Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Cap. 15. Absorptions-Vermögen.

Ein Stück eines jungen Blüthenstengels wurde zuerst 2 Stunden
30 Minuten lang in destillirtes Wasser getaucht; davon wurden die drüsi-
gen Haare durchaus nicht afficirt. Ein anderes, fünfundzwanzig kurze
und neun lange Haare tragendes Stück wurde sorgfältig untersucht. Die
Drüsen dieses letzteren enthielten keine feste oder halbfeste Substanz; und
nur die von zweien der fünfundzwanzig kurzen Haare enthielten einige
Körnchen. Das Stück wurde dann zwei Stunden lang in eine Lösung
von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser gethan,
und nun enthielten die Drüsen der fünfundzwanzig kürzeren Haare mit
zwei oder drei Ausnahmen entweder eine grosze sphärische Masse oder
von zwei bis fünf kleine Massen halbfester Substanz. Drei von den
Drüsen der neun längeren Haare enthielten gleichfalls ähnliche Massen.
An einigen wenigen Haaren fanden sich auch Kügelchen in den Zellen
unmittelbar unterhalb der Drüsen. Betrachtet man alle vierunddreiszig
Haare, so konnte kein Zweifel bestehen, dasz die Drüsen etwas von dem
kohlensaurem Ammoniak aufgesaugt hatten. Ein anderes Stück wurde
nur 1 Stunde lang in derselben Lösung gelassen, und in allen Drüsen
erschien zusammengeballte Substanz. Mein Sohn Francis untersuchte
einige Drüsen der längeren Haare, welche kleine Substanzmassen ent-
hielten, ehe sie in irgend eine Lösung gethan wurden; diese Massen ver-
änderten langsam ihre Form, so dasz sie ohne Zweifel aus Protoplasma
bestanden. Er befeuchtete dann diese Haare 1 Stunde 15 Minuten lang,
während sie unter dem Mikroskop waren, mit einer Lösung von einem Theil
kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser; die Drüsen wurden
nicht wahrnehmbar afficirt, auch konnte dies nicht erwartet werden, da
ihr Zelleninhalt bereits zusammengeballt war. Aber in den Zellen der
Stiele erschienen zahlreiche, beinahe farblose Kugeln von Substanz, welche
ihre Form änderten und langsam verschmolzen; das Aussehen der Zellen
wurde daher in aufeinander folgenden Zeitabschnitten gänzlich verändert.

Die Drüsen an einem jungen Blüthenstengel enthielten, nachdem sie
2 Stunden 45 Minuten lang in einer starken Lösung von einem Theile
kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser liegen gelassen worden
waren, eine bedeutende Menge zusammengeballter Massen; ob dieselben
aber durch Einwirkung des Salzes entstanden waren, weisz ich nicht. Dies
Stück wurde nochmals in die Lösung getaucht, so dasz es im Ganzen
6 Stunden 15 Minuten eingetaucht war, und nun war eine grosze Ver-
änderung zu bemerken; denn beinahe alle die sphärischen Massen inner-
halb der Drüsenzellen waren verschwunden und waren durch körnige Sub-
stanz von einem dunkleren Braun ersetzt. Dieser Versuch wurde dreimal
wiederholt mit nahezu demselben Resultat. Bei einer Gelegenheit wurde
das Stengelstück 8 Stunden 30 Minuten eingetaucht gelassen, und ob-
gleich beinahe alle sphärische Massen in die braune körnige Substanz
verwandelt worden waren, so blieben doch noch einige wenige übrig.
Wenn die sphärischen Massen zusammengeballter Substanz ursprünglich
blosz durch irgend eine chemische oder physikalische Einwirkung hervor-
gebracht worden wären, so würde es befremdlich erscheinen, dasz ein
etwas längeres Eintauchen in dieselbe Lösung ihren Character so voll-
ständig verändern sollte. Da aber die Massen, welche langsam und ganz
von selbst ihre Form änderten, aus lebendigem Protoplasma bestanden

Cap. 15. Absorptions-Vermögen.

