor der Stadt, jenseits der Wiese, rechts vom Wald, wo der Bach sich schlängelt. -

Bei Vollmond rate ich euch hinzugehn. Dann hat die Buche silberne Blätter und einen Mondscheinschleier. Wir sind eingehüllt in Licht und Glück.

Die Zweige neigen sich über uns, vom Wind zärtlich bewegt. Welch eine Musik von heimlichem Klingen und Singen! Der alte Baum von der Wurzel bis zum Wipfel schüttelt sich und lacht so spöttisch priesterhaft, als wollte er sagen: Da habt Ihr meinen Segen, Ihr phantastischen Kinder, Ihr!

Und mit tausend Flügeln umschwirrt uns das Glück.

* * *

Sommerschein bedeckt den See, dass man kaum ein Wellchen sieht. Eine Möve schwebt darüber hin, wie ein lichter Sonnenpunkt.

Und wir lösen den Kahn.

Was ist das im nahen Schilf für ein Geflatter und Geschnatter? Wildenten fliegen auf und kreischen bei jedem Ruderschlage.

Wir sind immer anderswo, wir sind immer anders, die Liebe gefällt sich in solchen Schelmenstreichen.

Was doch Sonne, Berg und Thal aus uns nicht alles machen können!

Weisst du noch am Felsenvorsprung unten am Fluss, von Buchenzweigen überdacht?

Drüben grüsst das stille Ufer mit dem schimmernden Kies. In heller Sonne liegt der Wasserspiegel, von Hügelketten eingesäumt. Blaue Berge rücken näher, ihn abzuschliessen von der Welt, dass er aussieht wie ein langer See.

Dort liegen wir und halten uns umschlungen. Goldig üppig glüht das Buschwerk, sonnenweiss der hohe Himmel. Ein Wölkchen kommt herangeschwebt, hockt sich hin und rührt sich nicht mehr. Kein Blatt regt sich. Der Wald ist stumm. Die Bäume wissen nichts von einander. Träge Freude brütet in allem und das Gefühl unendlich warmer Einsamkeit.

Das Wasser umspült den Stein, auf dem wir ruhn. Wir blicken auf den Grund, wie durch hellgrünes Glas. Mit halbgeschlossenen Augen belauschen wir den Strom. Die Wellen kommen und gehn, eine nach der andern, eine wie die andere, glatt und glänzend, wie gemeisselt, und plätschern weiche Schlummerlieder. Stille. Rauschende Stille.

Erstaunt blickst du mich an. „Bist du denn ein Seeweib?“ fragst du und ich heisse dich meinen Nereus. Wir lachen. Es ist wie ein Bild von Böcklin.

* * *

Und ich seufze: „O könnte diese Stunde nicht hundert Jahre währen?“

Dir ist das nicht genug. Du bist beleidigt, weil ich so bescheiden.

Also tausend Jahre meinetwegen, Millionen Jahre! Nicht trennen möchte ich mich von dieser Stunde in aller Ewigkeit!

* * *

Ach, ist das ein Sommertag! Es flimmert uns vor den Augen. Die Luft reflektirt die Farben des Himmels und der Blumen und wie wir über die Wiese gehn. – Sieh den flammenden Strich am Himmel, wie eine leuchtende Saite! Eine Feuerlinie auf Sonnenscheingrund! Hat man je sowas gesehn?

Ein Telegraphendraht ists, wahrhaftig! Die Sonne zündet alles an. Das funkelt wie ein Blitzesfaden. –

Wie ist doch die Welt so schön! Es giebt nichts Schöneres, als diese Welt!

* * *

Kennt Ihr die Zauberbuche?

Vor der Stadt, jenseits der Wiese, rechts vom Wald, wo der Bach sich schlängelt. –

Bei Vollmond rate ich euch hinzugehn. Dann hat die Buche silberne Blätter und einen Mondscheinschleier. Wir sind eingehüllt in Licht und Glück.

Die Zweige neigen sich über uns, vom Wind zärtlich bewegt. Welch eine Musik von heimlichem Klingen und Singen! Der alte Baum von der Wurzel bis zum Wipfel schüttelt sich und lacht so spöttisch priesterhaft, als wollte er sagen: Da habt Ihr meinen Segen, Ihr phantastischen Kinder, Ihr!

Und mit tausend Flügeln umschwirrt uns das Glück.

* * *

Sommerschein bedeckt den See, dass man kaum ein Wellchen sieht. Eine Möve schwebt darüber hin, wie ein lichter Sonnenpunkt.

