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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Dionaea muscipula. Cap. 13.
hinreichend berührt worden, das Blatt zum Schlieszen zu veranlassen.
Von diesen zehn Blättern breiteten sich nur ein paar vollständig in
weniger als zwei Tagen wieder aus, und zwei oder drei gebrauchten
selbst noch ein wenig längere Zeit. Ehe sie sich indessen völlig
wieder ausbreiteten, sind sie bereit, sich augenblicklich zu schlieszen,
wenn ihre empfindlichen Filamente berührt werden. Wie viele male
ein Blatt fähig ist sich zu schlieszen und wieder zu öffnen, wenn
keine animale Substanz eingeschlossen bleibt, weisz ich nicht; ein
Blatt wurde aber viermal zum Schlieszen gebracht und öffnete sich
später innerhalb sechs Tagen. Bei der letzten Gelegenheit fieng es
eine Fliege und blieb dann viele Tage lang geschlossen.

Diese Fähigkeit, sich schnell wieder zu öffnen, wenn die Fila-
mente zufällig durch Grashalme oder vom Winde auf das Blatt ge-
wehte fremde Körper berührt worden waren, wie es doch gelegent-
lich im Heimathlande der Pflanze vorkommt4, musz für die Pflanze
von einiger Bedeutung sein; denn so lange ein Blatt geschlossen
bleibt, kann es natürlich kein Insect fangen.

Wenn die Filamente gereizt werden und ein Blatt wird dazu
gebracht, sich über ein Insect zu schlieszen, oder über ein Stückchen
Fleisch, Eiweisz, Gelatine, Casein oder zweifelsohne über irgend einen
andern, lösliche stickstoffhaltige Substanz enthaltenden Körper, drücken
die Lappen, anstatt concav zu bleiben, und dabei eine Concavität ein-
zuschlieszen, langsam ihrer ganzen Breite nach gegen einander. Wenn
dies stattfindet, werden die Ränder allmählich ein wenig nach auszen
gekehrt, so dasz die Speichen, welche sich zuerst kreuzten, zuletzt in
zwei parallelen Reihen vorspringen. Die Lappen drücken sich mit
solcher Gewalt gegen einander, dasz ich gesehen habe, wie ein Eiweisz-
würfel bedeutend abgeplattet wurde und deutliche Eindrücke der klei-
nen vorspringenden Drüsen erhielt; der letztere Umstand dürfte aber
wohl theilweise durch die anätzende Wirkung des Secrets verursacht
worden sein. Die Lappen werden so fest zusammengepreszt, dasz,
wenn ein groszes Insect oder ein anderer gröszerer Gegenstand ge-
fangen ist, eine entsprechende Hervorragung auf der Auszenseite des
Blattes deutlich sichtbar wird. Wenn die beiden Lappen in dieser
Weise vollständig geschlossen sind, so widerstehn sie einem künst-
lichen Öffnen, wie z. B. durch einen dünnen zwischen sie hinein-

4 Nach der Angabe des Dr. Curtis in Boston Journal Nat. Hist. Vol. I.
1837, p. 123.

Dionaea muscipula. Cap. 13.
hinreichend berührt worden, das Blatt zum Schlieszen zu veranlassen.
Von diesen zehn Blättern breiteten sich nur ein paar vollständig in
weniger als zwei Tagen wieder aus, und zwei oder drei gebrauchten
selbst noch ein wenig längere Zeit. Ehe sie sich indessen völlig
wieder ausbreiteten, sind sie bereit, sich augenblicklich zu schlieszen,
wenn ihre empfindlichen Filamente berührt werden. Wie viele male
ein Blatt fähig ist sich zu schlieszen und wieder zu öffnen, wenn
keine animale Substanz eingeschlossen bleibt, weisz ich nicht; ein
Blatt wurde aber viermal zum Schlieszen gebracht und öffnete sich
später innerhalb sechs Tagen. Bei der letzten Gelegenheit fieng es
eine Fliege und blieb dann viele Tage lang geschlossen.

Diese Fähigkeit, sich schnell wieder zu öffnen, wenn die Fila-
mente zufällig durch Grashalme oder vom Winde auf das Blatt ge-
wehte fremde Körper berührt worden waren, wie es doch gelegent-
lich im Heimathlande der Pflanze vorkommt4, musz für die Pflanze
von einiger Bedeutung sein; denn so lange ein Blatt geschlossen
bleibt, kann es natürlich kein Insect fangen.

