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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 7.
eine beträchtliche Zahl von Tentakeln eingebogen war, die Pflanzen wäh-
rend des Winters in einem sehr warmen Gewächshause gehalten worden;
sie trugen zeitig im Frühjahr merkwürdig schöne Blätter von einer hell
rothen Färbung. Hätte ich damals gewuszt, dasz die Empfindlichkeit der
Pflanzen dadurch vermehrt würde, so würde ich vielleicht die Blätter
nicht zu meinen Versuchen mit den sehr schwachen Lösungen von phos-
phorsaurem Ammoniak benutzt haben; meine Experimente sind aber da-
durch nicht fehlerhaft geworden, da ich ausnahmslos Blätter von den
nämlichen Pflanzen auch für das gleichzeitige Eintauchen in Wasser
benutzte. Es ereignete sich häufig, dasz einige Blätter an der nämlichen
Pflanze und einige Tentakeln an demselben Blatt empfindlicher waren als
andere; warum sich dies aber so verhält, weisz ich nicht.

Auszer den so eben angegebenen Verschiedenheiten zwischen den
in Wasser und den in schwachen Ammoniaklösungen eingetauchten Blättern
sind auch die Tentakeln der letzteren viel dichter eingebogen. Das Aus-
sehn eines Blattes nach Eintauchen in einige wenige Tropfen einer Lösung
von einem Gran phosphorsauren Ammoniaks in 200 Unzen Wasser (d. h.
ein Theil auf 87500) ist hier dargestellt: eine solche energische Einbiegung
wird niemals von Wasser allein verursacht. Bei
Blättern in den schwachen Lösungen wird häufig
die Platte oder Scheibe eingebogen: und dies
ist ein an Blättern in Wasser so selten ein-
tretender Umstand, dasz ich nur zwei Fälle
davon gesehen habe, und in beiden war die
Einbiegung sehr schwach. Ferner schreitet bei
Blättern in den schwachen Lösungen die Ein-
biegung der Tentakeln und der Blattscheibe
oft stetig fort, wenn auch langsam, und viele
Stunden lang immer zu; dies ist wiederum bei
Blättern in Wasser ein so seltener Umstand,
dasz ich nur drei Fälle von irgend einer der-
artigen Zunahme nach den ersten 8 bis 12
Stunden gesehen habe; und in diesen drei
Fällen waren die zwei äuszeren Reihen von
Tentakeln durchaus gar nicht afficirt. Es be-
steht daher zuweilen ein viel bedeutenderer
Unterschied zwischen den Blättern in Wasser
und den in den schwachen Lösungen nach Verlauf von 8 bis 24 Stun-
den, als in den ersten drei Stunden vorhanden war; doch ist es der all-
gemeinen Regel nach am besten, sich auf die in der kürzeren Zeit beob-
achteten Verschiedenheit zu verlassen.

[Abbildung] Fig. 9. (Drosera rotundifolia.)
Blatt (vergröszert), alle Tentakeln
dicht eingebogen, nach Eintau-
chung in einer Lösung von phos-
phorsaurem Ammoniak (ein Theil
auf 87500 Theile Wasser.)

Was den Zeitpunkt der Wiederausstreckung der Blätter betrifft, sowohl
wenn sie in Wasser als wenn sie in den schwachen Lösungen eingetaucht
gelassen wurden, so konnte es kaum etwas variableres geben. In beiden
Fällen beginnen die äuszeren Tentakeln sich wieder auszustrecken nach
Verlauf von nur 6 bis 8 Stunden; das ist ungefähr gerade die Zeit,
wenn die kurzen Tentakeln rings um die Scheibenränder eingebogen wer-
den. Auf der andern Seite bleiben die Tentakeln zuweilen einen ganzen
Tag lang oder selbst zwei Tage lang eingebogen; der allgemeinen Regel

Drosera rotundifolia. Cap. 7.
eine beträchtliche Zahl von Tentakeln eingebogen war, die Pflanzen wäh-
rend des Winters in einem sehr warmen Gewächshause gehalten worden;
sie trugen zeitig im Frühjahr merkwürdig schöne Blätter von einer hell
rothen Färbung. Hätte ich damals gewuszt, dasz die Empfindlichkeit der
Pflanzen dadurch vermehrt würde, so würde ich vielleicht die Blätter
nicht zu meinen Versuchen mit den sehr schwachen Lösungen von phos-
phorsaurem Ammoniak benutzt haben; meine Experimente sind aber da-
durch nicht fehlerhaft geworden, da ich ausnahmslos Blätter von den
nämlichen Pflanzen auch für das gleichzeitige Eintauchen in Wasser
benutzte. Es ereignete sich häufig, dasz einige Blätter an der nämlichen
Pflanze und einige Tentakeln an demselben Blatt empfindlicher waren als
andere; warum sich dies aber so verhält, weisz ich nicht.

