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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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standene Katholicismus; denn dort war wohl Vie-
les verfehlt und mißverstanden, bei der jetzt dominirenden
Freigeisterei und anmaßlichen Aufklärung aber ist die
Grundlage falsch. Den Heiden war es mit ihrer Religion
heiliger Ernst; sie zerstörten nicht die Fundamente der
Glaubens- und Sittenlehre, sondern entstellten nur die
Wahrheit und geriethen auf diese Weise in Irrthümer;
unsere Zeit ist an sich gottlos." S. 13*). Es folgen
specielle historische Nachweise in Beziehung auf die Fröm-
migkeit der Heiden und ihren Abscheu vor Irreligiösität
und Frivolität. Es wird gezeigt, welche, vom christlichen
Standpunkte aus betrachtet, achtungswerthe und ehrenvolle
Rolle die Heiden im Evangelium spielen. "Einer der
evangelischen Geschichtschreiber, Lucas, ist ein geborener
Heide. Endlich so wie das Evangelium durch die Apostel
außer Palästina verkündigt wird, gewahren wir sogleich,
daß das ganze Heidenthum eine Anlage zum Christenthum
hat, und eine Vorschule dazu bildet." S. 15. "Chri-
stus ist der Inhalt aller religiösen Mythen;
er ist der Oedipus der Mythologie und muß
als solcher erkannt werden
." S. 20. "Es ist mit
der Menschengeschichte nicht, wie mit dem Gewebe der Pe-
nelope, so daß, was an einem Völkertage gewebt worden,
die darauf folgende Nacht wieder auflöste und die An-
strengung erfolglos bliebe; auch ist die Erde nicht nur als
der Kirchhof untergegangener Völker und dahingeschiedener

*) Daß ihr euch Heiden nennet, hör' ich sagen.
Wißt, Jene sah'n den Gott im Sturm der Meere;
Den Gott im Donner und im Sonnenwagen.
Ihr aber möchtet mit dem ehrnen Speere
In Trümmer jedes Götterbild zerschlagen;
So bleibt euch nur die ungeheure Leere.

Geibel.

ſtandene Katholicismus; denn dort war wohl Vie-
les verfehlt und mißverſtanden, bei der jetzt dominirenden
Freigeiſterei und anmaßlichen Aufklärung aber iſt die
Grundlage falſch. Den Heiden war es mit ihrer Religion
heiliger Ernſt; ſie zerſtörten nicht die Fundamente der
Glaubens- und Sittenlehre, ſondern entſtellten nur die
Wahrheit und geriethen auf dieſe Weiſe in Irrthümer;
unſere Zeit iſt an ſich gottlos.“ S. 13*). Es folgen
ſpecielle hiſtoriſche Nachweiſe in Beziehung auf die Fröm-
migkeit der Heiden und ihren Abſcheu vor Irreligiöſität
und Frivolität. Es wird gezeigt, welche, vom chriſtlichen
Standpunkte aus betrachtet, achtungswerthe und ehrenvolle
Rolle die Heiden im Evangelium ſpielen. „Einer der
evangeliſchen Geſchichtſchreiber, Lucas, iſt ein geborener
Heide. Endlich ſo wie das Evangelium durch die Apoſtel
außer Paläſtina verkündigt wird, gewahren wir ſogleich,
daß das ganze Heidenthum eine Anlage zum Chriſtenthum
hat, und eine Vorſchule dazu bildet.“ S. 15. „Chri-
ſtus iſt der Inhalt aller religiöſen Mythen;
er iſt der Oedipus der Mythologie und muß
als ſolcher erkannt werden
.“ S. 20. „Es iſt mit
der Menſchengeſchichte nicht, wie mit dem Gewebe der Pe-
nelope, ſo daß, was an einem Völkertage gewebt worden,
die darauf folgende Nacht wieder auflöste und die An-
ſtrengung erfolglos bliebe; auch iſt die Erde nicht nur als
der Kirchhof untergegangener Völker und dahingeſchiedener

*) Daß ihr euch Heiden nennet, hör’ ich ſagen.
Wißt, Jene ſah’n den Gott im Sturm der Meere;
Den Gott im Donner und im Sonnenwagen.
Ihr aber möchtet mit dem ehrnen Speere
In Trümmer jedes Götterbild zerſchlagen;
So bleibt euch nur die ungeheure Leere.

Geibel.
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[116/0138] ſtandene Katholicismus; denn dort war wohl Vie- les verfehlt und mißverſtanden, bei der jetzt dominirenden Freigeiſterei und anmaßlichen Aufklärung aber iſt die Grundlage falſch. Den Heiden war es mit ihrer Religion heiliger Ernſt; ſie zerſtörten nicht die Fundamente der Glaubens- und Sittenlehre, ſondern entſtellten nur die Wahrheit und geriethen auf dieſe Weiſe in Irrthümer; unſere Zeit iſt an ſich gottlos.“ S. 13 *). Es folgen ſpecielle hiſtoriſche Nachweiſe in Beziehung auf die Fröm- migkeit der Heiden und ihren Abſcheu vor Irreligiöſität und Frivolität. Es wird gezeigt, welche, vom chriſtlichen Standpunkte aus betrachtet, achtungswerthe und ehrenvolle Rolle die Heiden im Evangelium ſpielen. „Einer der evangeliſchen Geſchichtſchreiber, Lucas, iſt ein geborener Heide. Endlich ſo wie das Evangelium durch die Apoſtel außer Paläſtina verkündigt wird, gewahren wir ſogleich, daß das ganze Heidenthum eine Anlage zum Chriſtenthum hat, und eine Vorſchule dazu bildet.“ S. 15. „Chri- ſtus iſt der Inhalt aller religiöſen Mythen; er iſt der Oedipus der Mythologie und muß als ſolcher erkannt werden.“ S. 20. „Es iſt mit der Menſchengeſchichte nicht, wie mit dem Gewebe der Pe- nelope, ſo daß, was an einem Völkertage gewebt worden, die darauf folgende Nacht wieder auflöste und die An- ſtrengung erfolglos bliebe; auch iſt die Erde nicht nur als der Kirchhof untergegangener Völker und dahingeſchiedener *) Daß ihr euch Heiden nennet, hör’ ich ſagen. Wißt, Jene ſah’n den Gott im Sturm der Meere; Den Gott im Donner und im Sonnenwagen. Ihr aber möchtet mit dem ehrnen Speere In Trümmer jedes Götterbild zerſchlagen; So bleibt euch nur die ungeheure Leere. Geibel.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/138>, abgerufen am 28.11.2024.