Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.Cap. 15. über die Droseraceen. Sachs wiederholt hervorhebt10, die Embryonen einiger Pflanzen eineFlüssigkeit ab, welche eiweiszartige Substanzen aus dem Endosperm auflöst, obgleich das Endosperm nicht mit dem Embryo verbunden ist, sondern nur mit ihm in Berührung steht. Überdies haben die Pflanzen das Vermögen, eiweiszartige oder proteinartige Substanzen, wie Protoplasma, Chlorophyll, Leim, Aleurone aufzulösen und sie von einem Theil zu andern Theilen ihrer Gewebe fortzuschaffen. Dies musz durch ein Auflösungsmittel bewirkt werden, was wahrscheinlich aus einem Ferment in Verbindung mit einer Säure besteht11. Nun wird bei denjenigen Pflanzen, welche fähig sind, bereits lösliche Sub- stanz aus gefangenen Insecten zu absorbiren, wennschon sie keiner wahren Verdauung fähig sind, das eben erwähnte Lösungsmittel, wel- ches gelegentlich in den Drüsen vorhanden sein musz, gern in Ver- bindung mit dem klebrigen Secrete aus den Drüsen ausschwitzen, in- sofern ja Endosmose von Exosmose begleitet ist. Wenn eine solche Ausschwitzung je eintritt, wird das Lösungsmittel auf die innerhalb der gefangenen Insecten enthaltenen animalen Substanz einwirken, und dies wird dann ein Act wahrer Verdauung sein. Da nicht bezweifelt werden kann, dasz dieser Procesz für Pflanzen, welche in sehr armem Boden wachsen, von groszem Nutzen sein würde, so wird es danach streben, durch natürliche Zuchtwahl immer weiter vervollkommnet zu werden. Es könnte daher jede gewöhnliche Pflanze, welche kleb- rige Drüsen besitzt und damit gelegentlich Insecten fängt, in dieser Weise unter günstigen Umständen in eine Species verwandelt werden, welche das Vermögen wahrer Verdauung besitzt. Es hört daher auf, irgend ein groszes Geheimnis zu sein, wie mehrere, in keiner Weise nahe mit einander verwandte Pflanzen, unabhängig von einander die- ses selbe Vermögen erlangt haben. Da mehrere Pflanzen existiren, deren Drüsen, so viel bis jetzt 10 Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874, p. 688. Wegen der folgenden That- sachen s. auch p. 57, 63, 678, 679. 11 Nachdem dieser Satz geschrieben war, habe ich einen Aufsatz von Gorup-
Besanez erhalten (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft, Berlin, 1874, p. 1478), welcher mit Unterstützung des Dr. Will factisch die Entdeckung gemacht hat, dasz die Samen der Wicke ein Ferment enthalten, welches, wenn es mit Glycerin ausgezogen ist, albuminöse Substanzen, so z. B. Fibrin, auflöst und sie in echte Peptone umwandelt. Cap. 15. über die Droseraceen. Sachs wiederholt hervorhebt10, die Embryonen einiger Pflanzen eineFlüssigkeit ab, welche eiweiszartige Substanzen aus dem Endosperm auflöst, obgleich das Endosperm nicht mit dem Embryo verbunden ist, sondern nur mit ihm in Berührung steht. Überdies haben die Pflanzen das Vermögen, eiweiszartige oder protëinartige Substanzen, wie Protoplasma, Chlorophyll, Leim, Aleurone aufzulösen und sie von einem Theil zu andern Theilen ihrer Gewebe fortzuschaffen. Dies musz durch ein Auflösungsmittel bewirkt werden, was wahrscheinlich aus einem Ferment in Verbindung mit einer Säure besteht11. Nun wird bei denjenigen Pflanzen, welche fähig sind, bereits lösliche Sub- stanz aus gefangenen Insecten zu absorbiren, wennschon sie keiner wahren Verdauung fähig sind, das eben erwähnte Lösungsmittel, wel- ches gelegentlich in den Drüsen vorhanden sein musz, gern in Ver- bindung mit dem klebrigen Secrete aus den Drüsen ausschwitzen, in- sofern ja Endosmose von Exosmose begleitet ist. Wenn eine solche Ausschwitzung je eintritt, wird das Lösungsmittel auf die innerhalb der gefangenen Insecten enthaltenen animalen Substanz einwirken, und dies wird dann ein Act wahrer Verdauung sein. Da nicht bezweifelt werden kann, dasz dieser Procesz für Pflanzen, welche in sehr armem Boden wachsen, von groszem Nutzen sein würde, so wird es danach streben, durch natürliche Zuchtwahl immer weiter vervollkommnet zu werden. Es könnte daher jede gewöhnliche Pflanze, welche kleb- rige Drüsen besitzt und damit gelegentlich Insecten fängt, in dieser Weise unter günstigen Umständen in eine Species verwandelt werden, welche das Vermögen wahrer Verdauung besitzt. Es hört daher auf, irgend ein groszes Geheimnis zu sein, wie mehrere, in keiner Weise nahe mit einander verwandte Pflanzen, unabhängig von einander die- ses selbe Vermögen erlangt haben. Da mehrere Pflanzen existiren, deren Drüsen, so viel bis jetzt 10 Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874, p. 688. Wegen der folgenden That- sachen s. auch p. 57, 63, 678, 679. 11 Nachdem dieser Satz geschrieben war, habe ich einen Aufsatz von Gorup-