Ein Stück eines jungen Blüthenstengels wurde zuerst 2 Stunden
30 Minuten lang in destillirtes Wasser getaucht; davon wurden die drüsi-
gen Haare durchaus nicht afficirt. Ein anderes, fünfundzwanzig kurze
und neun lange Haare tragendes Stück wurde sorgfältig untersucht. Die
Drüsen dieses letzteren enthielten keine feste oder halbfeste Substanz; und
nur die von zweien der fünfundzwanzig kurzen Haare enthielten einige
Körnchen. Das Stück wurde dann zwei Stunden lang in eine Lösung
von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser gethan,
und nun enthielten die Drüsen der fünfundzwanzig kürzeren Haare mit
zwei oder drei Ausnahmen entweder eine grosze sphärische Masse oder
von zwei bis fünf kleine Massen halbfester Substanz. Drei von den
Drüsen der neun längeren Haare enthielten gleichfalls ähnliche Massen.
An einigen wenigen Haaren fanden sich auch Kügelchen in den Zellen
unmittelbar unterhalb der Drüsen. Betrachtet man alle vierunddreiszig
Haare, so konnte kein Zweifel bestehen, dasz die Drüsen etwas von dem
kohlensaurem Ammoniak aufgesaugt hatten. Ein anderes Stück wurde
nur 1 Stunde lang in derselben Lösung gelassen, und in allen Drüsen
erschien zusammengeballte Substanz. Mein Sohn Francis untersuchte
einige Drüsen der längeren Haare, welche kleine Substanzmassen ent-
hielten, ehe sie in irgend eine Lösung gethan wurden; diese Massen ver-
änderten langsam ihre Form, so dasz sie ohne Zweifel aus Protoplasma
bestanden. Er befeuchtete dann diese Haare 1 Stunde 15 Minuten lang,
während sie unter dem Mikroskop waren, mit einer Lösung von einem Theil
kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser; die Drüsen wurden
nicht wahrnehmbar afficirt, auch konnte dies nicht erwartet werden, da
ihr Zelleninhalt bereits zusammengeballt war. Aber in den Zellen der
Stiele erschienen zahlreiche, beinahe farblose Kugeln von Substanz, welche
ihre Form änderten und langsam verschmolzen; das Aussehen der Zellen
wurde daher in aufeinander folgenden Zeitabschnitten gänzlich verändert.

Die Drüsen an einem jungen Blüthenstengel enthielten, nachdem sie
2 Stunden 45 Minuten lang in einer starken Lösung von einem Theile
kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser liegen gelassen worden
waren, eine bedeutende Menge zusammengeballter Massen; ob dieselben
aber durch Einwirkung des Salzes entstanden waren, weisz ich nicht. Dies
Stück wurde nochmals in die Lösung getaucht, so dasz es im Ganzen
6 Stunden 15 Minuten eingetaucht war, und nun war eine grosze Ver-
änderung zu bemerken; denn beinahe alle die sphärischen Massen inner-
halb der Drüsenzellen waren verschwunden und waren durch körnige Sub-
stanz von einem dunkleren Braun ersetzt. Dieser Versuch wurde dreimal
wiederholt mit nahezu demselben Resultat. Bei einer Gelegenheit wurde
das Stengelstück 8 Stunden 30 Minuten eingetaucht gelassen, und ob-
gleich beinahe alle sphärische Massen in die braune körnige Substanz
verwandelt worden waren, so blieben doch noch einige wenige übrig.
