Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drüsen-Haare. Cap. 15.
andern Zwecke absondern, und doch das Vermögen zu absorbiren
haben könnten. Ich bedaure, dasz ich in den folgenden Fällen nicht
versucht habe, ob das Secret animale Substanz verdauen oder löslich
machen kann; derartige Versuche würden aber wegen der geringen
Grösze der Drüsen und der geringen Menge Secret schwierig gewesen
sein. Wir werden im nächsten Capitel sehen, dasz das Secret von
den drüsigen Haaren der Pinguicula sicher animale Substanz auflöst.

Saxifraga umbrosa. -- Die Blüthenstengel und Blattstiele sind mit
kurzen Haaren bekleidet, welche rosa gefärbte Drüsen tragen, die aus
mehreren polygonalen Zellen gebildet sind und deren Stiele durch Scheide-
wände in einzelnen Zellen abgetheilt sind; diese sind meistens farblos,
aber zuweilen rosa. Die Drüsen sondern eine gelbliche klebrige Flüssig-
keit ab, mit welcher zuweilen, wennschon nicht häufig, sehr kleine Dip-
tern gefangen werden3. Die Zellen der Drüsen enthalten hell rosa Flüssig-
keit, welche mit Körnchen oder kugligen Massen blaszröthlicher breiiger
Substanz dicht erfüllt ist. Diese Substanz musz Protoplasma sein; denn
wenn eine Drüse in einen Tropfen Wasser gelegt und untersucht wird,
sieht man dieselbe langsame aber unaufhörliche Formveränderungen er-
leiden. Ähnliche Bewegungen wurden beobachtet, nachdem Drüsen 1, 3,
5, 18 und 27 Stunden lang im Wasser liegen gelassen worden waren.
Selbst nach dem letzterwähnten Zeitraum behielten die Drüsen ihre helle
rosa Färbung, und das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen erschien nicht
so, als sei es noch weiter zusammengeballt worden. Die beständig sich
ändernden Formen der kleinen Protoplasma-Massen sind nicht Folge einer
Absorption von Wasser, da sie an trocken gehaltenen Drüsen gesehen
wurden.

Ein, noch mit der Pflanze zusammenhängender Blüthenstengel wurde
(29. Mai) so gebogen, dasz er 23 Stunden 30 Minuten in einem starken
Aufgusz von rohem Fleisch eingetaucht blieb. Die Farbe des Inhalts
der Drüsen war unbedeutend verändert, indem er jetzt von einem trübe-
ren und mehr purpurartigen Farbenton war wie vorher. Auch erschien
der Zelleninhalt mehr zusammengeballt, denn die Zwischenräume zwischen
den kleinen Protoplasma-Massen waren weiter; das letztere Resultat trat
aber in einigen anderen und ähnlichen Experimenten nicht ein. Die
Massen schienen ihre Form rapider zu verändern als die in Wasser, so
dasz die Zellen alle 4 oder 5 Minuten eine andere Erscheinung darboten.
Länglich ausgezogene Massen wurden im Laufe von 1 oder 2 Minuten
sphärisch, und sphärische zogen sich aus und vereinigten sich mit andern.
Minutiöse Massen nahmen rapid an Grösze zu und es wurde beobachtet,
wie sich drei verschiedene zu einer vereinigten. Kurz, die Bewegungen
waren genau gleich denen, welche bei der Drosera beschrieben wurden.

3 In Bezug auf Saxifraga tridactylites sagt Druce (Pharmaceutical Journal,
May, 1875), dasz er einige Dutzend Pflanzen untersucht und beinahe in jedem
einzelnen Falle Reste von Insecten an den Blättern hängend gefunden habe. Dies
ist auch, wie ich von einem Freunde höre, mit dieser Pflanze in Irland der Fall

Drüsen-Haare. Cap. 15.
andern Zwecke absondern, und doch das Vermögen zu absorbiren
haben könnten. Ich bedaure, dasz ich in den folgenden Fällen nicht
versucht habe, ob das Secret animale Substanz verdauen oder löslich
machen kann; derartige Versuche würden aber wegen der geringen
Grösze der Drüsen und der geringen Menge Secret schwierig gewesen
sein. Wir werden im nächsten Capitel sehen, dasz das Secret von
den drüsigen Haaren der Pinguicula sicher animale Substanz auflöst.

