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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Denkmalschutz und Denkmalpflege
nahm der Historiker Guizot auf. Minister des Julikönigtums ge-
worden, ließ er die Errichtung einer Generalinspektion der Denk-
mäler eine seiner ersten Taten sein, im Jahre 1830 noch. Erster
Inhaber dieses Amtes war der Historiker Vitet, ihm folgte bald in
langer fruchtbarer Amtszeit Prosper Merimee. Der Ursprung der
Denkmalpflege aus dem Kreise der Literaten und Gelehrten liegt
hier in unmittelbarer Deutlichkeit vor Augen; die Heranziehung
der Künstlerwelt ist erst eine jüngere Folgeerscheinung.

Sehr bald aber wurde Frankreich überflügelt, theoretisch
wenigstens, vom jüngsten der europäischen Staaten, von Griechen-
land. Am 10. Mai 1834 erschien hier ein umfangreiches Gesetz,
das ebenso durch den sorgfältig durchdachten Ausführungsapparat,
den es anordnet, als durch den kühnen Idealismus seines Grund-
gedankens überrascht: -- die Gesamtheit beweglicher und unbe-
weglicher Altertümer erklärt es für Nationaleigentum aller Hellenen,
wofern nicht auf dem Wege eines besonderen Verfahrens die Un-
erheblichkeit einzelner Gegenstände amtlich ausgesprochen ist. Der
Verfasser war ein deutscher Professor, Ludwig Maurer. Was die
neuen Hellenen damit praktisch angefangen haben, ist natürlich
eine andere Frage.

Hinter dem hier aufgestellten Ideale blieb das alte Europa
weit zurück. Ich habe schon angedeutet, aus welchen Gründen.
England hat auf einen staatlichen Denkmalschutz verzichtet bis
heute; es gibt ein Gesetz von 1873, das faßt aber nur die kleine
Gruppe der sog. megalythischen Denkmäler der Urzeit ins Auge,
läßt also das Hauptproblem ungelöst. Die festländischen Staaten
halfen sich mit vereinzelten Verordnungen auf dem Verwaltungs-
wege, oft auch nur aus polizeilichen und fiskalischen Motiven. Was
damit erreicht wurde, war ein keineswegs zu unterschätzender
Fortschritt gegen den grundsätzlich freigegebenen Vandalismus
früherer Zeiten, im ganzen aber sind es doch nur Abschlagszahlungen
und Kompromisse. Vor einer Regelung durch Gesetz scheute man
lange zurück. Sie ist zuerst versucht worden, abgesehen von
Griechenland, in Schweden 1867, wo von Gustav Adolf her eine
besonders denkmalfreundliche Tradition sich erhalten hatte. Da-
nach in Frankreich 1887. In Deutschland zuerst im Großherzog

Denkmalschutz und Denkmalpflege
nahm der Historiker Guizot auf. Minister des Julikönigtums ge-
worden, ließ er die Errichtung einer Generalinspektion der Denk-
mäler eine seiner ersten Taten sein, im Jahre 1830 noch. Erster
Inhaber dieses Amtes war der Historiker Vitet, ihm folgte bald in
langer fruchtbarer Amtszeit Prosper Mérimée. Der Ursprung der
Denkmalpflege aus dem Kreise der Literaten und Gelehrten liegt
hier in unmittelbarer Deutlichkeit vor Augen; die Heranziehung
der Künstlerwelt ist erst eine jüngere Folgeerscheinung.

Sehr bald aber wurde Frankreich überflügelt, theoretisch
wenigstens, vom jüngsten der europäischen Staaten, von Griechen-
land. Am 10. Mai 1834 erschien hier ein umfangreiches Gesetz,
das ebenso durch den sorgfältig durchdachten Ausführungsapparat,
den es anordnet, als durch den kühnen Idealismus seines Grund-
gedankens überrascht: — die Gesamtheit beweglicher und unbe-
weglicher Altertümer erklärt es für Nationaleigentum aller Hellenen,
wofern nicht auf dem Wege eines besonderen Verfahrens die Un-
erheblichkeit einzelner Gegenstände amtlich ausgesprochen ist. Der
Verfasser war ein deutscher Professor, Ludwig Maurer. Was die
neuen Hellenen damit praktisch angefangen haben, ist natürlich
eine andere Frage.