Wenn die sphärischen Massen zusammengeballter Substanz ursprünglich
blosz durch irgend eine chemische oder physikalische Einwirkung hervor-
gebracht worden wären, so würde es befremdlich erscheinen, dasz ein
etwas längeres Eintauchen in dieselbe Lösung ihren Character so voll-
ständig verändern sollte. Da aber die Massen, welche langsam und ganz
von selbst ihre Form änderten, aus lebendigem Protoplasma bestanden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0329" n="315"/>
          <fw place="top" type="header">Cap. 15. Absorptions-Vermögen.</fw><lb/>
          <p>Ein Stück eines jungen Blüthenstengels wurde zuerst 2 Stunden<lb/>
30 Minuten lang in destillirtes Wasser getaucht; davon wurden die drüsi-<lb/>
gen Haare durchaus nicht afficirt. Ein anderes, fünfundzwanzig kurze<lb/>
und neun lange Haare tragendes Stück wurde sorgfältig untersucht. Die<lb/>
Drüsen dieses letzteren enthielten keine feste oder halbfeste Substanz; und<lb/>
nur die von zweien der fünfundzwanzig kurzen Haare enthielten einige<lb/>
Körnchen. Das Stück wurde dann zwei Stunden lang in eine Lösung<lb/>
von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser gethan,<lb/>
und nun enthielten die Drüsen der fünfundzwanzig kürzeren Haare mit<lb/>
zwei oder drei Ausnahmen entweder eine grosze sphärische Masse oder<lb/>
von zwei bis fünf kleine Massen halbfester Substanz. Drei von den<lb/>
Drüsen der neun längeren Haare enthielten gleichfalls ähnliche Massen.<lb/>
An einigen wenigen Haaren fanden sich auch Kügelchen in den Zellen<lb/>
unmittelbar unterhalb der Drüsen. Betrachtet man alle vierunddreiszig<lb/>
Haare, so konnte kein Zweifel bestehen, dasz die Drüsen etwas von dem<lb/>
kohlensaurem Ammoniak aufgesaugt hatten. Ein anderes Stück wurde<lb/>
nur 1 Stunde lang in derselben Lösung gelassen, und in allen Drüsen<lb/>
erschien zusammengeballte Substanz. Mein Sohn <hi rendition="#k">Francis</hi> untersuchte<lb/>
einige Drüsen der längeren Haare, welche kleine Substanzmassen ent-<lb/>
hielten, ehe sie in irgend eine Lösung gethan wurden; diese Massen ver-<lb/>
änderten langsam ihre Form, so dasz sie ohne Zweifel aus Protoplasma<lb/>
bestanden. Er befeuchtete dann diese Haare 1 Stunde 15 Minuten lang,<lb/>
während sie unter dem Mikroskop waren, mit einer Lösung von einem Theil<lb/>
kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser; die Drüsen wurden<lb/>
nicht wahrnehmbar afficirt, auch konnte dies nicht erwartet werden, da<lb/>
ihr Zelleninhalt bereits zusammengeballt war. Aber in den Zellen der<lb/>
Stiele erschienen zahlreiche, beinahe farblose Kugeln von Substanz, welche<lb/>
ihre Form änderten und langsam verschmolzen; das Aussehen der Zellen<lb/>
wurde daher in aufeinander folgenden Zeitabschnitten gänzlich verändert.</p><lb/>
          <p>Die Drüsen an einem jungen Blüthenstengel enthielten, nachdem sie<lb/>
2 Stunden 45 Minuten lang in einer starken Lösung von einem Theile<lb/>
kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser liegen gelassen worden<lb/>
waren, eine bedeutende Menge zusammengeballter Massen; ob dieselben<lb/>
aber durch Einwirkung des Salzes entstanden waren, weisz ich nicht. Dies<lb/>
Stück wurde nochmals in die Lösung getaucht, so dasz es im Ganzen<lb/>
6 Stunden 15 Minuten eingetaucht war, und nun war eine grosze Ver-<lb/>
änderung zu bemerken; denn beinahe alle die sphärischen Massen inner-<lb/>
halb der Drüsenzellen waren verschwunden und waren durch körnige Sub-<lb/>
stanz von einem dunkleren Braun ersetzt. Dieser Versuch wurde dreimal<lb/>
wiederholt mit nahezu demselben Resultat. Bei einer Gelegenheit wurde<lb/>
das Stengelstück 8 Stunden 30 Minuten eingetaucht gelassen, und ob-<lb/>
gleich beinahe alle sphärische Massen in die braune körnige Substanz<lb/>
verwandelt worden waren, so blieben doch noch einige wenige übrig.<lb/>
Wenn die sphärischen Massen zusammengeballter Substanz ursprünglich<lb/>