Auszer den so eben angegebenen Verschiedenheiten zwischen den
in Wasser und den in schwachen Ammoniaklösungen eingetauchten Blättern
sind auch die Tentakeln der letzteren viel dichter eingebogen. Das Aus-
sehn eines Blattes nach Eintauchen in einige wenige Tropfen einer Lösung
von einem Gran phosphorsauren Ammoniaks in 200 Unzen Wasser (d. h.
ein Theil auf 87500) ist hier dargestellt: eine solche energische Einbiegung
wird niemals von Wasser allein verursacht. Bei
Blättern in den schwachen Lösungen wird häufig
die Platte oder Scheibe eingebogen: und dies
ist ein an Blättern in Wasser so selten ein-
tretender Umstand, dasz ich nur zwei Fälle
davon gesehen habe, und in beiden war die
Einbiegung sehr schwach. Ferner schreitet bei
Blättern in den schwachen Lösungen die Ein-
biegung der Tentakeln und der Blattscheibe
oft stetig fort, wenn auch langsam, und viele
Stunden lang immer zu; dies ist wiederum bei
Blättern in Wasser ein so seltener Umstand,
dasz ich nur drei Fälle von irgend einer der-
artigen Zunahme nach den ersten 8 bis 12
Stunden gesehen habe; und in diesen drei
Fällen waren die zwei äuszeren Reihen von
Tentakeln durchaus gar nicht afficirt. Es be-
steht daher zuweilen ein viel bedeutenderer
Unterschied zwischen den Blättern in Wasser
und den in den schwachen Lösungen nach Verlauf von 8 bis 24 Stun-
den, als in den ersten drei Stunden vorhanden war; doch ist es der all-
gemeinen Regel nach am besten, sich auf die in der kürzeren Zeit beob-
achteten Verschiedenheit zu verlassen.

[Abbildung] Fig. 9. (Drosera rotundifolia.)
Blatt (vergröszert), alle Tentakeln
dicht eingebogen, nach Eintau-
chung in einer Lösung von phos-
phorsaurem Ammoniak (ein Theil
auf 87500 Theile Wasser.)

Was den Zeitpunkt der Wiederausstreckung der Blätter betrifft, sowohl
wenn sie in Wasser als wenn sie in den schwachen Lösungen eingetaucht
gelassen wurden, so konnte es kaum etwas variableres geben. In beiden
Fällen beginnen die äuszeren Tentakeln sich wieder auszustrecken nach
Verlauf von nur 6 bis 8 Stunden; das ist ungefähr gerade die Zeit,
wenn die kurzen Tentakeln rings um die Scheibenränder eingebogen wer-
den. Auf der andern Seite bleiben die Tentakeln zuweilen einen ganzen
Tag lang oder selbst zwei Tage lang eingebogen; der allgemeinen Regel

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[124/0138] Drosera rotundifolia. Cap. 7. eine beträchtliche Zahl von Tentakeln eingebogen war, die Pflanzen wäh- rend des Winters in einem sehr warmen Gewächshause gehalten worden; sie trugen zeitig im Frühjahr merkwürdig schöne Blätter von einer hell rothen Färbung. Hätte ich damals gewuszt, dasz die Empfindlichkeit der Pflanzen dadurch vermehrt würde, so würde ich vielleicht die Blätter nicht zu meinen Versuchen mit den sehr schwachen Lösungen von phos- phorsaurem Ammoniak benutzt haben; meine Experimente sind aber da- durch nicht fehlerhaft geworden, da ich ausnahmslos Blätter von den nämlichen Pflanzen auch für das gleichzeitige Eintauchen in Wasser benutzte. Es ereignete sich häufig, dasz einige Blätter an der nämlichen Pflanze und einige Tentakeln an demselben Blatt empfindlicher waren als andere; warum sich dies aber so verhält, weisz ich nicht. Auszer den so eben angegebenen Verschiedenheiten zwischen den in Wasser und den in schwachen Ammoniaklösungen eingetauchten Blättern sind auch die Tentakeln der letzteren viel dichter eingebogen. Das Aus- sehn eines Blattes nach Eintauchen in einige wenige Tropfen einer Lösung von einem Gran phosphorsauren Ammoniaks in 200 Unzen Wasser (d. h. ein Theil auf 87500) ist hier dargestellt: eine solche energische Einbiegung wird niemals von Wasser allein verursacht. Bei Blättern in den schwachen Lösungen wird häufig die Platte oder Scheibe eingebogen: und dies ist ein an Blättern in Wasser so selten ein- tretender Umstand, dasz ich nur zwei Fälle davon gesehen habe, und in beiden war die Einbiegung sehr schwach. Ferner schreitet bei Blättern in den schwachen Lösungen die Ein- biegung der Tentakeln und der Blattscheibe oft stetig fort, wenn auch langsam, und viele Stunden lang immer zu; dies ist wiederum bei Blättern in Wasser ein so seltener Umstand, dasz ich nur drei Fälle von irgend einer der- artigen Zunahme nach den ersten 8 bis 12 Stunden gesehen habe; und in diesen drei Fällen waren die zwei äuszeren Reihen von Tentakeln durchaus gar nicht afficirt. Es be- steht daher zuweilen ein viel bedeutenderer Unterschied zwischen den Blättern in Wasser und den in den schwachen Lösungen nach Verlauf von 8 bis 24 Stun- den, als in den ersten drei Stunden vorhanden war; doch ist es der all- gemeinen Regel nach am besten, sich auf die in der kürzeren Zeit beob- achteten Verschiedenheit zu verlassen. [Abbildung Fig. 9. (Drosera rotundifolia.) Blatt (vergröszert), alle Tentakeln dicht eingebogen, nach Eintau- chung in einer Lösung von phos- phorsaurem Ammoniak (ein Theil auf 87500 Theile Wasser.)] Was den Zeitpunkt der Wiederausstreckung der Blätter betrifft, sowohl wenn sie in Wasser als wenn sie in den schwachen Lösungen eingetaucht gelassen wurden, so konnte es kaum etwas variableres geben. In beiden Fällen beginnen die äuszeren Tentakeln sich wieder auszustrecken nach Verlauf von nur 6 bis 8 Stunden; das ist ungefähr gerade die Zeit, wenn die kurzen Tentakeln rings um die Scheibenränder eingebogen wer- den. Auf der andern Seite bleiben die Tentakeln zuweilen einen ganzen Tag lang oder selbst zwei Tage lang eingebogen; der allgemeinen Regel

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/138>, abgerufen am 21.11.2024.