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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
Ringmauer mit Zentralturm, sondern der ganze Innenraum (wir
kennen ihn freilich nur als spätmittelalterlichen Umbau) war
wohnbar ausgebaut, mit einem kleinen, unsymmetrisch an die
Seite geschobenen Hof. Es ist indes höchst fraglich, ob wir es mit
einer ursprünglichen Wehranlage zu tun haben. Das Mauerwerk
ist romanisch. Die Vermutung ist ausgesprochen worden, daß
der Turm auf den Fundamenten der 939 zerstörten karolingischen
Pfalzkapelle stehe. Sie hat viel Ansprechendes, aber ein gültiger
Beweis ist bis jetzt nicht erbracht worden. In jedem Fall liegt
hier etwas wesentlich anderes vor als in der Burg der Egisheimer.

Nun ist noch von einer Hypothese zu sprechen, die, wenn
sie zuträfe, die Burg Egisheim noch viel interessanter machen
würde, als sie jetzt schon ist. Es handelt sich dabei um die Kaiser-
pfalz in Hagenau. Ich will den nachgerade konfus gewordenen
Fall in tunlichster Kürze darlegen. Die Pfalz ist 1678 von den
Franzosen zerstört worden und ihre Steine wurden beim Bau
des Fort-Louis benutzt. Der Platz, auf dem sie stand, ist jetzt
überbaut. Von der angeblich durch Kaiser Friedrich Barbarossa
errichteten Kapelle, in der die Reichskleinodien aufbewahrt wur-
den, gibt ein Autor des 16. Jahrhunderts (und nach ihm Merian)
eine in bezug auf Anschaulichkeit viel zu wünschen übriglassende
Beschreibung, doch sagt er nichts von der Anlage im ganzen.
Alte Ansichten waren nicht bekannt, bis vor etwa 30 Jahren
eine angeblich aus dem Jahr 1614 stammende Zeichnung "ent-
deckt" wurde. Heute besteht kein Zweifel mehr, daß Guerber,
der sie zuerst publizierte1), das Opfer einer Mystifikation gewesen
ist2). Leider ist diese Fälschung in die Literatur übergegangen3),
zuletzt noch von Bodo Ebhardt wiedergegeben und, trotz der
auch inneren Unglaubwürdigkeit, für eine Quelle "von hohem
Wert" erklärt4). Nach Beseitigung der Fälschung lenkte Hanauer
mit Recht die Aufmerksamkeit auf das alte Stadtsiegel von Ha-
genau5) (vgl. die nachstehende Reproduktion). Ohne Zweifel zeigt

1) In Bulletin de la societe d'Alsace, II. serie, I, VIII.
2) A. Hanauer, Le Proces d'un faux moderne in Revue d'Alsace 1903.
3) Z. B. in Karl Simons Studien zum romanischen Wohnbau 1902.
4) Die Burgen des Elsaß, Vortrag vor S. M. dem Kaiser 1904.
5) Revue d'Alsace 1905.

Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
Ringmauer mit Zentralturm, sondern der ganze Innenraum (wir
kennen ihn freilich nur als spätmittelalterlichen Umbau) war
wohnbar ausgebaut, mit einem kleinen, unsymmetrisch an die
Seite geschobenen Hof. Es ist indes höchst fraglich, ob wir es mit
einer ursprünglichen Wehranlage zu tun haben. Das Mauerwerk
ist romanisch. Die Vermutung ist ausgesprochen worden, daß
der Turm auf den Fundamenten der 939 zerstörten karolingischen
Pfalzkapelle stehe. Sie hat viel Ansprechendes, aber ein gültiger
Beweis ist bis jetzt nicht erbracht worden. In jedem Fall liegt
hier etwas wesentlich anderes vor als in der Burg der Egisheimer.

