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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 10.
eine deutliche quere Linie von der basalen Hälfte des Blattes getrennt,
welche nicht im mindesten afficirt war. Am dritten Tage waren indessen
einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe in der Nähe der Basis un-
bedeutend eingebogen. Bei der Zergliederung ergab sich, dasz der Ein-
schnitt sich quer über das Blatt erstreckte wie im letzten Falle.
3. Nach 4 Stunden 30 Minuten war starke Einbiegung der Ten-
takeln am Spitzenende vorhanden, welche sich während der nächsten zwei
Tage nicht im Allermindesten nach dem basalen Ende zu verbreitete. Der
Einschnitt war wie früher.
4. Dies Blatt wurde nicht vor Verlauf von 15 Stunden beobachtet
und dann wurden alle Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten rand-
ständigen, gleichmäszig rings um das ganze Blatt gut eingebogen ge-
funden. Bei sorgfältiger Untersuchung ergaben sich die Spiralgefäsze des
centralen Stammes als sicher durchschnitten; aber der Einschnitt war auf
der einen Seite nicht durch das fasrige, die Gefäsze umgebende Gewebe
hindurchgegangen, obgleich er auf der andern Seite durch das Gewebe
durchgedrungen war4.

Das von den Blättern 2 und 3 dargebotene Aussehen war sehr
merkwürdig und kann passend mit dem eines Menschen verglichen
werden, dessen Rückgrat gebrochen ist und dessen untere Extremi-
täten gelähmt sind. Ausgenommen, dasz die Trennungslinie zwischen
den beiden Hälften hier quer war, statt longitudinal zu sein, waren
diese Blätter in demselben Zustande wie einige der in den früheren
Versuchen benutzten, mit Stückchen Fleisch, die auf die eine Seite
der Scheibe gelegt waren. Der Fall mit Blatt Nr. 4 beweist, dasz
die Spiralgefäsze des Hauptstammes durchschnitten sein können und
dasz trotzdem der motorische Impuls vom Spitzen- zum Stiel-Ende
des Blattes übermittelt werden kann. Dies führte mich zuerst zu
der Vermuthung, dasz die motorische Kraft durch das dicht umgebende
Fasergewebe fortgeleitet werde, und dasz, wenn die eine Hälfte dieses
Gewebes ungetrennt erhalten wird, sie zur vollständigen Übermitte-
lung genüge. Aber in Widerspruch zu dieser Schluszfolgerung steht
die Thatsache, dasz keine Gefäsze direct von einer Seite des Blattes
zur andern treten und dasz doch, wie wir gesehen haben, wenn ein
etwas gröszeres Stückchen Fleisch auf die eine Seite gelegt wird, der
motorische Impuls, wenn auch langsam und unvollkommen, in einer
queren Richtung über die ganze Breite des Blattes hinübergeschickt
wird. Man kann diese letztere Thatsache auch nicht dadurch er-

4 Ziegler hat ähnliche Versuche mit Durchschneiden der Spiralgefäsze bei
Drosera intermedia angestellt (Comptes rendus, 1874, p. 417), ist aber zu, von
meinen ganz verschiedenen Schluszfolgerungen gelangt.
Drosera rotundifolia. Cap. 10.
eine deutliche quere Linie von der basalen Hälfte des Blattes getrennt,
welche nicht im mindesten afficirt war. Am dritten Tage waren indessen
einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe in der Nähe der Basis un-
bedeutend eingebogen. Bei der Zergliederung ergab sich, dasz der Ein-
schnitt sich quer über das Blatt erstreckte wie im letzten Falle.
3. Nach 4 Stunden 30 Minuten war starke Einbiegung der Ten-
takeln am Spitzenende vorhanden, welche sich während der nächsten zwei
Tage nicht im Allermindesten nach dem basalen Ende zu verbreitete. Der
Einschnitt war wie früher.
4. Dies Blatt wurde nicht vor Verlauf von 15 Stunden beobachtet
und dann wurden alle Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten rand-
ständigen, gleichmäszig rings um das ganze Blatt gut eingebogen ge-
funden. Bei sorgfältiger Untersuchung ergaben sich die Spiralgefäsze des
centralen Stammes als sicher durchschnitten; aber der Einschnitt war auf
der einen Seite nicht durch das fasrige, die Gefäsze umgebende Gewebe
hindurchgegangen, obgleich er auf der andern Seite durch das Gewebe
durchgedrungen war4.

