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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Nicht ohne einigen Stolz bemerken wir es, wie eifrig
die junge Generation der französischen Gelehrten,
zumal innerhalb der historischen Fächer, sich be-
fleißigt, von der Methode der deutschen Wissen-
schaft in Forschung und Unterricht, was sie als
deren Vorzüge anerkannt, sich zu eigen zu machen. Möchten
wir darüber nicht vergessen, wachsam uns umzuschauen, was
wir wiederum von den Franzosen in diesen Dingen noch zu lernen
hätten.

Von einer Beobachtung dieser Art sind die nachfolgenden
Erwägungen eingegeben. Den nächsten Anstoß, sie niederzu-
schreiben, gab mir die Lektüre der jüngst gesammelt heraus-
gegebenen kleinen Schriften von Jules Quicherat, des
1882 verstorbenen langjährigen Direktors der Ecole des Chartes.
Die eigentümliche Zusammensetzung dieser Bände machte es mir
zum Bedürfnis, von der Tätigkeit des ausgezeichneten Mannes
als Forscher und Lehrer eine zusammenhängende Übersicht zu
gewinnen.1) Beim ersten Blick auf den überaus mannigfaltigen
Inhalt könnte man wohl glauben, daß es nur der Gelegenheits-
ertrag eines planlos in die Kreuz und Quer fahrenden unruhigen
Wißbegierde sei; alsbald aber werden wir inne, daß wir etwas
anderes, Besseres vor uns haben: die wohlgewählten und sorgsam
zugerichteten Bausteine zu einem wissenschaftlichen Gebäude,
das von dem einzelnen zwar nie vollendet werden konnte, dessen
Plan aber klar und streng aus einem einheitlichen Gedanken-
mittelpunkte heraus entworfen war. Indem ich die Titel einiger
seiner Arbeiten nenne -- die Prozeßakten der Jeanne d'Arc, die
Alesia-Frage, die Fragmente zur spätlateinischen Literatur, die
Bildung der alten französischen Ortsnamen, die Geschichte der
Wollindustrie (unvollendet), das Lehrbuch der Kunstarchäologie
Frankreichs im Mittelalter (gleichfalls unvollendet), die franzö-
sische Kostümgeschichte, die Geschichte des College de Sainte-

1) Als willkommener Führer diente mir dabei der von Arthur Giry,
einem seiner ehemaligen Schüler, verfaßte Lebensabriß in der Revue histo-
rique t. XIX., dessen Separatausgabe eine sorgfältige Bibliographie (von
363 Nummern) beigegeben ist.

Nicht ohne einigen Stolz bemerken wir es, wie eifrig
die junge Generation der französischen Gelehrten,
zumal innerhalb der historischen Fächer, sich be-
fleißigt, von der Methode der deutschen Wissen-
schaft in Forschung und Unterricht, was sie als
deren Vorzüge anerkannt, sich zu eigen zu machen. Möchten
wir darüber nicht vergessen, wachsam uns umzuschauen, was
wir wiederum von den Franzosen in diesen Dingen noch zu lernen
hätten.

Von einer Beobachtung dieser Art sind die nachfolgenden
Erwägungen eingegeben. Den nächsten Anstoß, sie niederzu-
schreiben, gab mir die Lektüre der jüngst gesammelt heraus-
gegebenen kleinen Schriften von Jules Quicherat, des
1882 verstorbenen langjährigen Direktors der École des Chartes.
Die eigentümliche Zusammensetzung dieser Bände machte es mir
zum Bedürfnis, von der Tätigkeit des ausgezeichneten Mannes
als Forscher und Lehrer eine zusammenhängende Übersicht zu
gewinnen.1) Beim ersten Blick auf den überaus mannigfaltigen
Inhalt könnte man wohl glauben, daß es nur der Gelegenheits-
ertrag eines planlos in die Kreuz und Quer fahrenden unruhigen
Wißbegierde sei; alsbald aber werden wir inne, daß wir etwas
anderes, Besseres vor uns haben: die wohlgewählten und sorgsam
zugerichteten Bausteine zu einem wissenschaftlichen Gebäude,
das von dem einzelnen zwar nie vollendet werden konnte, dessen
Plan aber klar und streng aus einem einheitlichen Gedanken-
mittelpunkte heraus entworfen war. Indem ich die Titel einiger
seiner Arbeiten nenne — die Prozeßakten der Jeanne d'Arc, die
Alesia-Frage, die Fragmente zur spätlateinischen Literatur, die
Bildung der alten französischen Ortsnamen, die Geschichte der
Wollindustrie (unvollendet), das Lehrbuch der Kunstarchäologie
Frankreichs im Mittelalter (gleichfalls unvollendet), die franzö-
sische Kostümgeschichte, die Geschichte des Collège de Sainte-

1) Als willkommener Führer diente mir dabei der von Arthur Giry,
einem seiner ehemaligen Schüler, verfaßte Lebensabriß in der Revue histo-
rique t. XIX., dessen Separatausgabe eine sorgfältige Bibliographie (von
363 Nummern) beigegeben ist.
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[[237]/0299] Nicht ohne einigen Stolz bemerken wir es, wie eifrig die junge Generation der französischen Gelehrten, zumal innerhalb der historischen Fächer, sich be- fleißigt, von der Methode der deutschen Wissen- schaft in Forschung und Unterricht, was sie als deren Vorzüge anerkannt, sich zu eigen zu machen. Möchten wir darüber nicht vergessen, wachsam uns umzuschauen, was wir wiederum von den Franzosen in diesen Dingen noch zu lernen hätten. Von einer Beobachtung dieser Art sind die nachfolgenden Erwägungen eingegeben. Den nächsten Anstoß, sie niederzu- schreiben, gab mir die Lektüre der jüngst gesammelt heraus- gegebenen kleinen Schriften von Jules Quicherat, des 1882 verstorbenen langjährigen Direktors der École des Chartes. Die eigentümliche Zusammensetzung dieser Bände machte es mir zum Bedürfnis, von der Tätigkeit des ausgezeichneten Mannes als Forscher und Lehrer eine zusammenhängende Übersicht zu gewinnen. 1) Beim ersten Blick auf den überaus mannigfaltigen Inhalt könnte man wohl glauben, daß es nur der Gelegenheits- ertrag eines planlos in die Kreuz und Quer fahrenden unruhigen Wißbegierde sei; alsbald aber werden wir inne, daß wir etwas anderes, Besseres vor uns haben: die wohlgewählten und sorgsam zugerichteten Bausteine zu einem wissenschaftlichen Gebäude, das von dem einzelnen zwar nie vollendet werden konnte, dessen Plan aber klar und streng aus einem einheitlichen Gedanken- mittelpunkte heraus entworfen war. Indem ich die Titel einiger seiner Arbeiten nenne — die Prozeßakten der Jeanne d'Arc, die Alesia-Frage, die Fragmente zur spätlateinischen Literatur, die Bildung der alten französischen Ortsnamen, die Geschichte der Wollindustrie (unvollendet), das Lehrbuch der Kunstarchäologie Frankreichs im Mittelalter (gleichfalls unvollendet), die franzö- sische Kostümgeschichte, die Geschichte des Collège de Sainte- 1) Als willkommener Führer diente mir dabei der von Arthur Giry, einem seiner ehemaligen Schüler, verfaßte Lebensabriß in der Revue histo- rique t. XIX., dessen Separatausgabe eine sorgfältige Bibliographie (von 363 Nummern) beigegeben ist.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. [237]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/299>, abgerufen am 22.11.2024.