beobachtet, und Bruchstücke von Insecten, Stückchen von rohem Fleisch, Eiweisz u. s. w., Tropfen einer Lösung von zwei Ammoniak- salzen und von Speichel wurden auf die Drüsen vieler Tentakeln ge- bracht; es konnte aber niemals auch nur eine Spur von Bewegung entdeckt werden. Ich reizte auch wiederholt die Drüsen mit einer Nadel und kratzte und stach die Blattscheibe, aber weder die Blatt- scheibe noch die Tentakeln wurden irgendwie eingebogen. Wir dür- fen daher schlieszen, dasz sie einer Bewegung unfähig sind.
Über das den Drüsen eigene Absorptionsvermögen. -- Es ist bereits indirect gezeigt worden, dasz die Drüsen auf Stielen animale Substanz absorbiren; dies wird auch ferner durch die Ver- änderung ihrer Farbe und durch die Zusammenballung ihres Zellen- inhalts bewiesen, nachdem sie mit stickstoffhaltigen Substanzen oder Flüssigkeiten in Berührung gelassen worden waren. Die folgenden Beobachtungen beziehn sich sowohl auf die von Stielen getragenen Drüsen als auch auf die sehr kleinen direct aufsitzenden. Ehe eine Drüse in irgend einer Weise gereizt worden ist, enthalten die äuszern Zellen gewöhnlich nur klare purpurne Flüssigkeit; die weiter nach der Mitte hin gelegenen enthalten maulbeerförmige Massen von pur- purner granulöser Substanz. Ein Blatt wurde in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser (3 Gran auf 1 Unze) gelegt, und augenblicklich wurden die Drüsen dunkel und sehr bald schwarz; diese Farbenveränderung war Folge der stark ausgesprochenen Zusammenballung des Inhalts ihrer Zellen, ganz besonders der inneren Zellen. Ein anderes Blatt wurde in eine Lösung (von der nämlichen Stärke) von salpetersaurem Ammoniak ge- than; die Drüsen wurden unbedeutend dunkel in 25 Minuten, stärker in 50 Minuten, und nach 1 Stunde 30 Minuten waren sie so dunkel roth, dasz sie beinahe schwarz erschienen. Andere Blätter wurden in einen schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in menschlichen Speichel gethan; in 25 Minuten hatten die Drüsen bedeutend gedun- kelt, und nach 40 Minuten waren sie so dunkel, dasz sie beinahe ver- dienten schwarz genannt zu werden. Selbst ein einen ganzen Tag lang währendes Einlegen in destillirtes Wasser bewirkt gelegentlich etwas Zusammenballung innerhalb der Drüsen, so dasz sie eine dunk- lere Färbung erhalten. In allen diesen Fällen werden die Drüsen in genau derselben Art und Weise afficirt, wie die der Drosera. Milch, welche so energisch auf Drosera einwirkt, scheint für Drosophyllum
Darwin, Insectenressende Pflanzen. (VIII.) 20
Cap. 15. Absorption.
beobachtet, und Bruchstücke von Insecten, Stückchen von rohem Fleisch, Eiweisz u. s. w., Tropfen einer Lösung von zwei Ammoniak- salzen und von Speichel wurden auf die Drüsen vieler Tentakeln ge- bracht; es konnte aber niemals auch nur eine Spur von Bewegung entdeckt werden. Ich reizte auch wiederholt die Drüsen mit einer Nadel und kratzte und stach die Blattscheibe, aber weder die Blatt- scheibe noch die Tentakeln wurden irgendwie eingebogen. Wir dür- fen daher schlieszen, dasz sie einer Bewegung unfähig sind.
