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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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schen Dingen erscheinen. Man darf aber nur die bildliche
Hülle abstreifen, die populäre Fassung und Modifikation
beseitigen, so liegt, wie öfters in alter Mythologie, ein
großer, staunenswerther Sinn vor Augen.

In einer dreifachen Nacht wird der Held erzeugt,
weshalb er denn auch triesperos leon, der in der drei-
fachen Nacht erzeugte Löwe, heißt. Wie leicht ist zu er-
kennen, daß hiebei eine bekannte Ausdrucksweise ihre Rolle
gespielt, nach welcher dreifach und dreimal, tris, tri
in vielen Zusammensetzungen, wie in triseudaimon, tris-
makar dreimal d. h. sehr oder höchst glücklich oder selig,
triskakodaimon, trisathlios, dreimal d. h. sehr oder höchst
unglücklich, u. s. w. *) eine steigernde Bedeutung hat. He-
rakles ist das Licht des Heils, das aus der dreifachen Nacht
des Unheils aufleuchtet, von welcher Erde und Menschheit
umfangen ist, vergl. Jes. 9, 1: "Das Volk, das im Fin-
stern wandelt, schauet ein großes Licht, und die da sitzen
in Todesnacht, Licht erglänzet über sie." Und Jes. 60,
1 ff.: "Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht und
die Herrlichkeit Jehova's gehet auf über dir. Denn siehe,
Dunkel decket die Erde und Finsterniß die Nationen, aber
über dir gehet Jehova auf und seine Herrlichkeit erscheinet
dir. Und es gehen Völker nach deinem Lichte und Könige
nach dem Glanze, der dir aufgegangen." Ferner im neuen
Testamente: "Ich bin das Licht der Welt; wer mir nach-
folget, der wird nicht wandeln in der Finsterniß, sondern
er wird das Licht des Lebens haben." Ev. Joh. 8, 12.
Vergl. Cap. 1, 4 ff., 12, 35 und 46. Luc. 1, 78 f.

*) Vergl. im Lateinischen ter in der Bedeutung sehr oder höchst, ter
felix, terque quaterque beatus, triplex
statt groß; dann Zusammen-
setzungen, wie triperditus, ganz verloren, trifur, Erzdieb, trifurcifer,
Erzschurke; franz. tres, sehr, von tris, ter mit verlorener Urbedeutung.

ſchen Dingen erſcheinen. Man darf aber nur die bildliche
Hülle abſtreifen, die populäre Faſſung und Modifikation
beſeitigen, ſo liegt, wie öfters in alter Mythologie, ein
großer, ſtaunenswerther Sinn vor Augen.

In einer dreifachen Nacht wird der Held erzeugt,
weshalb er denn auch τριεσπερος λεων, der in der drei-
fachen Nacht erzeugte Löwe, heißt. Wie leicht iſt zu er-
kennen, daß hiebei eine bekannte Ausdrucksweiſe ihre Rolle
geſpielt, nach welcher dreifach und dreimal, τρις, τρι
in vielen Zuſammenſetzungen, wie in τριςευδαιμων, τρις-
μακαρ dreimal d. h. ſehr oder höchſt glücklich oder ſelig,
τριςκακοδαιμων, τριςαϑλιος, dreimal d. h. ſehr oder höchſt
unglücklich, u. ſ. w. *) eine ſteigernde Bedeutung hat. He-
rakles iſt das Licht des Heils, das aus der dreifachen Nacht
des Unheils aufleuchtet, von welcher Erde und Menſchheit
umfangen iſt, vergl. Jeſ. 9, 1: „Das Volk, das im Fin-
ſtern wandelt, ſchauet ein großes Licht, und die da ſitzen
in Todesnacht, Licht erglänzet über ſie.“ Und Jeſ. 60,
1 ff.: „Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht und
die Herrlichkeit Jehova’s gehet auf über dir. Denn ſiehe,
Dunkel decket die Erde und Finſterniß die Nationen, aber
über dir gehet Jehova auf und ſeine Herrlichkeit erſcheinet
dir. Und es gehen Völker nach deinem Lichte und Könige
nach dem Glanze, der dir aufgegangen.“ Ferner im neuen
Teſtamente: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nach-
folget, der wird nicht wandeln in der Finſterniß, ſondern
er wird das Licht des Lebens haben.“ Ev. Joh. 8, 12.
Vergl. Cap. 1, 4 ff., 12, 35 und 46. Luc. 1, 78 f.

*) Vergl. im Lateiniſchen ter in der Bedeutung ſehr oder höchſt, ter
felix, terque quaterque beatus, triplex
ſtatt groß; dann Zuſammen-
ſetzungen, wie triperditus, ganz verloren, trifur, Erzdieb, trifurcifer,
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[29/0051] ſchen Dingen erſcheinen. Man darf aber nur die bildliche Hülle abſtreifen, die populäre Faſſung und Modifikation beſeitigen, ſo liegt, wie öfters in alter Mythologie, ein großer, ſtaunenswerther Sinn vor Augen. In einer dreifachen Nacht wird der Held erzeugt, weshalb er denn auch τριεσπερος λεων, der in der drei- fachen Nacht erzeugte Löwe, heißt. Wie leicht iſt zu er- kennen, daß hiebei eine bekannte Ausdrucksweiſe ihre Rolle geſpielt, nach welcher dreifach und dreimal, τρις, τρι in vielen Zuſammenſetzungen, wie in τριςευδαιμων, τρις- μακαρ dreimal d. h. ſehr oder höchſt glücklich oder ſelig, τριςκακοδαιμων, τριςαϑλιος, dreimal d. h. ſehr oder höchſt unglücklich, u. ſ. w. *) eine ſteigernde Bedeutung hat. He- rakles iſt das Licht des Heils, das aus der dreifachen Nacht des Unheils aufleuchtet, von welcher Erde und Menſchheit umfangen iſt, vergl. Jeſ. 9, 1: „Das Volk, das im Fin- ſtern wandelt, ſchauet ein großes Licht, und die da ſitzen in Todesnacht, Licht erglänzet über ſie.“ Und Jeſ. 60, 1 ff.: „Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit Jehova’s gehet auf über dir. Denn ſiehe, Dunkel decket die Erde und Finſterniß die Nationen, aber über dir gehet Jehova auf und ſeine Herrlichkeit erſcheinet dir. Und es gehen Völker nach deinem Lichte und Könige nach dem Glanze, der dir aufgegangen.“ Ferner im neuen Teſtamente: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nach- folget, der wird nicht wandeln in der Finſterniß, ſondern er wird das Licht des Lebens haben.“ Ev. Joh. 8, 12. Vergl. Cap. 1, 4 ff., 12, 35 und 46. Luc. 1, 78 f. *) Vergl. im Lateiniſchen ter in der Bedeutung ſehr oder höchſt, ter felix, terque quaterque beatus, triplex ſtatt groß; dann Zuſammen- ſetzungen, wie triperditus, ganz verloren, trifur, Erzdieb, trifurcifer, Erzſchurke; franz. très, ſehr, von τρις, ter mit verlorener Urbedeutung.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/51>, abgerufen am 04.05.2024.