sie für eine einzelne Berührung unempfindlich sind, so sind sie doch, wie oben angegeben, für den leichtesten Druck, wenn er nur einige wenige Secunden anhält, ausgesucht empfindlich; und diese Fähigkeit ist offenbar für die Pflanzen beim Fangen kleiner Insecten von Nutzen. Selbst Mücken werden, wenn sie sich mit ihren zarten Füszen auf den Drüsen niederlassen, schnell und sicher gefangen. Die Drüsen sind gegen das Gewicht und die wiederholten Schläge schwerer Regentropfen unempfindlich; hierdurch wird gleicherweise den Pflanzen viel unnütze Bewegung erspart.
Die Beschreibung der Bewegungen der Tentakeln wurde im dritten Capitel unterbrochen, um den Procesz der Zusammenballung zu be- schreiben. Dieser Procesz beginnt immer in den Zellen der Drüsen, deren Inhalt zuerst wolkig wird; dies ist innerhalb 10 Secunden, nachdem eine Drüse gereizt worden war, beobachtet worden. Soeben noch unter einer sehr starken Vergröszerung auflösbare Körnchen, erscheinen bald, zuweilen innerhalb einer Minute, in den Zellen un- terhalb der Drüsen, und diese ballen sich dann zu kleinen Kugeln zusammen. Der Procesz schreitet dann die Tentakeln hinab, wobei er bei jeder queren Scheidewand für eine kurze Zeit aufgehalten wird. Die kleinen Kugeln verschmelzen zu gröszern Kugeln oder zu ovalen, keulenförmigen, faden- oder perlschnurartigen oder sonst ver- schieden geformten Protoplasma-Massen, welche, in beinahe farbloser Flüssigkeit suspendirt, unaufhörliche freiwillig eintretende Form- veränderungen darbieten. Diese verschmelzen häufig miteinander und trennen sich wieder. Wenn eine Drüse kräftig gereizt worden ist, so werden alle Zellen bis zur Basis des Tentakels hinab afficirt. In Zellen, besonders wenn sie mit dunkel rother Flüssigkeit gefüllt sind, ist der erste Schritt in diesem Vorgang die Bildung einer dunkel rothen, sackartigen Masse von Protoplasma, welche sich später theilt und die gewöhnlichen wiederholten Formveränderungen erleidet. Ehe irgend welche Zusammenballung angeregt worden ist, flieszt eine Schicht farblosen, Körnchen enthaltenden Protoplasmas (der Primor- dialschlauch Mohl's) rings um die Wandungen der Zellen; und dies wird noch deutlicher, nachdem sich der Inhalt theilweise zu Kugeln oder sackähnlichen Massen zusammengeballt hat. Nach einiger Zeit aber werden die Körnchen nach den centralen Massen hingezogen und verbinden sich mit ihnen; und dann kann die circulirende Schicht
Drosera rotundifolia. Cap. 11.
sie für eine einzelne Berührung unempfindlich sind, so sind sie doch, wie oben angegeben, für den leichtesten Druck, wenn er nur einige wenige Secunden anhält, ausgesucht empfindlich; und diese Fähigkeit ist offenbar für die Pflanzen beim Fangen kleiner Insecten von Nutzen. Selbst Mücken werden, wenn sie sich mit ihren zarten Füszen auf den Drüsen niederlassen, schnell und sicher gefangen. Die Drüsen sind gegen das Gewicht und die wiederholten Schläge schwerer Regentropfen unempfindlich; hierdurch wird gleicherweise den Pflanzen viel unnütze Bewegung erspart.