Über das den Drüsen eigene Absorptionsvermögen. — Es ist bereits indirect gezeigt worden, dasz die Drüsen auf Stielen animale Substanz absorbiren; dies wird auch ferner durch die Ver- änderung ihrer Farbe und durch die Zusammenballung ihres Zellen- inhalts bewiesen, nachdem sie mit stickstoffhaltigen Substanzen oder Flüssigkeiten in Berührung gelassen worden waren. Die folgenden Beobachtungen beziehn sich sowohl auf die von Stielen getragenen Drüsen als auch auf die sehr kleinen direct aufsitzenden. Ehe eine Drüse in irgend einer Weise gereizt worden ist, enthalten die äuszern Zellen gewöhnlich nur klare purpurne Flüssigkeit; die weiter nach der Mitte hin gelegenen enthalten maulbeerförmige Massen von pur- purner granulöser Substanz. Ein Blatt wurde in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser (3 Gran auf 1 Unze) gelegt, und augenblicklich wurden die Drüsen dunkel und sehr bald schwarz; diese Farbenveränderung war Folge der stark ausgesprochenen Zusammenballung des Inhalts ihrer Zellen, ganz besonders der inneren Zellen. Ein anderes Blatt wurde in eine Lösung (von der nämlichen Stärke) von salpetersaurem Ammoniak ge- than; die Drüsen wurden unbedeutend dunkel in 25 Minuten, stärker in 50 Minuten, und nach 1 Stunde 30 Minuten waren sie so dunkel roth, dasz sie beinahe schwarz erschienen. Andere Blätter wurden in einen schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in menschlichen Speichel gethan; in 25 Minuten hatten die Drüsen bedeutend gedun- kelt, und nach 40 Minuten waren sie so dunkel, dasz sie beinahe ver- dienten schwarz genannt zu werden. Selbst ein einen ganzen Tag lang währendes Einlegen in destillirtes Wasser bewirkt gelegentlich etwas Zusammenballung innerhalb der Drüsen, so dasz sie eine dunk- lere Färbung erhalten. In allen diesen Fällen werden die Drüsen in genau derselben Art und Weise afficirt, wie die der Drosera. Milch, welche so energisch auf Drosera einwirkt, scheint für Drosophyllum
Darwin, Insectenressende Pflanzen. (VIII.) 20
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0319"n="305"/><fwplace="top"type="header">Cap. 15. Absorption.</fw><lb/>
beobachtet, und Bruchstücke von Insecten, Stückchen von rohem<lb/>
Fleisch, Eiweisz u. s. w., Tropfen einer Lösung von zwei Ammoniak-<lb/>
salzen und von Speichel wurden auf die Drüsen vieler Tentakeln ge-<lb/>
bracht; es konnte aber niemals auch nur eine Spur von Bewegung<lb/>
entdeckt werden. Ich reizte auch wiederholt die Drüsen mit einer<lb/>
Nadel und kratzte und stach die Blattscheibe, aber weder die Blatt-<lb/>
scheibe noch die Tentakeln wurden irgendwie eingebogen. Wir dür-<lb/>
fen daher schlieszen, dasz sie einer Bewegung unfähig sind.</p><lb/><p><hirendition="#g">Über das den Drüsen eigene Absorptionsvermögen.</hi>—<lb/>
Es ist bereits indirect gezeigt worden, dasz die Drüsen auf Stielen<lb/>
animale Substanz absorbiren; dies wird auch ferner durch die Ver-<lb/>
änderung ihrer Farbe und durch die Zusammenballung ihres Zellen-<lb/>
inhalts bewiesen, nachdem sie mit stickstoffhaltigen Substanzen oder<lb/>
Flüssigkeiten in Berührung gelassen worden waren. Die folgenden<lb/>
Beobachtungen beziehn sich sowohl auf die von Stielen getragenen<lb/>
Drüsen als auch auf die sehr kleinen direct aufsitzenden. Ehe eine<lb/>
Drüse in irgend einer Weise gereizt worden ist, enthalten die äuszern<lb/>
Zellen gewöhnlich nur klare purpurne Flüssigkeit; die weiter nach<lb/>
der Mitte hin gelegenen enthalten maulbeerförmige Massen von pur-<lb/>
purner granulöser Substanz. Ein Blatt wurde in ein wenig Lösung<lb/>
von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser<lb/>
(3 Gran auf 1 Unze) gelegt, und augenblicklich wurden die Drüsen<lb/>
dunkel und sehr bald schwarz; diese Farbenveränderung war Folge<lb/>
der stark ausgesprochenen Zusammenballung des Inhalts ihrer Zellen,<lb/>
ganz besonders der inneren Zellen. Ein anderes Blatt wurde in eine<lb/>
Lösung (von der nämlichen Stärke) von salpetersaurem Ammoniak ge-<lb/>
than; die Drüsen wurden unbedeutend dunkel in 25 Minuten, stärker<lb/>
in 50 Minuten, und nach 1 Stunde 30 Minuten waren sie so dunkel<lb/>
roth, dasz sie beinahe schwarz erschienen. Andere Blätter wurden<lb/>
in einen schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in menschlichen<lb/>
Speichel gethan; in 25 Minuten hatten die Drüsen bedeutend gedun-<lb/>
kelt, und nach 40 Minuten waren sie so dunkel, dasz sie beinahe ver-<lb/>
dienten schwarz genannt zu werden. Selbst ein einen ganzen Tag<lb/>
lang währendes Einlegen in destillirtes Wasser bewirkt gelegentlich<lb/>
etwas Zusammenballung innerhalb der Drüsen, so dasz sie eine dunk-<lb/>
lere Färbung erhalten. In allen diesen Fällen werden die Drüsen in<lb/>
genau derselben Art und Weise afficirt, wie die der <hirendition="#i">Drosera.</hi> Milch,<lb/>
welche so energisch auf <hirendition="#i">Drosera</hi> einwirkt, scheint für <hirendition="#i">Drosophyllum</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#k">Darwin</hi>, Insectenressende Pflanzen. (VIII.) 20</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[305/0319]
Cap. 15. Absorption.