Saxifraga umbrosa. — Die Blüthenstengel und Blattstiele sind mit
kurzen Haaren bekleidet, welche rosa gefärbte Drüsen tragen, die aus
mehreren polygonalen Zellen gebildet sind und deren Stiele durch Scheide-
wände in einzelnen Zellen abgetheilt sind; diese sind meistens farblos,
aber zuweilen rosa. Die Drüsen sondern eine gelbliche klebrige Flüssig-
keit ab, mit welcher zuweilen, wennschon nicht häufig, sehr kleine Dip-
tern gefangen werden3. Die Zellen der Drüsen enthalten hell rosa Flüssig-
keit, welche mit Körnchen oder kugligen Massen blaszröthlicher breiiger
Substanz dicht erfüllt ist. Diese Substanz musz Protoplasma sein; denn
wenn eine Drüse in einen Tropfen Wasser gelegt und untersucht wird,
sieht man dieselbe langsame aber unaufhörliche Formveränderungen er-
leiden. Ähnliche Bewegungen wurden beobachtet, nachdem Drüsen 1, 3,
5, 18 und 27 Stunden lang im Wasser liegen gelassen worden waren.
Selbst nach dem letzterwähnten Zeitraum behielten die Drüsen ihre helle
rosa Färbung, und das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen erschien nicht
so, als sei es noch weiter zusammengeballt worden. Die beständig sich
ändernden Formen der kleinen Protoplasma-Massen sind nicht Folge einer
Absorption von Wasser, da sie an trocken gehaltenen Drüsen gesehen
wurden.

Ein, noch mit der Pflanze zusammenhängender Blüthenstengel wurde
(29. Mai) so gebogen, dasz er 23 Stunden 30 Minuten in einem starken
Aufgusz von rohem Fleisch eingetaucht blieb. Die Farbe des Inhalts
der Drüsen war unbedeutend verändert, indem er jetzt von einem trübe-
ren und mehr purpurartigen Farbenton war wie vorher. Auch erschien
der Zelleninhalt mehr zusammengeballt, denn die Zwischenräume zwischen
den kleinen Protoplasma-Massen waren weiter; das letztere Resultat trat
aber in einigen anderen und ähnlichen Experimenten nicht ein. Die
Massen schienen ihre Form rapider zu verändern als die in Wasser, so
dasz die Zellen alle 4 oder 5 Minuten eine andere Erscheinung darboten.
Länglich ausgezogene Massen wurden im Laufe von 1 oder 2 Minuten
sphärisch, und sphärische zogen sich aus und vereinigten sich mit andern.
Minutiöse Massen nahmen rapid an Grösze zu und es wurde beobachtet,
wie sich drei verschiedene zu einer vereinigten. Kurz, die Bewegungen
waren genau gleich denen, welche bei der Drosera beschrieben wurden.