Hinter dem hier aufgestellten Ideale blieb das alte Europa
weit zurück. Ich habe schon angedeutet, aus welchen Gründen.
England hat auf einen staatlichen Denkmalschutz verzichtet bis
heute; es gibt ein Gesetz von 1873, das faßt aber nur die kleine
Gruppe der sog. megalythischen Denkmäler der Urzeit ins Auge,
läßt also das Hauptproblem ungelöst. Die festländischen Staaten
halfen sich mit vereinzelten Verordnungen auf dem Verwaltungs-
wege, oft auch nur aus polizeilichen und fiskalischen Motiven. Was
damit erreicht wurde, war ein keineswegs zu unterschätzender
Fortschritt gegen den grundsätzlich freigegebenen Vandalismus
früherer Zeiten, im ganzen aber sind es doch nur Abschlagszahlungen
und Kompromisse. Vor einer Regelung durch Gesetz scheute man
lange zurück. Sie ist zuerst versucht worden, abgesehen von
Griechenland, in Schweden 1867, wo von Gustav Adolf her eine
besonders denkmalfreundliche Tradition sich erhalten hatte. Da-
nach in Frankreich 1887. In Deutschland zuerst im Großherzog

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[271/0333] Denkmalschutz und Denkmalpflege nahm der Historiker Guizot auf. Minister des Julikönigtums ge- worden, ließ er die Errichtung einer Generalinspektion der Denk- mäler eine seiner ersten Taten sein, im Jahre 1830 noch. Erster Inhaber dieses Amtes war der Historiker Vitet, ihm folgte bald in langer fruchtbarer Amtszeit Prosper Mérimée. Der Ursprung der Denkmalpflege aus dem Kreise der Literaten und Gelehrten liegt hier in unmittelbarer Deutlichkeit vor Augen; die Heranziehung der Künstlerwelt ist erst eine jüngere Folgeerscheinung. Sehr bald aber wurde Frankreich überflügelt, theoretisch wenigstens, vom jüngsten der europäischen Staaten, von Griechen- land. Am 10. Mai 1834 erschien hier ein umfangreiches Gesetz, das ebenso durch den sorgfältig durchdachten Ausführungsapparat, den es anordnet, als durch den kühnen Idealismus seines Grund- gedankens überrascht: — die Gesamtheit beweglicher und unbe- weglicher Altertümer erklärt es für Nationaleigentum aller Hellenen, wofern nicht auf dem Wege eines besonderen Verfahrens die Un- erheblichkeit einzelner Gegenstände amtlich ausgesprochen ist. Der Verfasser war ein deutscher Professor, Ludwig Maurer. Was die neuen Hellenen damit praktisch angefangen haben, ist natürlich eine andere Frage. Hinter dem hier aufgestellten Ideale blieb das alte Europa weit zurück. Ich habe schon angedeutet, aus welchen Gründen. England hat auf einen staatlichen Denkmalschutz verzichtet bis heute; es gibt ein Gesetz von 1873, das faßt aber nur die kleine Gruppe der sog. megalythischen Denkmäler der Urzeit ins Auge, läßt also das Hauptproblem ungelöst. Die festländischen Staaten halfen sich mit vereinzelten Verordnungen auf dem Verwaltungs- wege, oft auch nur aus polizeilichen und fiskalischen Motiven. Was damit erreicht wurde, war ein keineswegs zu unterschätzender Fortschritt gegen den grundsätzlich freigegebenen Vandalismus früherer Zeiten, im ganzen aber sind es doch nur Abschlagszahlungen und Kompromisse. Vor einer Regelung durch Gesetz scheute man lange zurück. Sie ist zuerst versucht worden, abgesehen von Griechenland, in Schweden 1867, wo von Gustav Adolf her eine besonders denkmalfreundliche Tradition sich erhalten hatte. Da- nach in Frankreich 1887. In Deutschland zuerst im Großherzog

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/333>, abgerufen am 24.11.2024.