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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Ruhe und Wohlstand sicherte; der von diesem wieder adop-
tirte Marcus Aurelius, der stoische Philosoph, der unter
den schwierigsten Umständen regierte und ein ewig denkwür-
diges Muster jeder Art von Güte, Tugend und Trefflich-
keit war -- das sind die glänzenden Sterne, die diesen
ausgezeichneten Zeitraum schmückten. Von den beiden zu-
letzt Genannten sagt Schlosser: "Unter ihnen schien die
Zeit da zu sein, wo nach Plato's Wunsche Philosophie
und Wissenschaft die Welt regieren würden; denn beide
verbanden tiefe, innere Bildung, ächten Sinn für das Hö-
here und ein wahrhaft edles Streben mit Einfachheit, Sit-
tenreinheit, Gerechtigkeit und Herzensgüte." Nach Marc
Aurel
kam wieder durch den Zufall der Geburt ein Un-
mensch, wie Commodus, zur Herrschaft. Aber diesem
Zufall war doch wenigstens eine Zeit lang durch weise
Adoption edler Menschen und tüchtiger Nachfolger gesteuert
worden. Nun trug zwar die Herrschaft der vorzüglichen
und achtungswerthen Kaiser Roms, wovon die Rede ist,
nicht den formell religiösen Charakter, wie Numa's prie-
sterliches Regiment; dem Wesen nach war sie jedoch so
verschieden nicht. Die stoische Philosophie, die mit den
Antoninen auf dem Throne saß, hatte sogar eine gewisse
Verwandtschaft mit dem Christenthume; manche Anschauun-
gen und Lehren hatte sie ganz mit dieser Religion gemein,
wie mit unumwundener Anerkennung schon Hieronymus
in seiner Auslegung des 11. Cap. des Jesaias bemerkt. *)
Bekannt ist der von dem Stoiker Kleanthes verfaßte

*) Stoici, qui nostro dogmati in plerisque concordant,
nihil appellant bonum, nisi solam honestatem atque virtutem, nihil
malum, nisi turpitudinem.
Als eine auf diese Analogien eingehende
Abhandlung wird folgende angeführt: M. D. Omeisii disp., qua
stoicorum philosophiam moralem sobriam eorumque placita cum
ehristianismo convenientia ostendit. Altorf.
1699.

Ruhe und Wohlſtand ſicherte; der von dieſem wieder adop-
tirte Marcus Aurelius, der ſtoiſche Philoſoph, der unter
den ſchwierigſten Umſtänden regierte und ein ewig denkwür-
diges Muſter jeder Art von Güte, Tugend und Trefflich-
keit war — das ſind die glänzenden Sterne, die dieſen
ausgezeichneten Zeitraum ſchmückten. Von den beiden zu-
letzt Genannten ſagt Schloſſer: „Unter ihnen ſchien die
Zeit da zu ſein, wo nach Plato’s Wunſche Philoſophie
und Wiſſenſchaft die Welt regieren würden; denn beide
verbanden tiefe, innere Bildung, ächten Sinn für das Hö-
here und ein wahrhaft edles Streben mit Einfachheit, Sit-
tenreinheit, Gerechtigkeit und Herzensgüte.“ Nach Marc
Aurel
kam wieder durch den Zufall der Geburt ein Un-
menſch, wie Commodus, zur Herrſchaft. Aber dieſem
Zufall war doch wenigſtens eine Zeit lang durch weiſe
Adoption edler Menſchen und tüchtiger Nachfolger geſteuert
worden. Nun trug zwar die Herrſchaft der vorzüglichen
und achtungswerthen Kaiſer Roms, wovon die Rede iſt,
nicht den formell religiöſen Charakter, wie Numa’s prie-
ſterliches Regiment; dem Weſen nach war ſie jedoch ſo
verſchieden nicht. Die ſtoiſche Philoſophie, die mit den
Antoninen auf dem Throne ſaß, hatte ſogar eine gewiſſe
Verwandtſchaft mit dem Chriſtenthume; manche Anſchauun-
gen und Lehren hatte ſie ganz mit dieſer Religion gemein,
wie mit unumwundener Anerkennung ſchon Hieronymus
in ſeiner Auslegung des 11. Cap. des Jeſaias bemerkt. *)
Bekannt iſt der von dem Stoiker Kleanthes verfaßte

*) Stoici, qui nostro dogmati in plerisque concordant,
nihil appellant bonum, nisi solam honestatem atque virtutem, nihil
malum, nisi turpitudinem.
Als eine auf dieſe Analogien eingehende
Abhandlung wird folgende angeführt: M. D. Omeisii disp., qua
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ehristianismo convenientia ostendit. Altorf.
1699.
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[20/0042] Ruhe und Wohlſtand ſicherte; der von dieſem wieder adop- tirte Marcus Aurelius, der ſtoiſche Philoſoph, der unter den ſchwierigſten Umſtänden regierte und ein ewig denkwür- diges Muſter jeder Art von Güte, Tugend und Trefflich- keit war — das ſind die glänzenden Sterne, die dieſen ausgezeichneten Zeitraum ſchmückten. Von den beiden zu- letzt Genannten ſagt Schloſſer: „Unter ihnen ſchien die Zeit da zu ſein, wo nach Plato’s Wunſche Philoſophie und Wiſſenſchaft die Welt regieren würden; denn beide verbanden tiefe, innere Bildung, ächten Sinn für das Hö- here und ein wahrhaft edles Streben mit Einfachheit, Sit- tenreinheit, Gerechtigkeit und Herzensgüte.“ Nach Marc Aurel kam wieder durch den Zufall der Geburt ein Un- menſch, wie Commodus, zur Herrſchaft. Aber dieſem Zufall war doch wenigſtens eine Zeit lang durch weiſe Adoption edler Menſchen und tüchtiger Nachfolger geſteuert worden. Nun trug zwar die Herrſchaft der vorzüglichen und achtungswerthen Kaiſer Roms, wovon die Rede iſt, nicht den formell religiöſen Charakter, wie Numa’s prie- ſterliches Regiment; dem Weſen nach war ſie jedoch ſo verſchieden nicht. Die ſtoiſche Philoſophie, die mit den Antoninen auf dem Throne ſaß, hatte ſogar eine gewiſſe Verwandtſchaft mit dem Chriſtenthume; manche Anſchauun- gen und Lehren hatte ſie ganz mit dieſer Religion gemein, wie mit unumwundener Anerkennung ſchon Hieronymus in ſeiner Auslegung des 11. Cap. des Jeſaias bemerkt. *) Bekannt iſt der von dem Stoiker Kleanthes verfaßte *) Stoici, qui nostro dogmati in plerisque concordant, nihil appellant bonum, nisi solam honestatem atque virtutem, nihil malum, nisi turpitudinem. Als eine auf dieſe Analogien eingehende Abhandlung wird folgende angeführt: M. D. Omeisii disp., qua stoicorum philosophiam moralem sobriam eorumque placita cum ehristianismo convenientia ostendit. Altorf. 1699.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/42>, abgerufen am 18.04.2024.