Die Beschreibung der Bewegungen der Tentakeln wurde im dritten Capitel unterbrochen, um den Procesz der Zusammenballung zu be- schreiben. Dieser Procesz beginnt immer in den Zellen der Drüsen, deren Inhalt zuerst wolkig wird; dies ist innerhalb 10 Secunden, nachdem eine Drüse gereizt worden war, beobachtet worden. Soeben noch unter einer sehr starken Vergröszerung auflösbare Körnchen, erscheinen bald, zuweilen innerhalb einer Minute, in den Zellen un- terhalb der Drüsen, und diese ballen sich dann zu kleinen Kugeln zusammen. Der Procesz schreitet dann die Tentakeln hinab, wobei er bei jeder queren Scheidewand für eine kurze Zeit aufgehalten wird. Die kleinen Kugeln verschmelzen zu gröszern Kugeln oder zu ovalen, keulenförmigen, faden- oder perlschnurartigen oder sonst ver- schieden geformten Protoplasma-Massen, welche, in beinahe farbloser Flüssigkeit suspendirt, unaufhörliche freiwillig eintretende Form- veränderungen darbieten. Diese verschmelzen häufig miteinander und trennen sich wieder. Wenn eine Drüse kräftig gereizt worden ist, so werden alle Zellen bis zur Basis des Tentakels hinab afficirt. In Zellen, besonders wenn sie mit dunkel rother Flüssigkeit gefüllt sind, ist der erste Schritt in diesem Vorgang die Bildung einer dunkel rothen, sackartigen Masse von Protoplasma, welche sich später theilt und die gewöhnlichen wiederholten Formveränderungen erleidet. Ehe irgend welche Zusammenballung angeregt worden ist, flieszt eine Schicht farblosen, Körnchen enthaltenden Protoplasmas (der Primor- dialschlauch Mohl’s) rings um die Wandungen der Zellen; und dies wird noch deutlicher, nachdem sich der Inhalt theilweise zu Kugeln oder sackähnlichen Massen zusammengeballt hat. Nach einiger Zeit aber werden die Körnchen nach den centralen Massen hingezogen und verbinden sich mit ihnen; und dann kann die circulirende Schicht
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Drosera rotundifolia. Cap. 11.
sie für eine einzelne Berührung unempfindlich sind, so sind sie doch,
wie oben angegeben, für den leichtesten Druck, wenn er nur einige
wenige Secunden anhält, ausgesucht empfindlich; und diese Fähigkeit
ist offenbar für die Pflanzen beim Fangen kleiner Insecten von Nutzen.
Selbst Mücken werden, wenn sie sich mit ihren zarten Füszen auf
den Drüsen niederlassen, schnell und sicher gefangen. Die Drüsen
sind gegen das Gewicht und die wiederholten Schläge schwerer
Regentropfen unempfindlich; hierdurch wird gleicherweise den Pflanzen
viel unnütze Bewegung erspart.
Die Beschreibung der Bewegungen der Tentakeln wurde im dritten
Capitel unterbrochen, um den Procesz der Zusammenballung zu be-
schreiben. Dieser Procesz beginnt immer in den Zellen der Drüsen,
deren Inhalt zuerst wolkig wird; dies ist innerhalb 10 Secunden,
nachdem eine Drüse gereizt worden war, beobachtet worden. Soeben
noch unter einer sehr starken Vergröszerung auflösbare Körnchen,
erscheinen bald, zuweilen innerhalb einer Minute, in den Zellen un-
terhalb der Drüsen, und diese ballen sich dann zu kleinen Kugeln
zusammen. Der Procesz schreitet dann die Tentakeln hinab, wobei
er bei jeder queren Scheidewand für eine kurze Zeit aufgehalten
wird. Die kleinen Kugeln verschmelzen zu gröszern Kugeln oder zu
ovalen, keulenförmigen, faden- oder perlschnurartigen oder sonst ver-
schieden geformten Protoplasma-Massen, welche, in beinahe farbloser
Flüssigkeit suspendirt, unaufhörliche freiwillig eintretende Form-
veränderungen darbieten. Diese verschmelzen häufig miteinander und
trennen sich wieder. Wenn eine Drüse kräftig gereizt worden ist,
so werden alle Zellen bis zur Basis des Tentakels hinab afficirt.
In Zellen, besonders wenn sie mit dunkel rother Flüssigkeit gefüllt
sind, ist der erste Schritt in diesem Vorgang die Bildung einer dunkel
rothen, sackartigen Masse von Protoplasma, welche sich später theilt
und die gewöhnlichen wiederholten Formveränderungen erleidet. Ehe
irgend welche Zusammenballung angeregt worden ist, flieszt eine
Schicht farblosen, Körnchen enthaltenden Protoplasmas (der Primor-
dialschlauch Mohl’s) rings um die Wandungen der Zellen; und dies
wird noch deutlicher, nachdem sich der Inhalt theilweise zu Kugeln
oder sackähnlichen Massen zusammengeballt hat. Nach einiger Zeit
aber werden die Körnchen nach den centralen Massen hingezogen und
verbinden sich mit ihnen; und dann kann die circulirende Schicht
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/254>, abgerufen am 23.07.2024.
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