beobachtet, und Bruchstücke von Insecten, Stückchen von rohem
Fleisch, Eiweisz u. s. w., Tropfen einer Lösung von zwei Ammoniak-
salzen und von Speichel wurden auf die Drüsen vieler Tentakeln ge-
bracht; es konnte aber niemals auch nur eine Spur von Bewegung
entdeckt werden. Ich reizte auch wiederholt die Drüsen mit einer
Nadel und kratzte und stach die Blattscheibe, aber weder die Blatt-
scheibe noch die Tentakeln wurden irgendwie eingebogen. Wir dür-
fen daher schlieszen, dasz sie einer Bewegung unfähig sind.
Über das den Drüsen eigene Absorptionsvermögen. —
Es ist bereits indirect gezeigt worden, dasz die Drüsen auf Stielen
animale Substanz absorbiren; dies wird auch ferner durch die Ver-
änderung ihrer Farbe und durch die Zusammenballung ihres Zellen-
inhalts bewiesen, nachdem sie mit stickstoffhaltigen Substanzen oder
Flüssigkeiten in Berührung gelassen worden waren. Die folgenden
Beobachtungen beziehn sich sowohl auf die von Stielen getragenen
Drüsen als auch auf die sehr kleinen direct aufsitzenden. Ehe eine
Drüse in irgend einer Weise gereizt worden ist, enthalten die äuszern
Zellen gewöhnlich nur klare purpurne Flüssigkeit; die weiter nach
der Mitte hin gelegenen enthalten maulbeerförmige Massen von pur-
purner granulöser Substanz. Ein Blatt wurde in ein wenig Lösung
von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser
(3 Gran auf 1 Unze) gelegt, und augenblicklich wurden die Drüsen
dunkel und sehr bald schwarz; diese Farbenveränderung war Folge
der stark ausgesprochenen Zusammenballung des Inhalts ihrer Zellen,
ganz besonders der inneren Zellen. Ein anderes Blatt wurde in eine
Lösung (von der nämlichen Stärke) von salpetersaurem Ammoniak ge-
than; die Drüsen wurden unbedeutend dunkel in 25 Minuten, stärker
in 50 Minuten, und nach 1 Stunde 30 Minuten waren sie so dunkel
roth, dasz sie beinahe schwarz erschienen. Andere Blätter wurden
in einen schwachen Aufgusz von rohem Fleisch und in menschlichen
Speichel gethan; in 25 Minuten hatten die Drüsen bedeutend gedun-
kelt, und nach 40 Minuten waren sie so dunkel, dasz sie beinahe ver-
dienten schwarz genannt zu werden. Selbst ein einen ganzen Tag
lang währendes Einlegen in destillirtes Wasser bewirkt gelegentlich
etwas Zusammenballung innerhalb der Drüsen, so dasz sie eine dunk-
lere Färbung erhalten. In allen diesen Fällen werden die Drüsen in
genau derselben Art und Weise afficirt, wie die der Drosera. Milch,
welche so energisch auf Drosera einwirkt, scheint für Drosophyllum
Darwin, Insectenressende Pflanzen. (VIII.) 20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/319>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.