Das von den Blättern 2 und 3 dargebotene Aussehen war sehr
merkwürdig und kann passend mit dem eines Menschen verglichen
werden, dessen Rückgrat gebrochen ist und dessen untere Extremi-
täten gelähmt sind. Ausgenommen, dasz die Trennungslinie zwischen
den beiden Hälften hier quer war, statt longitudinal zu sein, waren
diese Blätter in demselben Zustande wie einige der in den früheren
Versuchen benutzten, mit Stückchen Fleisch, die auf die eine Seite
der Scheibe gelegt waren. Der Fall mit Blatt Nr. 4 beweist, dasz
die Spiralgefäsze des Hauptstammes durchschnitten sein können und
dasz trotzdem der motorische Impuls vom Spitzen- zum Stiel-Ende
des Blattes übermittelt werden kann. Dies führte mich zuerst zu
der Vermuthung, dasz die motorische Kraft durch das dicht umgebende
Fasergewebe fortgeleitet werde, und dasz, wenn die eine Hälfte dieses
Gewebes ungetrennt erhalten wird, sie zur vollständigen Übermitte-
lung genüge. Aber in Widerspruch zu dieser Schluszfolgerung steht
die Thatsache, dasz keine Gefäsze direct von einer Seite des Blattes
zur andern treten und dasz doch, wie wir gesehen haben, wenn ein
etwas gröszeres Stückchen Fleisch auf die eine Seite gelegt wird, der
motorische Impuls, wenn auch langsam und unvollkommen, in einer
queren Richtung über die ganze Breite des Blattes hinübergeschickt
wird. Man kann diese letztere Thatsache auch nicht dadurch er-

4 Ziegler hat ähnliche Versuche mit Durchschneiden der Spiralgefäsze bei
Drosera intermedia angestellt (Comptes rendus, 1874, p. 417), ist aber zu, von
meinen ganz verschiedenen Schluszfolgerungen gelangt.
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[226/0240] Drosera rotundifolia. Cap. 10. eine deutliche quere Linie von der basalen Hälfte des Blattes getrennt, welche nicht im mindesten afficirt war. Am dritten Tage waren indessen einige der kurzen Tentakeln auf der Scheibe in der Nähe der Basis un- bedeutend eingebogen. Bei der Zergliederung ergab sich, dasz der Ein- schnitt sich quer über das Blatt erstreckte wie im letzten Falle. 3. Nach 4 Stunden 30 Minuten war starke Einbiegung der Ten- takeln am Spitzenende vorhanden, welche sich während der nächsten zwei Tage nicht im Allermindesten nach dem basalen Ende zu verbreitete. Der Einschnitt war wie früher. 4. Dies Blatt wurde nicht vor Verlauf von 15 Stunden beobachtet und dann wurden alle Tentakeln, mit Ausnahme der äuszersten rand- ständigen, gleichmäszig rings um das ganze Blatt gut eingebogen ge- funden. Bei sorgfältiger Untersuchung ergaben sich die Spiralgefäsze des centralen Stammes als sicher durchschnitten; aber der Einschnitt war auf der einen Seite nicht durch das fasrige, die Gefäsze umgebende Gewebe hindurchgegangen, obgleich er auf der andern Seite durch das Gewebe durchgedrungen war 4. Das von den Blättern 2 und 3 dargebotene Aussehen war sehr merkwürdig und kann passend mit dem eines Menschen verglichen werden, dessen Rückgrat gebrochen ist und dessen untere Extremi- täten gelähmt sind. Ausgenommen, dasz die Trennungslinie zwischen den beiden Hälften hier quer war, statt longitudinal zu sein, waren diese Blätter in demselben Zustande wie einige der in den früheren Versuchen benutzten, mit Stückchen Fleisch, die auf die eine Seite der Scheibe gelegt waren. Der Fall mit Blatt Nr. 4 beweist, dasz die Spiralgefäsze des Hauptstammes durchschnitten sein können und dasz trotzdem der motorische Impuls vom Spitzen- zum Stiel-Ende des Blattes übermittelt werden kann. Dies führte mich zuerst zu der Vermuthung, dasz die motorische Kraft durch das dicht umgebende Fasergewebe fortgeleitet werde, und dasz, wenn die eine Hälfte dieses Gewebes ungetrennt erhalten wird, sie zur vollständigen Übermitte- lung genüge. Aber in Widerspruch zu dieser Schluszfolgerung steht die Thatsache, dasz keine Gefäsze direct von einer Seite des Blattes zur andern treten und dasz doch, wie wir gesehen haben, wenn ein etwas gröszeres Stückchen Fleisch auf die eine Seite gelegt wird, der motorische Impuls, wenn auch langsam und unvollkommen, in einer queren Richtung über die ganze Breite des Blattes hinübergeschickt wird. Man kann diese letztere Thatsache auch nicht dadurch er- 4 Ziegler hat ähnliche Versuche mit Durchschneiden der Spiralgefäsze bei Drosera intermedia angestellt (Comptes rendus, 1874, p. 417), ist aber zu, von meinen ganz verschiedenen Schluszfolgerungen gelangt.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/240>, abgerufen am 28.11.2024.