Besanez erhalten (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft, Berlin, 1874, p. 1478), welcher mit Unterstützung des Dr. Will factisch die Entdeckung gemacht hat, dasz die Samen der Wicke ein Ferment enthalten, welches, wenn es mit Glycerin ausgezogen ist, albuminöse Substanzen, so z. B. Fibrin, auflöst und sie in echte Peptone umwandelt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0341" n="327"/><fw place="top" type="header">Cap. 15. über die Droseraceen.</fw><lb/><hi rendition="#k">Sachs</hi> wiederholt hervorhebt<note place="foot" n="10">Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874, p. 688. Wegen der folgenden That-<lb/> sachen s. auch p. 57, 63, 678, 679.</note>, die Embryonen einiger Pflanzen eine<lb/> Flüssigkeit ab, welche eiweiszartige Substanzen aus dem Endosperm<lb/> auflöst, obgleich das Endosperm nicht mit dem Embryo verbunden<lb/> ist, sondern nur mit ihm in Berührung steht. Überdies haben die<lb/> Pflanzen das Vermögen, eiweiszartige oder protëinartige Substanzen,<lb/> wie Protoplasma, Chlorophyll, Leim, Aleurone aufzulösen und sie von<lb/> einem Theil zu andern Theilen ihrer Gewebe fortzuschaffen. Dies<lb/> musz durch ein Auflösungsmittel bewirkt werden, was wahrscheinlich<lb/> aus einem Ferment in Verbindung mit einer Säure besteht<note place="foot" n="11">Nachdem dieser Satz geschrieben war, habe ich einen Aufsatz von <hi rendition="#g">Gorup-<lb/> Besanez</hi> erhalten (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft, Berlin, 1874,<lb/> p. 1478), welcher mit Unterstützung des Dr. <hi rendition="#g">Will</hi> factisch die Entdeckung<lb/> gemacht hat, dasz die Samen der Wicke ein Ferment enthalten, welches, wenn es<lb/> mit Glycerin ausgezogen ist, albuminöse Substanzen, so z. B. Fibrin, auflöst und<lb/> sie in echte Peptone umwandelt.</note>. Nun<lb/> wird bei denjenigen Pflanzen, welche fähig sind, bereits lösliche Sub-<lb/> stanz aus gefangenen Insecten zu absorbiren, wennschon sie keiner<lb/> wahren Verdauung fähig sind, das eben erwähnte Lösungsmittel, wel-<lb/> ches gelegentlich in den Drüsen vorhanden sein musz, gern in Ver-<lb/> bindung mit dem klebrigen Secrete aus den Drüsen ausschwitzen, in-<lb/> sofern ja Endosmose von Exosmose begleitet ist. Wenn eine solche<lb/> Ausschwitzung je eintritt, wird das Lösungsmittel auf die innerhalb<lb/> der gefangenen Insecten enthaltenen animalen Substanz einwirken, und<lb/> dies wird dann ein Act wahrer Verdauung sein. Da nicht bezweifelt<lb/> werden kann, dasz dieser Procesz für Pflanzen, welche in sehr armem<lb/> Boden wachsen, von groszem Nutzen sein würde, so wird es danach<lb/> streben, durch natürliche Zuchtwahl immer weiter vervollkommnet<lb/> zu werden. Es könnte daher jede gewöhnliche Pflanze, welche kleb-<lb/> rige Drüsen besitzt und damit gelegentlich Insecten fängt, in dieser<lb/> Weise unter günstigen Umständen in eine Species verwandelt werden,<lb/> welche das Vermögen wahrer Verdauung besitzt. Es hört daher auf,<lb/> irgend ein groszes Geheimnis zu sein, wie mehrere, in keiner Weise<lb/> nahe mit einander verwandte Pflanzen, unabhängig von einander die-<lb/> ses selbe Vermögen erlangt haben.</p><lb/> <p>Da mehrere Pflanzen existiren, deren Drüsen, so viel bis jetzt<lb/> bekannt ist, animale Substanz nicht verdauen können, aber doch<lb/> Ammoniaksalze und thierische Flüssigkeiten absorbiren können, so ist<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [327/0341]
Cap. 15. über die Droseraceen.
