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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Dionaea muscipula. Cap. 13
Schlusz der Blattscheiben; obschon die nämlichen Filamente später
als in hohem Grade empfindlich erwiesen wurden. Ohne Zweifel ist,
wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den
schwersten Regenschauer ganz indifferent. Tropfen einer Lösung von
einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser wurden
wiederholt aus einer gewissen Höhe auf die Filamente fallen gelassen;
es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht, wenn sie nicht an den
Filamenten hängen blieben. Ferner blies ich viele male durch eine
feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente,
aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit
so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger
Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dasz die Empfindlichkeit der
Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist und eher zu einer
momentanen Berührung als zu einem länger andauernden Druck in
Beziehung steht; auch darf der Druck nicht von Flüssigkeiten, wie
z. B. Luft oder Wasser, sondern musz von irgend einem festen Gegen-
stande ausgehen.

Obgleich Tropfen von Wasser und von einer mäszig starken
Zuckerlösung, wenn sie auf die Filamente fallen, dieselben nicht reizen,
so bewirkt doch die Eintauchung eines Blattes in reines Wasser zu-
weilen, dasz sich die Lappen schlieszen. Ein Blatt wurde 1 Stunde
10 Minuten lang und drei andere Blätter für einige Minuten in Wasser
gelassen, dessen Temperatur zwischen 15° bis 18,3° C. (59° bis 65° F.)
schwankte; indessen ohne Wirkung. Als indessen eines dieser vier
Blätter sanft aus dem Wasser gezogen wurde, schlosz es sich ziem-
lich schnell. Die drei anderen Blätter wurden als im guten Zustande
befindlich nachgewiesen, da sie sich schlossen, als ihre Filamente be-
rührt wurden. Nichtsdestoweniger schlossen sich zwei frische Blätter
augenblicklich, als sie in Wasser von 23,8° und 16,9° C. (75° und
621/2° F.) getaucht wurden. Diese wurden dann mit ihren Stengeln
in Wasser gestellt und breiteten sich nach 23 Stunden theilweise
wieder aus; bei Berührung ihrer Filamente schlosz sich das eine.
Nach Verlauf von weiteren 24 Stunden breitete sich dieses letztere
Blatt nochmals wieder aus, und als nun die Filamente beider Blätter
berührt wurden, schlossen sich beide. Wir sehen hiernach, dasz ein
kurzes Eintauchen in Wasser die Blätter durchaus nicht verletzt, son-
dern zuweilen die Lappen sich zu schlieszen reizt. Die Bewegung
war in den oben erwähnten Fällen offenbar nicht durch die Tem-

Dionaea muscipula. Cap. 13
Schlusz der Blattscheiben; obschon die nämlichen Filamente später
als in hohem Grade empfindlich erwiesen wurden. Ohne Zweifel ist,
wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den
schwersten Regenschauer ganz indifferent. Tropfen einer Lösung von
einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser wurden
wiederholt aus einer gewissen Höhe auf die Filamente fallen gelassen;
es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht, wenn sie nicht an den
Filamenten hängen blieben. Ferner blies ich viele male durch eine
feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente,
aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit
so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger
Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dasz die Empfindlichkeit der
Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist und eher zu einer
momentanen Berührung als zu einem länger andauernden Druck in
Beziehung steht; auch darf der Druck nicht von Flüssigkeiten, wie
z. B. Luft oder Wasser, sondern musz von irgend einem festen Gegen-
stande ausgehen.

Obgleich Tropfen von Wasser und von einer mäszig starken
Zuckerlösung, wenn sie auf die Filamente fallen, dieselben nicht reizen,
so bewirkt doch die Eintauchung eines Blattes in reines Wasser zu-
weilen, dasz sich die Lappen schlieszen. Ein Blatt wurde 1 Stunde
10 Minuten lang und drei andere Blätter für einige Minuten in Wasser
gelassen, dessen Temperatur zwischen 15° bis 18,3° C. (59° bis 65° F.)
schwankte; indessen ohne Wirkung. Als indessen eines dieser vier
Blätter sanft aus dem Wasser gezogen wurde, schlosz es sich ziem-
lich schnell. Die drei anderen Blätter wurden als im guten Zustande
befindlich nachgewiesen, da sie sich schlossen, als ihre Filamente be-
rührt wurden. Nichtsdestoweniger schlossen sich zwei frische Blätter
augenblicklich, als sie in Wasser von 23,8° und 16,9° C. (75° und
62½° F.) getaucht wurden. Diese wurden dann mit ihren Stengeln
in Wasser gestellt und breiteten sich nach 23 Stunden theilweise
wieder aus; bei Berührung ihrer Filamente schlosz sich das eine.
Nach Verlauf von weiteren 24 Stunden breitete sich dieses letztere
Blatt nochmals wieder aus, und als nun die Filamente beider Blätter
berührt wurden, schlossen sich beide. Wir sehen hiernach, dasz ein
kurzes Eintauchen in Wasser die Blätter durchaus nicht verletzt, son-
dern zuweilen die Lappen sich zu schlieszen reizt. Die Bewegung
war in den oben erwähnten Fällen offenbar nicht durch die Tem-

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[264/0278] Dionaea muscipula. Cap. 13 Schlusz der Blattscheiben; obschon die nämlichen Filamente später als in hohem Grade empfindlich erwiesen wurden. Ohne Zweifel ist, wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den schwersten Regenschauer ganz indifferent. Tropfen einer Lösung von einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser wurden wiederholt aus einer gewissen Höhe auf die Filamente fallen gelassen; es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht, wenn sie nicht an den Filamenten hängen blieben. Ferner blies ich viele male durch eine feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente, aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dasz die Empfindlichkeit der Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist und eher zu einer momentanen Berührung als zu einem länger andauernden Druck in Beziehung steht; auch darf der Druck nicht von Flüssigkeiten, wie z. B. Luft oder Wasser, sondern musz von irgend einem festen Gegen- stande ausgehen. Obgleich Tropfen von Wasser und von einer mäszig starken Zuckerlösung, wenn sie auf die Filamente fallen, dieselben nicht reizen, so bewirkt doch die Eintauchung eines Blattes in reines Wasser zu- weilen, dasz sich die Lappen schlieszen. Ein Blatt wurde 1 Stunde 10 Minuten lang und drei andere Blätter für einige Minuten in Wasser gelassen, dessen Temperatur zwischen 15° bis 18,3° C. (59° bis 65° F.) schwankte; indessen ohne Wirkung. Als indessen eines dieser vier Blätter sanft aus dem Wasser gezogen wurde, schlosz es sich ziem- lich schnell. Die drei anderen Blätter wurden als im guten Zustande befindlich nachgewiesen, da sie sich schlossen, als ihre Filamente be- rührt wurden. Nichtsdestoweniger schlossen sich zwei frische Blätter augenblicklich, als sie in Wasser von 23,8° und 16,9° C. (75° und 62½° F.) getaucht wurden. Diese wurden dann mit ihren Stengeln in Wasser gestellt und breiteten sich nach 23 Stunden theilweise wieder aus; bei Berührung ihrer Filamente schlosz sich das eine. Nach Verlauf von weiteren 24 Stunden breitete sich dieses letztere Blatt nochmals wieder aus, und als nun die Filamente beider Blätter berührt wurden, schlossen sich beide. Wir sehen hiernach, dasz ein kurzes Eintauchen in Wasser die Blätter durchaus nicht verletzt, son- dern zuweilen die Lappen sich zu schlieszen reizt. Die Bewegung war in den oben erwähnten Fällen offenbar nicht durch die Tem-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/278>, abgerufen am 27.11.2024.