3 In Bezug auf Saxifraga tridactylites sagt Druce (Pharmaceutical Journal,
May, 1875), dasz er einige Dutzend Pflanzen untersucht und beinahe in jedem
einzelnen Falle Reste von Insecten an den Blättern hängend gefunden habe. Dies
ist auch, wie ich von einem Freunde höre, mit dieser Pflanze in Irland der Fall
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0326" n="312"/><fw place="top" type="header">Drüsen-Haare. Cap. 15.</fw><lb/>
andern Zwecke absondern, und doch das Vermögen zu absorbiren<lb/>
haben könnten. Ich bedaure, dasz ich in den folgenden Fällen nicht<lb/>
versucht habe, ob das Secret animale Substanz verdauen oder löslich<lb/>
machen kann; derartige Versuche würden aber wegen der geringen<lb/>
Grösze der Drüsen und der geringen Menge Secret schwierig gewesen<lb/>
sein. Wir werden im nächsten Capitel sehen, dasz das Secret von<lb/>
den drüsigen Haaren der <hi rendition="#i">Pinguicula</hi> sicher animale Substanz auflöst.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">Saxifraga umbrosa.</hi> &#x2014; Die Blüthenstengel und Blattstiele sind mit<lb/>
kurzen Haaren bekleidet, welche rosa gefärbte Drüsen tragen, die aus<lb/>
mehreren polygonalen Zellen gebildet sind und deren Stiele durch Scheide-<lb/>
wände in einzelnen Zellen abgetheilt sind; diese sind meistens farblos,<lb/>
aber zuweilen rosa. Die Drüsen sondern eine gelbliche klebrige Flüssig-<lb/>
keit ab, mit welcher zuweilen, wennschon nicht häufig, sehr kleine Dip-<lb/>
tern gefangen werden<note place="foot" n="3">In Bezug auf <hi rendition="#i">Saxifraga tridactylites</hi> sagt <hi rendition="#g">Druce</hi> (Pharmaceutical Journal,<lb/>
May, 1875), dasz er einige Dutzend Pflanzen untersucht und beinahe in jedem<lb/>
einzelnen Falle Reste von Insecten an den Blättern hängend gefunden habe. Dies<lb/>
ist auch, wie ich von einem Freunde höre, mit dieser Pflanze in Irland der Fall</note>. Die Zellen der Drüsen enthalten hell rosa Flüssig-<lb/>
keit, welche mit Körnchen oder kugligen Massen blaszröthlicher breiiger<lb/>
Substanz dicht erfüllt ist. Diese Substanz musz Protoplasma sein; denn<lb/>
wenn eine Drüse in einen Tropfen Wasser gelegt und untersucht wird,<lb/>
sieht man dieselbe langsame aber unaufhörliche Formveränderungen er-<lb/>
leiden. Ähnliche Bewegungen wurden beobachtet, nachdem Drüsen 1, 3,<lb/>
5, 18 und 27 Stunden lang im Wasser liegen gelassen worden waren.<lb/>
Selbst nach dem letzterwähnten Zeitraum behielten die Drüsen ihre helle<lb/>
rosa Färbung, und das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen erschien nicht<lb/>
so, als sei es noch weiter zusammengeballt worden. Die beständig sich<lb/>
ändernden Formen der kleinen Protoplasma-Massen sind nicht Folge einer<lb/>
Absorption von Wasser, da sie an trocken gehaltenen Drüsen gesehen<lb/>
wurden.</p><lb/>
          <p>Ein, noch mit der Pflanze zusammenhängender Blüthenstengel wurde<lb/>
(29. Mai) so gebogen, dasz er 23 Stunden 30 Minuten in einem starken<lb/>
Aufgusz von rohem Fleisch eingetaucht blieb. Die Farbe des Inhalts<lb/>
der Drüsen war unbedeutend verändert, indem er jetzt von einem trübe-<lb/>
ren und mehr purpurartigen Farbenton war wie vorher. Auch erschien<lb/>
der Zelleninhalt mehr zusammengeballt, denn die Zwischenräume zwischen<lb/>
den kleinen Protoplasma-Massen waren weiter; das letztere Resultat trat<lb/>
aber in einigen anderen und ähnlichen Experimenten nicht ein. Die<lb/>
Massen schienen ihre Form rapider zu verändern als die in Wasser, so<lb/>
dasz die Zellen alle 4 oder 5 Minuten eine andere Erscheinung darboten.<lb/>
Länglich ausgezogene Massen wurden im Laufe von 1 oder 2 Minuten<lb/>