Sachs wiederholt hervorhebt 10, die Embryonen einiger Pflanzen eine
Flüssigkeit ab, welche eiweiszartige Substanzen aus dem Endosperm
auflöst, obgleich das Endosperm nicht mit dem Embryo verbunden
ist, sondern nur mit ihm in Berührung steht. Überdies haben die
Pflanzen das Vermögen, eiweiszartige oder protëinartige Substanzen,
wie Protoplasma, Chlorophyll, Leim, Aleurone aufzulösen und sie von
einem Theil zu andern Theilen ihrer Gewebe fortzuschaffen. Dies
musz durch ein Auflösungsmittel bewirkt werden, was wahrscheinlich
aus einem Ferment in Verbindung mit einer Säure besteht 11. Nun
wird bei denjenigen Pflanzen, welche fähig sind, bereits lösliche Sub-
stanz aus gefangenen Insecten zu absorbiren, wennschon sie keiner
wahren Verdauung fähig sind, das eben erwähnte Lösungsmittel, wel-
ches gelegentlich in den Drüsen vorhanden sein musz, gern in Ver-
bindung mit dem klebrigen Secrete aus den Drüsen ausschwitzen, in-
sofern ja Endosmose von Exosmose begleitet ist. Wenn eine solche
Ausschwitzung je eintritt, wird das Lösungsmittel auf die innerhalb
der gefangenen Insecten enthaltenen animalen Substanz einwirken, und
dies wird dann ein Act wahrer Verdauung sein. Da nicht bezweifelt
werden kann, dasz dieser Procesz für Pflanzen, welche in sehr armem
Boden wachsen, von groszem Nutzen sein würde, so wird es danach
streben, durch natürliche Zuchtwahl immer weiter vervollkommnet
zu werden. Es könnte daher jede gewöhnliche Pflanze, welche kleb-
rige Drüsen besitzt und damit gelegentlich Insecten fängt, in dieser
Weise unter günstigen Umständen in eine Species verwandelt werden,
welche das Vermögen wahrer Verdauung besitzt. Es hört daher auf,
irgend ein groszes Geheimnis zu sein, wie mehrere, in keiner Weise
nahe mit einander verwandte Pflanzen, unabhängig von einander die-
ses selbe Vermögen erlangt haben.
Da mehrere Pflanzen existiren, deren Drüsen, so viel bis jetzt
bekannt ist, animale Substanz nicht verdauen können, aber doch
Ammoniaksalze und thierische Flüssigkeiten absorbiren können, so ist
10 Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874, p. 688. Wegen der folgenden That-
sachen s. auch p. 57, 63, 678, 679.
11 Nachdem dieser Satz geschrieben war, habe ich einen Aufsatz von Gorup-
Besanez erhalten (Berichte der deutschen chem. Gesellschaft, Berlin, 1874,
p. 1478), welcher mit Unterstützung des Dr. Will factisch die Entdeckung
gemacht hat, dasz die Samen der Wicke ein Ferment enthalten, welches, wenn es
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