Nun ist noch von einer Hypothese zu sprechen, die, wenn
sie zuträfe, die Burg Egisheim noch viel interessanter machen
würde, als sie jetzt schon ist. Es handelt sich dabei um die Kaiser-
pfalz in Hagenau. Ich will den nachgerade konfus gewordenen
Fall in tunlichster Kürze darlegen. Die Pfalz ist 1678 von den
Franzosen zerstört worden und ihre Steine wurden beim Bau
des Fort-Louis benutzt. Der Platz, auf dem sie stand, ist jetzt
überbaut. Von der angeblich durch Kaiser Friedrich Barbarossa
errichteten Kapelle, in der die Reichskleinodien aufbewahrt wur-
den, gibt ein Autor des 16. Jahrhunderts (und nach ihm Merian)
eine in bezug auf Anschaulichkeit viel zu wünschen übriglassende
Beschreibung, doch sagt er nichts von der Anlage im ganzen.
Alte Ansichten waren nicht bekannt, bis vor etwa 30 Jahren
eine angeblich aus dem Jahr 1614 stammende Zeichnung »ent-
deckt« wurde. Heute besteht kein Zweifel mehr, daß Guerber,
der sie zuerst publizierte1), das Opfer einer Mystifikation gewesen
ist2). Leider ist diese Fälschung in die Literatur übergegangen3),
zuletzt noch von Bodo Ebhardt wiedergegeben und, trotz der
auch inneren Unglaubwürdigkeit, für eine Quelle »von hohem
Wert« erklärt4). Nach Beseitigung der Fälschung lenkte Hanauer
mit Recht die Aufmerksamkeit auf das alte Stadtsiegel von Ha-
genau5) (vgl. die nachstehende Reproduktion). Ohne Zweifel zeigt

1) In Bulletin de la société d'Alsace, II. série, I, VIII.
2) A. Hanauer, Le Procès d'un faux moderne in Revue d'Alsace 1903.
3) Z. B. in Karl Simons Studien zum romanischen Wohnbau 1902.
4) Die Burgen des Elsaß, Vortrag vor S. M. dem Kaiser 1904.
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[117/0135] Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. Ringmauer mit Zentralturm, sondern der ganze Innenraum (wir kennen ihn freilich nur als spätmittelalterlichen Umbau) war wohnbar ausgebaut, mit einem kleinen, unsymmetrisch an die Seite geschobenen Hof. Es ist indes höchst fraglich, ob wir es mit einer ursprünglichen Wehranlage zu tun haben. Das Mauerwerk ist romanisch. Die Vermutung ist ausgesprochen worden, daß der Turm auf den Fundamenten der 939 zerstörten karolingischen Pfalzkapelle stehe. Sie hat viel Ansprechendes, aber ein gültiger Beweis ist bis jetzt nicht erbracht worden. In jedem Fall liegt hier etwas wesentlich anderes vor als in der Burg der Egisheimer. Nun ist noch von einer Hypothese zu sprechen, die, wenn sie zuträfe, die Burg Egisheim noch viel interessanter machen würde, als sie jetzt schon ist. Es handelt sich dabei um die Kaiser- pfalz in Hagenau. Ich will den nachgerade konfus gewordenen Fall in tunlichster Kürze darlegen. Die Pfalz ist 1678 von den Franzosen zerstört worden und ihre Steine wurden beim Bau des Fort-Louis benutzt. Der Platz, auf dem sie stand, ist jetzt überbaut. Von der angeblich durch Kaiser Friedrich Barbarossa errichteten Kapelle, in der die Reichskleinodien aufbewahrt wur- den, gibt ein Autor des 16. Jahrhunderts (und nach ihm Merian) eine in bezug auf Anschaulichkeit viel zu wünschen übriglassende Beschreibung, doch sagt er nichts von der Anlage im ganzen. Alte Ansichten waren nicht bekannt, bis vor etwa 30 Jahren eine angeblich aus dem Jahr 1614 stammende Zeichnung »ent- deckt« wurde. Heute besteht kein Zweifel mehr, daß Guerber, der sie zuerst publizierte 1), das Opfer einer Mystifikation gewesen ist 2). Leider ist diese Fälschung in die Literatur übergegangen 3), zuletzt noch von Bodo Ebhardt wiedergegeben und, trotz der auch inneren Unglaubwürdigkeit, für eine Quelle »von hohem Wert« erklärt 4). Nach Beseitigung der Fälschung lenkte Hanauer mit Recht die Aufmerksamkeit auf das alte Stadtsiegel von Ha- genau 5) (vgl. die nachstehende Reproduktion). Ohne Zweifel zeigt 1) In Bulletin de la société d'Alsace, II. série, I, VIII. 2) A. Hanauer, Le Procès d'un faux moderne in Revue d'Alsace 1903. 3) Z. B. in Karl Simons Studien zum romanischen Wohnbau 1902. 4) Die Burgen des Elsaß, Vortrag vor S. M. dem Kaiser 1904. 5) Revue d'Alsace 1905.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/135>, abgerufen am 22.11.2024.