sphärisch, und sphärische zogen sich aus und vereinigten sich mit andern.<lb/>
Minutiöse Massen nahmen rapid an Grösze zu und es wurde beobachtet,<lb/>
wie sich drei verschiedene zu einer vereinigten. Kurz, die Bewegungen<lb/>
waren genau gleich denen, welche bei der <hi rendition="#i">Drosera</hi> beschrieben wurden.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0326] Drüsen-Haare. Cap. 15. andern Zwecke absondern, und doch das Vermögen zu absorbiren haben könnten. Ich bedaure, dasz ich in den folgenden Fällen nicht versucht habe, ob das Secret animale Substanz verdauen oder löslich machen kann; derartige Versuche würden aber wegen der geringen Grösze der Drüsen und der geringen Menge Secret schwierig gewesen sein. Wir werden im nächsten Capitel sehen, dasz das Secret von den drüsigen Haaren der Pinguicula sicher animale Substanz auflöst. Saxifraga umbrosa. — Die Blüthenstengel und Blattstiele sind mit kurzen Haaren bekleidet, welche rosa gefärbte Drüsen tragen, die aus mehreren polygonalen Zellen gebildet sind und deren Stiele durch Scheide- wände in einzelnen Zellen abgetheilt sind; diese sind meistens farblos, aber zuweilen rosa. Die Drüsen sondern eine gelbliche klebrige Flüssig- keit ab, mit welcher zuweilen, wennschon nicht häufig, sehr kleine Dip- tern gefangen werden 3. Die Zellen der Drüsen enthalten hell rosa Flüssig- keit, welche mit Körnchen oder kugligen Massen blaszröthlicher breiiger Substanz dicht erfüllt ist. Diese Substanz musz Protoplasma sein; denn wenn eine Drüse in einen Tropfen Wasser gelegt und untersucht wird, sieht man dieselbe langsame aber unaufhörliche Formveränderungen er- leiden. Ähnliche Bewegungen wurden beobachtet, nachdem Drüsen 1, 3, 5, 18 und 27 Stunden lang im Wasser liegen gelassen worden waren. Selbst nach dem letzterwähnten Zeitraum behielten die Drüsen ihre helle rosa Färbung, und das Protoplasma innerhalb ihrer Zellen erschien nicht so, als sei es noch weiter zusammengeballt worden. Die beständig sich ändernden Formen der kleinen Protoplasma-Massen sind nicht Folge einer Absorption von Wasser, da sie an trocken gehaltenen Drüsen gesehen wurden. Ein, noch mit der Pflanze zusammenhängender Blüthenstengel wurde (29. Mai) so gebogen, dasz er 23 Stunden 30 Minuten in einem starken Aufgusz von rohem Fleisch eingetaucht blieb. Die Farbe des Inhalts der Drüsen war unbedeutend verändert, indem er jetzt von einem trübe- ren und mehr purpurartigen Farbenton war wie vorher. Auch erschien der Zelleninhalt mehr zusammengeballt, denn die Zwischenräume zwischen den kleinen Protoplasma-Massen waren weiter; das letztere Resultat trat aber in einigen anderen und ähnlichen Experimenten nicht ein. Die Massen schienen ihre Form rapider zu verändern als die in Wasser, so dasz die Zellen alle 4 oder 5 Minuten eine andere Erscheinung darboten. Länglich ausgezogene Massen wurden im Laufe von 1 oder 2 Minuten sphärisch, und sphärische zogen sich aus und vereinigten sich mit andern. Minutiöse Massen nahmen rapid an Grösze zu und es wurde beobachtet, wie sich drei verschiedene zu einer vereinigten. Kurz, die Bewegungen waren genau gleich denen, welche bei der Drosera beschrieben wurden. 3 In Bezug auf Saxifraga tridactylites sagt Druce (Pharmaceutical Journal, May, 1875), dasz er einige Dutzend Pflanzen untersucht und beinahe in jedem einzelnen Falle Reste von Insecten an den Blättern hängend gefunden habe. Dies ist auch, wie ich von einem Freunde höre, mit dieser Pflanze in Irland der Fall

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/326
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/326>, abgerufen am 17.05.2024.