Und wir lösen den Kahn.

Was ist das im nahen Schilf für ein Geflatter und Geschnatter? Wildenten fliegen auf und kreischen bei jedem Ruderschlage.

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        <p>Dort liegen wir und halten uns umschlungen. Goldig üppig glüht das Buschwerk, sonnenweiss der hohe Himmel. Ein Wölkchen kommt herangeschwebt, hockt sich hin und rührt sich nicht mehr. Kein Blatt regt sich. Der Wald ist stumm. Die Bäume wissen nichts von einander. Träge Freude brütet in allem und das Gefühl unendlich warmer Einsamkeit.</p>
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[355/0004] Wir sind immer anderswo, wir sind immer anders, die Liebe gefällt sich in solchen Schelmenstreichen. Was doch Sonne, Berg und Thal aus uns nicht alles machen können! Weisst du noch am Felsenvorsprung unten am Fluss, von Buchenzweigen überdacht? Drüben grüsst das stille Ufer mit dem schimmernden Kies. In heller Sonne liegt der Wasserspiegel, von Hügelketten eingesäumt. Blaue Berge rücken näher, ihn abzuschliessen von der Welt, dass er aussieht wie ein langer See. Dort liegen wir und halten uns umschlungen. Goldig üppig glüht das Buschwerk, sonnenweiss der hohe Himmel. Ein Wölkchen kommt herangeschwebt, hockt sich hin und rührt sich nicht mehr. Kein Blatt regt sich. Der Wald ist stumm. Die Bäume wissen nichts von einander. Träge Freude brütet in allem und das Gefühl unendlich warmer Einsamkeit. Das Wasser umspült den Stein, auf dem wir ruhn. Wir blicken auf den Grund, wie durch hellgrünes Glas. Mit halbgeschlossenen Augen belauschen wir den Strom. Die Wellen kommen und gehn, eine nach der andern, eine wie die andere, glatt und glänzend, wie gemeisselt, und plätschern weiche Schlummerlieder. Stille. Rauschende Stille. Erstaunt blickst du mich an. „Bist du denn ein Seeweib?“ fragst du und ich heisse dich meinen Nereus. Wir lachen. Es ist wie ein Bild von Böcklin. * * * Und ich seufze: „O könnte diese Stunde nicht hundert Jahre währen?“ Dir ist das nicht genug. Du bist beleidigt, weil ich so bescheiden. Also tausend Jahre meinetwegen, Millionen Jahre! Nicht trennen möchte ich mich von dieser Stunde in aller Ewigkeit! * * * Ach, ist das ein Sommertag! Es flimmert uns vor den Augen. Die Luft reflektirt die Farben des Himmels und der Blumen und wie wir über die Wiese gehn. – Sieh den flammenden Strich am Himmel, wie eine leuchtende Saite! Eine Feuerlinie auf Sonnenscheingrund! Hat man je sowas gesehn? Ein Telegraphendraht ists, wahrhaftig! Die Sonne zündet alles an. Das funkelt wie ein Blitzesfaden. – Wie ist doch die Welt so schön! Es giebt nichts Schöneres, als diese Welt! * * * Kennt Ihr die Zauberbuche? Vor der Stadt, jenseits der Wiese, rechts vom Wald, wo der Bach sich schlängelt. – Bei Vollmond rate ich euch hinzugehn. Dann hat die Buche silberne Blätter und einen Mondscheinschleier. Wir sind eingehüllt in Licht und Glück. Die Zweige neigen sich über uns, vom Wind zärtlich bewegt. Welch eine Musik von heimlichem Klingen und Singen! Der alte Baum von der Wurzel bis zum Wipfel schüttelt sich und lacht so spöttisch priesterhaft, als wollte er sagen: Da habt Ihr meinen Segen, Ihr phantastischen Kinder, Ihr! Und mit tausend Flügeln umschwirrt uns das Glück. * * * Sommerschein bedeckt den See, dass man kaum ein Wellchen sieht. Eine Möve schwebt darüber hin, wie ein lichter Sonnenpunkt. Und wir lösen den Kahn. Was ist das im nahen Schilf für ein Geflatter und Geschnatter? Wildenten fliegen auf und kreischen bei jedem Ruderschlage.

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Zitationshilfe: Déry, Juliane: Selige Liebe. In: Neue Deutsche Rundschau, VII. Jahrgang, S. 352-359. Berlin, 1896, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dery_liebe_1896/4>, abgerufen am 03.12.2024.