blosz durch irgend eine chemische oder physikalische Einwirkung hervor-<lb/>
gebracht worden wären, so würde es befremdlich erscheinen, dasz ein<lb/>
etwas längeres Eintauchen in dieselbe Lösung ihren Character so voll-<lb/>
ständig verändern sollte. Da aber die Massen, welche langsam und ganz<lb/>
von selbst ihre Form änderten, aus lebendigem Protoplasma bestanden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0329] Cap. 15. Absorptions-Vermögen. Ein Stück eines jungen Blüthenstengels wurde zuerst 2 Stunden 30 Minuten lang in destillirtes Wasser getaucht; davon wurden die drüsi- gen Haare durchaus nicht afficirt. Ein anderes, fünfundzwanzig kurze und neun lange Haare tragendes Stück wurde sorgfältig untersucht. Die Drüsen dieses letzteren enthielten keine feste oder halbfeste Substanz; und nur die von zweien der fünfundzwanzig kurzen Haare enthielten einige Körnchen. Das Stück wurde dann zwei Stunden lang in eine Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser gethan, und nun enthielten die Drüsen der fünfundzwanzig kürzeren Haare mit zwei oder drei Ausnahmen entweder eine grosze sphärische Masse oder von zwei bis fünf kleine Massen halbfester Substanz. Drei von den Drüsen der neun längeren Haare enthielten gleichfalls ähnliche Massen. An einigen wenigen Haaren fanden sich auch Kügelchen in den Zellen unmittelbar unterhalb der Drüsen. Betrachtet man alle vierunddreiszig Haare, so konnte kein Zweifel bestehen, dasz die Drüsen etwas von dem kohlensaurem Ammoniak aufgesaugt hatten. Ein anderes Stück wurde nur 1 Stunde lang in derselben Lösung gelassen, und in allen Drüsen erschien zusammengeballte Substanz. Mein Sohn Francis untersuchte einige Drüsen der längeren Haare, welche kleine Substanzmassen ent- hielten, ehe sie in irgend eine Lösung gethan wurden; diese Massen ver- änderten langsam ihre Form, so dasz sie ohne Zweifel aus Protoplasma bestanden. Er befeuchtete dann diese Haare 1 Stunde 15 Minuten lang, während sie unter dem Mikroskop waren, mit einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 218 Theile Wasser; die Drüsen wurden nicht wahrnehmbar afficirt, auch konnte dies nicht erwartet werden, da ihr Zelleninhalt bereits zusammengeballt war. Aber in den Zellen der Stiele erschienen zahlreiche, beinahe farblose Kugeln von Substanz, welche ihre Form änderten und langsam verschmolzen; das Aussehen der Zellen wurde daher in aufeinander folgenden Zeitabschnitten gänzlich verändert. Die Drüsen an einem jungen Blüthenstengel enthielten, nachdem sie 2 Stunden 45 Minuten lang in einer starken Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser liegen gelassen worden waren, eine bedeutende Menge zusammengeballter Massen; ob dieselben aber durch Einwirkung des Salzes entstanden waren, weisz ich nicht. Dies Stück wurde nochmals in die Lösung getaucht, so dasz es im Ganzen 6 Stunden 15 Minuten eingetaucht war, und nun war eine grosze Ver- änderung zu bemerken; denn beinahe alle die sphärischen Massen inner- halb der Drüsenzellen waren verschwunden und waren durch körnige Sub- stanz von einem dunkleren Braun ersetzt. Dieser Versuch wurde dreimal wiederholt mit nahezu demselben Resultat. Bei einer Gelegenheit wurde das Stengelstück 8 Stunden 30 Minuten eingetaucht gelassen, und ob- gleich beinahe alle sphärische Massen in die braune körnige Substanz verwandelt worden waren, so blieben doch noch einige wenige übrig. Wenn die sphärischen Massen zusammengeballter Substanz ursprünglich blosz durch irgend eine chemische oder physikalische Einwirkung hervor- gebracht worden wären, so würde es befremdlich erscheinen, dasz ein etwas längeres Eintauchen in dieselbe Lösung ihren Character so voll- ständig verändern sollte. Da aber die Massen, welche langsam und ganz von selbst ihre Form änderten, aus lebendigem Protoplasma bestanden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/329
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/329>, abgerufen am 18.05.2024.