Wenn die Filamente gereizt werden und ein Blatt wird dazu
gebracht, sich über ein Insect zu schlieszen, oder über ein Stückchen
Fleisch, Eiweisz, Gelatine, Casëin oder zweifelsohne über irgend einen
andern, lösliche stickstoffhaltige Substanz enthaltenden Körper, drücken
die Lappen, anstatt concav zu bleiben, und dabei eine Concavität ein-
zuschlieszen, langsam ihrer ganzen Breite nach gegen einander. Wenn
dies stattfindet, werden die Ränder allmählich ein wenig nach auszen
gekehrt, so dasz die Speichen, welche sich zuerst kreuzten, zuletzt in
zwei parallelen Reihen vorspringen. Die Lappen drücken sich mit
solcher Gewalt gegen einander, dasz ich gesehen habe, wie ein Eiweisz-
würfel bedeutend abgeplattet wurde und deutliche Eindrücke der klei-
nen vorspringenden Drüsen erhielt; der letztere Umstand dürfte aber
wohl theilweise durch die anätzende Wirkung des Secrets verursacht
worden sein. Die Lappen werden so fest zusammengepreszt, dasz,
wenn ein groszes Insect oder ein anderer gröszerer Gegenstand ge-
fangen ist, eine entsprechende Hervorragung auf der Auszenseite des
Blattes deutlich sichtbar wird. Wenn die beiden Lappen in dieser
Weise vollständig geschlossen sind, so widerstehn sie einem künst-
lichen Öffnen, wie z. B. durch einen dünnen zwischen sie hinein-

4 Nach der Angabe des Dr. Curtis in Boston Journal Nat. Hist. Vol. I.
1837, p. 123.
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[278/0292] Dionaea muscipula. Cap. 13. hinreichend berührt worden, das Blatt zum Schlieszen zu veranlassen. Von diesen zehn Blättern breiteten sich nur ein paar vollständig in weniger als zwei Tagen wieder aus, und zwei oder drei gebrauchten selbst noch ein wenig längere Zeit. Ehe sie sich indessen völlig wieder ausbreiteten, sind sie bereit, sich augenblicklich zu schlieszen, wenn ihre empfindlichen Filamente berührt werden. Wie viele male ein Blatt fähig ist sich zu schlieszen und wieder zu öffnen, wenn keine animale Substanz eingeschlossen bleibt, weisz ich nicht; ein Blatt wurde aber viermal zum Schlieszen gebracht und öffnete sich später innerhalb sechs Tagen. Bei der letzten Gelegenheit fieng es eine Fliege und blieb dann viele Tage lang geschlossen. Diese Fähigkeit, sich schnell wieder zu öffnen, wenn die Fila- mente zufällig durch Grashalme oder vom Winde auf das Blatt ge- wehte fremde Körper berührt worden waren, wie es doch gelegent- lich im Heimathlande der Pflanze vorkommt 4, musz für die Pflanze von einiger Bedeutung sein; denn so lange ein Blatt geschlossen bleibt, kann es natürlich kein Insect fangen. Wenn die Filamente gereizt werden und ein Blatt wird dazu gebracht, sich über ein Insect zu schlieszen, oder über ein Stückchen Fleisch, Eiweisz, Gelatine, Casëin oder zweifelsohne über irgend einen andern, lösliche stickstoffhaltige Substanz enthaltenden Körper, drücken die Lappen, anstatt concav zu bleiben, und dabei eine Concavität ein- zuschlieszen, langsam ihrer ganzen Breite nach gegen einander. Wenn dies stattfindet, werden die Ränder allmählich ein wenig nach auszen gekehrt, so dasz die Speichen, welche sich zuerst kreuzten, zuletzt in zwei parallelen Reihen vorspringen. Die Lappen drücken sich mit solcher Gewalt gegen einander, dasz ich gesehen habe, wie ein Eiweisz- würfel bedeutend abgeplattet wurde und deutliche Eindrücke der klei- nen vorspringenden Drüsen erhielt; der letztere Umstand dürfte aber wohl theilweise durch die anätzende Wirkung des Secrets verursacht worden sein. Die Lappen werden so fest zusammengepreszt, dasz, wenn ein groszes Insect oder ein anderer gröszerer Gegenstand ge- fangen ist, eine entsprechende Hervorragung auf der Auszenseite des Blattes deutlich sichtbar wird. Wenn die beiden Lappen in dieser Weise vollständig geschlossen sind, so widerstehn sie einem künst- lichen Öffnen, wie z. B. durch einen dünnen zwischen sie hinein- 4 Nach der Angabe des Dr. Curtis in Boston Journal Nat. Hist. Vol. I. 1837, p. 123.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/292>, abgerufen am 27.11.2024.