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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Charakter hat. "Dieser König", sagt Livius, "war nicht
nur dem vorhergegangenen unähnlich, sondern sogar noch
kriegerischer als Romulus." Die Absicht dieses Fürsten
war, den durch seinen Vorgänger gedämpften kriegerischen
Geist des Römerthums wieder aufzuwecken, wobei er mit
einer Einseitigkeit und Leidenschaft verfuhr, die jenes fromme
und friedliche Element schonungslos zu verdrängen suchte,
damit aber so wenig zu Stande kam, daß sich dasselbe am
Ende sogar bei ihm selbst, und das in einer um so ängst-
licheren und frömmlerischeren Manier, wieder geltend machte.
Seine trotzige Kraft ward erst durch eine Krankheit ge-
brochen, so daß, wie Livius sagt, "derselbe Mann, der
Nichts für unköniglicher gehalten hatte, als sich mit heili-
gen Dingen zu befassen, auf einmal jedem großen und
kleinen Aberglauben fröhnte und auch das Volk mit allerlei
Gedanken frommer Angst erfüllte." Er schlug auch die
Bücher des Numa nach und fand da gewisse mysteriöse
Opfer beschrieben, die eine himmlische Erscheinung zur Folge
haben sollten. Es ward ihm, als er zu diesem Opfer
schritt, keine solche zu Theil; er wurde vielmehr von
Jupiter mit dem Blitze erschlagen und verbrannte mit sei-
nem ganzen Haus.

Man wird fühlen, daß dies Alles von der größten
Bedeutung ist. Selbst wenn diese Darstellungen nur ein
Gedicht, oder eine durch Erfindungen ausgeschmückte Ge-
schichte sein sollten, so würden sie doch immer ein höchst
merkwürdiger Spiegel römischer Denkarten, Gesinnungen
und Tendenzen sein. Es wäre jedenfalls dadurch kund
gethan und deutlichst ausgedrückt, daß es sich bei diesem
Volke und Staate keineswegs nur um Kühnheit, Thatkraft,
Sieg und Eroberung handle, und daß Rom noch einen
anderen Beruf zu erfüllen habe, den religiösen und priester-
lichen, der nie aus den Augen gesetzt werden dürfe. Für

Charakter hat. „Dieſer König“, ſagt Livius, „war nicht
nur dem vorhergegangenen unähnlich, ſondern ſogar noch
kriegeriſcher als Romulus.“ Die Abſicht dieſes Fürſten
war, den durch ſeinen Vorgänger gedämpften kriegeriſchen
Geiſt des Römerthums wieder aufzuwecken, wobei er mit
einer Einſeitigkeit und Leidenſchaft verfuhr, die jenes fromme
und friedliche Element ſchonungslos zu verdrängen ſuchte,
damit aber ſo wenig zu Stande kam, daß ſich daſſelbe am
Ende ſogar bei ihm ſelbſt, und das in einer um ſo ängſt-
licheren und frömmleriſcheren Manier, wieder geltend machte.
Seine trotzige Kraft ward erſt durch eine Krankheit ge-
brochen, ſo daß, wie Livius ſagt, „derſelbe Mann, der
Nichts für unköniglicher gehalten hatte, als ſich mit heili-
gen Dingen zu befaſſen, auf einmal jedem großen und
kleinen Aberglauben fröhnte und auch das Volk mit allerlei
Gedanken frommer Angſt erfüllte.“ Er ſchlug auch die
Bücher des Numa nach und fand da gewiſſe myſteriöſe
Opfer beſchrieben, die eine himmliſche Erſcheinung zur Folge
haben ſollten. Es ward ihm, als er zu dieſem Opfer
ſchritt, keine ſolche zu Theil; er wurde vielmehr von
Jupiter mit dem Blitze erſchlagen und verbrannte mit ſei-
nem ganzen Haus.

Man wird fühlen, daß dies Alles von der größten
Bedeutung iſt. Selbſt wenn dieſe Darſtellungen nur ein
Gedicht, oder eine durch Erfindungen ausgeſchmückte Ge-
ſchichte ſein ſollten, ſo würden ſie doch immer ein höchſt
merkwürdiger Spiegel römiſcher Denkarten, Geſinnungen
und Tendenzen ſein. Es wäre jedenfalls dadurch kund
gethan und deutlichſt ausgedrückt, daß es ſich bei dieſem
Volke und Staate keineswegs nur um Kühnheit, Thatkraft,
Sieg und Eroberung handle, und daß Rom noch einen
anderen Beruf zu erfüllen habe, den religiöſen und prieſter-
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[18/0040] Charakter hat. „Dieſer König“, ſagt Livius, „war nicht nur dem vorhergegangenen unähnlich, ſondern ſogar noch kriegeriſcher als Romulus.“ Die Abſicht dieſes Fürſten war, den durch ſeinen Vorgänger gedämpften kriegeriſchen Geiſt des Römerthums wieder aufzuwecken, wobei er mit einer Einſeitigkeit und Leidenſchaft verfuhr, die jenes fromme und friedliche Element ſchonungslos zu verdrängen ſuchte, damit aber ſo wenig zu Stande kam, daß ſich daſſelbe am Ende ſogar bei ihm ſelbſt, und das in einer um ſo ängſt- licheren und frömmleriſcheren Manier, wieder geltend machte. Seine trotzige Kraft ward erſt durch eine Krankheit ge- brochen, ſo daß, wie Livius ſagt, „derſelbe Mann, der Nichts für unköniglicher gehalten hatte, als ſich mit heili- gen Dingen zu befaſſen, auf einmal jedem großen und kleinen Aberglauben fröhnte und auch das Volk mit allerlei Gedanken frommer Angſt erfüllte.“ Er ſchlug auch die Bücher des Numa nach und fand da gewiſſe myſteriöſe Opfer beſchrieben, die eine himmliſche Erſcheinung zur Folge haben ſollten. Es ward ihm, als er zu dieſem Opfer ſchritt, keine ſolche zu Theil; er wurde vielmehr von Jupiter mit dem Blitze erſchlagen und verbrannte mit ſei- nem ganzen Haus. Man wird fühlen, daß dies Alles von der größten Bedeutung iſt. Selbſt wenn dieſe Darſtellungen nur ein Gedicht, oder eine durch Erfindungen ausgeſchmückte Ge- ſchichte ſein ſollten, ſo würden ſie doch immer ein höchſt merkwürdiger Spiegel römiſcher Denkarten, Geſinnungen und Tendenzen ſein. Es wäre jedenfalls dadurch kund gethan und deutlichſt ausgedrückt, daß es ſich bei dieſem Volke und Staate keineswegs nur um Kühnheit, Thatkraft, Sieg und Eroberung handle, und daß Rom noch einen anderen Beruf zu erfüllen habe, den religiöſen und prieſter- lichen, der nie aus den Augen geſetzt werden dürfe. Für

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/40>, abgerufen am 26.04.2024.